zum Hauptinhalt
Ganz schön nah dran. Für viele Anwohner wird sich die Wohnsituation drastisch verschlechtern, wenn der BER in Betrieb geht. Moderner Schallschutz soll helfen. Doch nach Ansicht des Fraunhofer-Instituts wurde nicht sorgfältig genug geplant.

© Patrick Pleul / dpa

Brandenburg: Fehler in der Lärm-BERechnung

Fraunhofer-Gutachten prüft eingebauten Schallschutz nach. In 29 Prozent der Fälle ist es drinnen zu laut

Stand:

Schönefeld - Am BER liegt neuer Krach in der Luft. Und wieder einmal geht es um den Schallschutz für die rund 25 000 Anwohner des Flughafens, an dem ab Oktober 2017 zumindest nach dem offiziellen Plan alle zwei Minuten Maschinen starten und landen sollen. Nun hat das renommierte Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP) aus Stuttgart das aktuelle Schallschutzprogramm der Flughafengesellschaft untersucht. Ergebnis: Es bestehen nach wie vor erhebliche Defizite.

Der BER-Schallschutz war zuvor nach Gerichtsurteilen mehrfach nachgebessert worden. Trotzdem gibt es in der Praxis immer noch gravierende Probleme, entsprechen die eingebauten Fenster in ihrer Wirkung oft nicht den Vorgaben, ist es drinnen immer noch zu laut. So steht es im IBP-Gutachten, das im Auftrag der Schutzgemeinschaft von acht BER-Umlandgemeinden erstellt und am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellt wurde.

„Bei 29 Prozent aller Räume werden die akustischen Schutzziele nicht eingehalten. Das heißt, der zulässige Innenpegel wird überschritten“, erläuterte Gutachter Lutz Weber, der am IBP die Bauakustikabteilung leitet. Das wäre rund jedes dritte Haus. Die Vorgaben des Planfeststellungsbeschlusses sind eindeutig: Demnach darf es in den Wohnungen im sogenannten Tagschutzgebiet, also der Kernzone unmittelbar am BER mit rund 11 400 Haushalten, bei geschlossenen Fenstern durch Fluglärm niemals lauter als 55 Dezibel sein – was der Lautstärke eines Gesprächs entspricht. Stattdessen, so das Gutachten, betrugen in neun Prozent aller Fälle die Überschreitungen mehr als drei Dezibel. Das ist eine deutliche Lärmsteigerung, da die Dezibelskala nicht linear, sondern logarithmisch ist.

Für das Gutachten hatten die Bauphysiker zwölf repräsentativ ausgewählte Gebäude aus dem BER-Umfeld mit insgesamt 65 gedämmten Räumen untersucht, für die die Flughafengesellschaft den nötigen Schallschutz bereits hatte ermitteln und einbauen lassen. Das IBP hat alles noch einmal nachgerechnet und die Wirkung gemessen.

Ursache ist diesmal allerdings nicht eine gezielte Strategie der Flughafengesellschaft wie noch in den Jahren 2008 bis 2013. Damals waren die Anrainer von der FBB bewusst mit um das Sechsfache unterdimensionierten Billigdämmungen abgespeist worden, um Kosten zu sparen. Erst ein Gerichtsurteil führte zum Neustart. Im laufenden Programm sei das „bauakustische Planungskonzept in sich schlüssig und formal korrekt“, so das IBP. Die Probleme lägen vielmehr in der Umsetzung, und zwar zum einen in der bei Altbauten schwierigen Berechnung und Bewertung, wie viel Dämmung überhaupt nötig sei. Zum anderen seien etwa tiefe Töne, die jedoch typisch für Fluglärm seien, bei Berechnungen nicht berücksichtigt, ebenso wenig nachweisbar geringere Schallschutzwirkungen bei ungünstigen Einflugwinkeln des Lärms.

Möglicherweise hätten die Ingenieurbüros bei den Schallschutzberechnungen unter hohem Zeit- und Kostendruck gestanden, so Weber. Mit „mehr Sorgfalt, saubererer Planung“ seien die Mängel abzustellen, möglicherweise auch mit einem Sicherheitspuffer bei den Berechnungen. „Man muss nicht alles neu machen.“ Die Schutzgemeinschaft und deren Anwalt Michael Hofmann forderten die Flughafengesellschaft gestern auf, die Mängel abzustellen. „Eigentlich kann doch niemand ein Interesse daran haben, dass so weitergewurstelt wird“, so Hofmann. Wenn das nicht geschehe, würden weitere Klagen folgen.

Die Flughafengesellschaft äußerte sich zurückhaltend. Das Gutachten sei bisher nicht bekannt, die Ergebnisse liegen der FBB nicht vor, hieß es. Zugleich verwies die FBB darauf, dass „die Erstellung der schalltechnischen Objektbeurteilungen, die Grundlage für die Ermittlung der notwendigen Ansprüche im Schallschutzprogramm BER sind, auf Grundlage anerkannter Rechenverfahren erfolgt.“ Es gebe „ständige Qualitätssicherungsmaßnahmen“. Es sei „deshalb nicht davon auszugehen, dass das Schutzziel nicht eingehalten wird.“ Die Schutzgemeinschaft der acht Anrainerkommunen wird das Gutachten nun dem Flughafen schicken.

Thorsten Metzner

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })