Brandenburg: Experten fordern neue Agrarpolitik
Leibnitz-Forscher kritisieren die Agrar-Förderpolitik und fordern lokale Konzepte für Brandenburgs Regionen. Von den Bauern ernten sie dafür Kritik.
- Jana Haase
- Matthias Matern
- Tobias Reichelt
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Potsdam - Führende brandenburgische Agarforscher fordern ein Umdenken in der Landwirtschaftspolitik im Land Brandenburg. In einer gemeinsamen Erklärung mahnen die Leiter der drei agrarwissenschaftlichen Leibniz-Institute in Potsdam, Großbeeren und Müncheberg einen Wertewandel an. Agrarpolitik dürfe nicht „von oben“ verordnet werden, Entscheidungen müssten vielmehr auf lokaler Ebene und unter Beteiligung aller Betroffenen fallen, sagte Hubert Wiggering, der Leiter des Leibniz-Instituts für Agrarlandschaftsforschung Müncheberg (ZALF), am Dienstag den PNN. Zur Umsetzung schlägt er die Erstellung sogenannter lokaler Landnutzungskonzepte vor. Bei Bauern und in der Landesverwaltung stößt der Appell auf Ablehnung, Naturschützer dagegen begrüßen die Vorschläge.
Konkret schlagen die Forscher gesamtheitliche Analysen von Agrarstandorten vor: Dabei sollen unter anderem die Bodenqualität, die klimatische Situation, der Wasserhaushalt, aber auch Belange wie Naturschutz, Tourismus und Anwohnerinteressen berücksichtigt werden. „Die verschiedenen Interessen sollen nicht gegeneinander ausgespielt, sondern nach Möglichkeit in Einklang gebracht werden“, erläuterte Wiggering. Forscher könnten Lösungsansätze aufzeigen. Die Entscheidung für ein Konzept müsse aber vor Ort fallen.
Wiggering kritisierte gleichzeitig die bislang praktizierte Förderpolitik „von oben“ als zu einseitig: So würden bestimmte Anbau-Entscheidungen – aktuell etwa die Biomasseproduktion – durch entsprechende Förderung für Landwirte so lukrativ gemacht, „dass man drumherum alles andere vergisst“. Das Ergebnis sei eine Schieflage, die dann wiederum von oben reguliert werden müsse. „Um zu nachhaltigen Ergebnissen in der Nutzung endlicher natürlicher Ressourcen zu gelangen, nicht nur zu kurzfristigen wirtschaftlichen Erfolgen, brauchen wir ein gesellschaftliches Umdenken“, forderte auch Rainer Brunsch, Direktor des Leibniz-Instituts für Agrartechnik in Potsdam-Bornim (ATB).
MEHR ZUM TEHMA: AM DONNERSTAG IN DEN POTSDAMER NEUESTEN NACHRICHTEN Reinhard Jung, Geschäftsführer des Bauernbundes Brandenburg, dem überwiegend private selbstständige Landwirte angehören, hält die Forderungen für „wissenschaftliche Hirngespinste“. „Mein Landnutzungskonzept entsteht, wenn ich mir beim Frühstück überlege, was ich heute mache. Dafür brauche ich niemanden, der mich berät, und ich möchte mich auch mit niemandem darüber abstimmen“, stellte Jung am Dienstag klar. Wolfgang Scherfke, Hauptgeschäftsführer des Landesbauernverbandes Brandenburg, der vor allem für großflächige Agrarproduktion steht, nannte den Appell „abenteuerlich“. „Als wenn wir nicht nachhaltig wirtschaften würden.“
Auch im Landesagrarministerium sieht man den Vorstoß skeptisch. Da Agrarpolitik heute vor allem in Brüssel und nicht in Deutschland oder den Ländern gemacht werde, seien die Vorschläge „wohlfeil“, sagte Hans-Rüdiger Schubert, Abteilungsleiter für Ländliche Entwicklung.
Der Chef der Naturschutzorganisation BUND in Brandenburg, Axel Kruschat, dagegen unterstützt die Anregungen, sieht aber deren Umsetzung durch das fehlende Engagement der Landesregierung bei den Verhandlungen um EU-Agrarfördermittel gefährdet. „Man muss Landwirten auch ein betriebswirtschaftliches Angebot machen können, damit sie weniger auf rein wirtschaftliche Erfolge schauen“. Es sei aber davon auszugehen, dass nach der EU-Agrarreform dafür weniger Geld zur Verfügung stehe.
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