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Belle France. Ob es sich bei dem jungen Mann und der jungen Frau tatsächlich um Landwirte handelt, darf bezweifelt werden. Um Brandenburger handelt es sich dagegen bestimmt nicht – sie stammen aus Frankreich. Dem Landesbauernverband war es egal.

© LBV

PLAKATE DES BRANDENBURGER BAUERNVERBANDES: Falsche Freunde aus Frankreich

Eine Plakataktion des Landesbauernverbandes für konventionelle Tierhaltung sorgt für Spott. Denn die Lobbyisten nahmen es mit der Herkunft der Bilder offensichtlich nicht so genau

Von Matthias Matern

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Potsdam - Glückliche Ferkel, weidende schwarz-weiße Kühe unter blauem Himmel und freilaufende Hühner – mit einer breit angelegten Plakatkampagne versucht der Landesbauernverband Brandenburg derzeit den Organisatoren des Volksbegehrens gegen Massentierhaltung den Schneid abzukaufen. Unter der Überschrift „Wir machen Tierwohl – Brandenburg und seine Bauern“ will der Verband den Verbrauchern zeigen, wie ernst es auch den konventionell wirtschaftenden Landwirten Brandenburgs mit der artgerechten Tierhaltung ist. Dabei nahmen es die Lobbyisten offensichtlich mit der Herkunft der Motive für ihre Plakate nicht ganz so genau. Zumindest eines der insgesamt sieben verwendeten Bilder hat nachweislich mit Brandenburg nichts zu tun: Es wurde in Frankreich aufgenommen und stammt von einer international tätigen US-amerikanischen Bildagentur.

Zu sehen sind auf dem Bild ein junger Mann in Jeans und eine junge Frau mit einem Laptop auf dem Schoß. Neben den beiden angeblichen Landwirten futtern Kühe munter frisches Heu. Für die Aktivisten des Volksbegehrens ist dieser verunglückte Kunstgriff des Bauernverbandes ein gefundenes Fressen und willkommener Anlass, um die ganze Kampagne durch den Kakao zu ziehen. Von einer „verunglückten Reaktion“ auf das Volksbegehren ist die Rede. Gezeigt würden ausschließlich Verhältnisse, wie sie gar nicht gegensätzlicher zu Brandenburgs Realität sein könnten, heißt es. Die „blanke Phrase vom Bauern als Wohltäter für die Tiere“ sei durch keinerlei Information untermauert, lautet die Kritik. Kaum ein Nutztier in Brandenburg sehe jemals das Sonnenlicht, auf saftig grünem Gras stünden gerade einmal 18 Prozent der Legehennen und nur 15 Prozent der Milchkühe, behaupten die Gegner der sogenannten Massentierhaltung. „Das auf den Plakaten gezeigte Leitbild entspricht eigentlich unserer Vorstellung von Landwirtschaft, folglich kann es so falsch nicht sein“, ätzt etwa Axel Kruscht, Landesgeschäftsführer des BUND Brandenburg und Mitinitiator des Volksbegehrens.

Hinter dem Volksbegehren steht wie berichtet das Aktionsbündnis Agrarwende Berlin-Brandenburg, dem neben dem BUND auch zahlreiche Bürgerinitiativen und andere Verbände wie die Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau (FÖL) oder Naturschutzbund (Nabu) angehören. Ziel des Volksbegehrens ist es, den brandenburgischen Landtag zu zwingen, sich nach der Anfang des Jahres abgeschmetterten, gleichlautenden Volksinitiative erneut mit den Forderungen des Bündnisses auseinanderzusetzen. Gefordert werden unter anderem ein Verbot des Kupierens von Ferkelschwänzen und Geflügelschnäbeln, die Schaffung eines Verbandsklagerechts für anerkannte Tierschutzverbände und die Berufung eines hauptamtlichen Tierschutzbeauftragten für Brandenburg. Ferner soll das Land künftig nur noch den Bau von Anlagen für eine artgerechte Tierhaltung fördern. Insgesamt benötigt das Aktionsbündnis für einen Erfolg 80 000 Unterschriften. Gesammelt wird seit Mitte Juli. Mitte Oktober hatten den Angaben des Landeswahlleiters zufolge mehr als 40 500 Brandenburger unterschrieben. Am 14. Januar 2016 läuft die Frist ab.

Der Landesbauernverband jedoch wirft den Aktivisten des Volksbegehrens vor, alle Bauern in Brandenburg pauschal zu verunglimpfen. Die Landwirte würden generell „sehr hohe Tierwohlstandards“ erfüllen, erklärte Verbandspräsident Udo Folgart beim Auftakt der aktuellen Plakataktion. „Ignoriert werden in der öffentlichen Diskussion leider zahlreiche Studien, die belegen, dass Tierwohl keine Frage der Bestandsgröße ist, sondern vor allem vom Management abhängig ist. Eine nachhaltige Landwirtschaft muss ökonomisch sinnvoll und sozial verantwortlich sein“, so Folgart weiter.

Gut 60 Plakate hat der Bauernverband nach eigenen Angaben bislang in Brandenburg aufgestellt. Dass viele Brandenburger die beiden Franzosen nun fälschlicherweise für Landsleute halten könnten, findet Verbandssprecher Holger Brantsch nicht verwerflich. „Wir haben nicht gesagt, dass dies Bauern aus Brandenburg sind.“ Außerdem sei es wegen der erforderlichen Auflösung der Bilder nun mal gängige Praxis, sich für große Plakate bei Bildagenturen zu bedienen. Dass sich die Organisatoren des Volksbegehrens über die Herkunft des einen Fotos mokieren, sei „Krümelkackerei“, findet Brantsch.

Martin Kündiger, Sprecher des Volksbegehrens, dagegen kann den Vorwurf gar nicht verstehen. Es sei doch schließlich der Bauernverband, der den Organisatoren des Volksbegehrens stets Realitätsferne vorwerfe. Da müsse man es doch selbst in diesem Punkt ganz genau nehmen. „Doch realitätsferner als dieses Plakat geht es doch gar nicht“, sagt Kündiger.

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