Brandenburg: Experten loben Konzept für Opferberatung
Mothes: Diktatur-Opfer bedürfen der Betreuung
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Potsdam - Der brandenburgische Landtag wird sich in der kommenden Woche erstmals mit dem Gesetzentwurf der rot-schwarzen Koalition zur Einsetzung eines Landesbeauftragten für Diktatur-Opfer befassen. Wie die Koalitionsfraktionen am Mittwoch mitteilten, soll das Gesetz im Juli vom Parlament beschlossen werden. Ebenfalls in der letzten Landtagssitzung vor den Parlamentswahlen im Herbst könnte der Beauftragte gewählt werden. Wer das sein wird, ist weiterhin offen.
Der einst für das Amt ins Gespräch gebrachte langjährige Stasi-Unterlagen-Beauftragte von Mecklenburg-Vorpommern, Jörn Mothes, wollte sich am Mittwoch in Potsdam nicht zu Personalfragen äußern. Der heutige Referatsleiter im Schweriner Kulturministerium nahm mit dem sächsischen Stasi-Unterlagen-Beauftragten Michael Beleites an einer Beratung von Abgeordneten zum neuen Gesetz teil. Beide Experten begrüßten den Gesetzentwurf.
Brandenburg hat als einziges ostdeutsches Land keinen Stasi-Beauftragten. Mothes betonte, auch 20 Jahre nach dem Mauerfall sei es noch nicht zu spät für einen „modernen Anfang“. Wenn Brandenburg jetzt einen Beauftragten einsetze, müssten die Erfahrungen der anderen Länder berücksichtigt und das Aufgabengebiet ausgeweitet werden. Es gehe heute anders als zu Beginn der 90er Jahre nicht mehr nur darum, Inoffizielle Mitarbeiter (IM) der Stasi zu enttarnen oder Stasi-Akten zu sichten, sagte Mothes. Vielmehr gehe es um die psychosoziale Beratung von Betroffenen. Dabei müssten biografische Zusammenhänge in einen größeren historischen Kontext gestellt werden. So sollten auch das Unrecht in der sowjetischen Besatzungszone und während der NS-Diktatur beleuchtet werden. Das bedeute nicht, die Diktaturen gleichzusetzen, unterstrich Mothes.
Beleites fügte hinzu: „Wir können bei der Aufarbeitung von Diktaturfolgen nicht bei der Stasi stehenbleiben.“ Eine inhaltliche Erweiterung sei unabdingbar. Es gehe um eine umfassende Erinnerungskultur und nicht um Gleichmacherei. Beleites fügte hinzu, Unterschiede zwischen den Diktaturen könnten besser deutlich gemacht werden, wenn sie nicht getrennt voneinander aufgearbeitet werden. Auch die „Opfer-Konkurrenz“ müsse überwunden werden. Beide Experten bekräftigten zudem, dass auch 20 Jahre nach der Wende noch ein hoher Beratungsbedarf bestehe. Das betreffe nicht nur Opfer der Stasi, sagte Mothes. Auch kämen jetzt zunehmend Anfragen der Nach-Wende-Generation. Die jungen Menschen würden über die Rolle ihrer Eltern in der Vergangenheit nachdenken. In Mecklenburg-Vorpommern gebe es derzeit noch 400 bis 500 neue Beratungsfälle im Jahr, sagte Mothes. In Sachsen liegt die Zahl laut Beleites aufgrund der größeren Einwohnerzahl noch etwas darüber. In beiden Ländern hat der Stasi-Beauftragte drei weitere Mitarbeiter. Diese arbeiten eng mit einem Netzwerk aus Beratern und Psychologen zusammen. Mothes empfahl zudem eine enge Kooperation des künftigen Beauftragten mit der Landeszentrale für politische Bildung und den märkischen Gedenkstätten. Die Stasi-Behörde habe nicht nur einen Beratungs-, sondern auch einen Bildungsauftrag. Susann Fischer
Susann Fischer
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