Von Alexander Fröhlich: Ex-Schatzmeister unter Geldwäsche-Verdacht
Christian Goetjes galt als professioneller Kommunalpolitiker der Grünen mit Ambitionen – sein Verschwinden ist mysteriös
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Potsdam – Noch immer gibt es keine Spur von Christian Goetjes, dem verschwundenen Schatzmeister der Grünen in Brandenburg. An seinem Handy meldet sich nur die Mailbox. Es gilt als wahrscheinlich, dass er mit 40 000 Euro von den Konten der Landespartei durchgebrannt ist. Dort herrscht nun blankes Entsetzen. Nicht nur über den Verlust des Geldes, vor allem über den 33-Jährigen aus Hohen Neuendorf (Oberhavel). Der Fall ist mysteriös.
Denn nicht nur die Polizei ermittelt gegen ihn wegen Veruntreuung von Parteigeldern, die Staatsanwaltschaft hat ihn wegen des Verdachts auf Geldwäsche seit Monaten im Visier. Eine Berliner Bank hatte 2010 pflichtgemäß eine Verdachtsanzeige erstattet. Goetjes hatte das Misstrauen der Bank mit Geldgeschäften ausgelöst, die er im Mai und Juni 2010 getätigt haben soll. Die Ermittler gehen dem Verdacht nach, dass Geld könnte aus Straftaten stammen. Über Summen wollte die Staatsanwaltschaft Eberswalde keine Angaben machen.
Von all dem haben seine Parteifreunde nichts geahnt. „Es war nicht zu merken, dass sich tiefe Gräben in ihm aufgerissen haben“, sagt ein politischer Weggefährte. „Mit Privatem war er immer sehr zurückhaltend.“ Viele Mitgliedern wissen aber, dass Goetjes 2009 Probleme mit seiner drogenkranken Freundin hatte, die eine Entziehungskur machen musste. Ob beide noch ein Paar sind, ist unklar.
Goetjes galt als engagiertes Nachwuchstalent mit Ambitionen für höhere Aufgaben in der Partei. Schön früh bastelte er an seiner Karriere: mit 18 Jahren Vorsitzender des Landesschülerrates, Mitglied diverser Gremien, nach dem Abitur 1999 Chef der Grünen Jugend in Brandenburg, Kreisparteichef in Oberhavel, seit 2000 Schatzmeister der Landes-Grünen, später auch der Kreispartei, seit sechs Jahren Stadtverordneter in Hohen Neuendorf und gegen Rechtsextremismus aktiv. „Wenn er was gemacht hat, dann hervorragend“, sagt ein Parteifreund. „Er war immer ein sehr professioneller Politiker.“
Im vergangenen Jahr aber wurde Goetjes das alles zu viel, zumal er seit dem Einzug der Grünen in den Landtag als ehrenamtlicher Schatzmeister mehr zu tun bekam. Plötzlich war mehr Geld in den Parteikassen, die Grünen verschärften ihre Finanzregeln. Goetjes ließ Termine platzen, kam nicht zu Vorstandssitzungen. Bei einem Krisengespräch deutete er an, dass es zeitlich für ihn eng werde, dass er das Amt nicht ausfüllen könne, wie er es müsste. Auch als Lokalpolitiker in Hohen Neuendorf kam er in diesem Jahr immer seltener zu Sitzungen. „In den letzten Wochen gab es Unzufriedenheit, weil er seine Termine nicht eingehalten hat“, sagt ein Parteifreund. „Er hat es immer mit seinem Studium begründet.“
Dabei studiert Goetjes seit fast einem Jahr nicht mehr in Berlin Wirtschaftswissenschaften, wurde im April 2010 exmatrikuliert, wie die Polizei inzwischen herausfand. Die Eltern haben am Dienstag eine Vermisstenanzeige gestellt, die Polizei geht dem aber nicht weiter nach. Goetjes sei volljährig, es bestünden keine Hinweise auf eine Gefahr für Leib und Leben, sagte eine Polizeisprecherin. Anfang Februar hatte Goetjes dem Vorstand seinen Rücktritt angedeutet. Am Montag wollte er es offiziell verkünden, hatte die Übergabe der Geschäfte an die Landesvorsitzenden verabredet. Doch am Montagmorgen meldete sich Goetjes per SMS: Er komme später – es war seine letzte Nachricht, er kam nicht.
Am Dienstag entdeckte Landesparteichefin Annalena Baerbock, dass bis Montag in drei Tranchen 40 000 Euro in Bar abgehoben wurden, laut Finanzordnung der Grünen ist das verboten. Heute will Baerbock bei der Bank klären, warum das Geld dennoch und trotz Vieraugenprinzip ausgezahlt wurde. Geldgeschäfte der Partei können nur zwei verfügungsberechtigte Vorstandsmitglieder gemeinsam absegnen – beide Landeschefs und bis Montag der verschollene Goetjes.
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