Brandenburg: Falscher Bescheid: Land haftet mit 50 Millionen Euro
Neue Niederlage vor Bundesgericht: Brandenburg zu Rekordzahlung an Unternehmer verdonnert
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Potsdam - Im größten Staatshaftungs-Prozess in der Geschichte des Landes hat Brandenburgs Regierung vor dem Bundesgerichtshof eine Niederlage erlitten: Der bayerische Unternehmer Peter Niedner, der wegen einer möglicherweise durch einen Fehlbescheid des Finanzamtes Calau ausgelösten Pleite seiner Firma insgesamt vom Land 120 Millionen Euro Schadenersatz einklagt, bekam jetzt von den Karlsruher Richtern Recht. Ein Urteil des Oberlandesgerichtes (OLG) Brandenburg vom vorigen Jahr, das Niedners Ansprüche abgelehnt hatte, wurde vom Bundesgerichtshof jetzt aufgehoben. Der Fall muss jetzt vom OLG neu aufgerollt werden. Die Urteilsbegründung steht noch aus.
Niedner, früher Vorstandschef der Triumph Adler AG und VW-Manager, reagierte am Freitag gegenüber den PNN mit Genugtuung auf seinen Erfolg. „Man hat vor sieben Jahren auf die biologische Lösung gesetzt, als das Finanzministerium meinen Antrag auf Staatshaftung ablehnte. Den Gefallen haben ich denen nicht getan – ich will nur mein Recht“, sagte der heute 77-Jährige, der das Ganze „durchziehen will“. Mit dem Urteil muss das Land Brandenburg vom Bundesgerichtshof wegen rechtswidriger Verwaltungspraxis erneut eine Niederlage einstecken müssen, nachdem die Karlsruher Richter bereits 2007 die Brandenburger Regierungspraxis im Umgang mit früheren Bodenreformgrundstücken als „sittenwidrig“ und eines „Rechtsstaates unwürdig“ verurteilt hatten. Als Niedner 2004 beim Finanzministerium den Antrag auf Staatshaftung stellte, hatte er einen Vergleich in Höhe von 20 Millionen Euro angeboten. Das Land lehnte das damals ab, obwohl Kenner des Falls – darunter der damalige Wirtschaftsausschussvorsitzende und heutige Falkenseer Bürgermeister Heiko Müller (SPD), der Europaabgeordnete Christian Ehler (CDU) und der damalige Wirtschaftsexperte und heutige Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) im Verfahren gegenüber der Niedner-Firma Verwaltungsfehler feststellten.
Es geht um die frühere Deuba Glas Großräschen GmbH. Niedner hatte nach der Wende von der Treuhand das Glaswerk gekauft, in das er 125 Millionen Euro investieren wollte. Er geriet in Schwierigkeiten. Die Treuhand zeigte Niedner in München wegen Subventionsbetruges an, weil er angeblich die vereinbarten Investitionen nicht getätigt hatte. Die Vorwürfe wurden zwar später ausgeräumt und das Ermittlungsverfahren eingestellt. Dass die Firma 1996 trotzdem Pleite ging – dafür macht Niedner das Calauer Finanzamt verantwortlich. Das Finanzamt hatte der Firma 1994 die sogenannte Unternehmer-Eigenschaft aberkannt, obwohl das Unternehmen öffentliche Fördergelder in Millionenhöhe bekommen hatte. Die Folge war, dass die Firma die Mehrwertsteuer nicht verrechnen durfte, was laut Niedner den Ausschlag für die Insolvenz gab. Als das Finanzamt Calau im Jahr 2000 seinen Bescheid korrigierte, war es für die Niedner-Firma zu spät.
Bei seinen Forderungen konnte Niedner, der seit Jahren vor brandenburgischen Gerichten prozessierte, bei Behörden intervenierte, gegenüber allen Landtagsfraktionen und der von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) geführten Regierung nicht lockerließ, zunächst auf ein aus der DDR durch das Land Brandenburg übernommenes Staatshaftungsgesetz setzen. Es geht über das Bundesgesetz hinausgeht und ist sogar in der Landesverfassung verankert: Danach muss man bei Haftungsansprüchen den Behörden keinen Vorsatz für Fehler nachweisen. Im aktuellen Verfahren in Karlsruhe hatte sein Hamburger Anwalt Rolf Karpenstein auf Verstöße der Brandenburger Praxis gegenüber EU-Recht verwiesen – und damit vor dem BGH Recht bekommen.
Die Schadenersatz-Chancen Niedners sind durch das BGH–Urteil, an dessen Grundlinien das OLG gebunden ist, deutlich gestiegen. Die Staatskanzlei wollte das Urteil unter Verweis auf die laufenden Verfahren nicht kommentieren. Um so deutlicher ist Niedner. „Das Land hätte es einfacher haben können. Jetzt wird es teuer.“ Welche genaue Schadenersatzsumme er vor dem OLG einzuklagen versucht, auf jeden Fall über 100 Millionen Euro, lässt er offen. „Aber wir werden Dampf machen.“ Obwohl Platzeck der Fall seit Jahren bekannt ist, habe der Regierungschef nichts getan. Im neuen OLG-Verfahren könne man nach Akteneinsicht im Finanzministerium auf Tausende Dokumente zurückgreifen, „die wir bei den früheren Verfahren“ noch nicht hatten. Niedner: „Sie belegen die rechtswidrigePraxis des Landes.“
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