
© dpa/Annette Riedl
Feste Landesförderung ab 2027 geplant: Brandenburg bekommt erstmals Kinderschutzambulanzen
Ein seltsames Verhalten, eine fragwürdige Verletzung: Wenn Helfer unsicher sind, wann Kinder Opfer von Misshandlung, Missbrauch oder Vernachlässigung werden, sollen sie nun auch in Brandenburg Hilfe finden.
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Das Land Brandenburg erhält im kommenden Jahr erstmals medizinische Kinderschutzambulanzen (KIA). Sie sollen am Potsdamer Klinikum Ernst von Bergmann sowie an den Krankenhäusern in Eberswalde, Lauchhammer und Neuruppin entstehen. Ein weiterer Standort in Cottbus ist in Planung.
Die Ambulanzen sollen als interdisziplinäre Anlaufstelle für Verdachtsfälle von Misshandlung, Missbrauch oder Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen dienen. Standardisierte medizinische Untersuchungen sollen dort ebenso möglich sein, wie eine enge, qualifizierte Abstimmung zwischen Medizin, Jugendhilfe und weiteren Institutionen.
„Wir sehen in unserer Klinik täglich, wie wichtig klar strukturierte, fachlich unabhängige und interdisziplinäre Anlaufstellen im Kinderschutz sind“, sagte Professorin Petra Degenhardt. Sie ist ärztliche Direktorin der Kinder- und Jugendklinik Potsdam, die zu den ersten Standorten einer KIA gehören wird. „Die geplante Eröffnung der KIA Potsdam ist ein großer Schritt, um gefährdete Kinder und Jugendliche schneller zu schützen und die Zusammenarbeit aller beteiligten Instanzen zu stärken.“
„Kinderschutzambulanzen sind ein unverzichtbarer Baustein für eine wirksame und vernetzte Hilfe im Kinderschutz“, sagte die Brandenburger Kinder- und Jugendschutzbeauftragte Katrin Krumrey, die die Schirmherrschaft über das Projekt übernommen hat. .
Brandenburg ist bislang das einzige Bundesland ohne eine Kinderschutzambulanz. Gesundheitsministerin Britta Müller (BSW) und Jugendminister Steffen Freiberg (SPD) kündigten am Dienstag deswegen eine Anschubfinanzierung in Höhe von 125.000 Euro aus Lottomitteln an.
Ab 2027 soll die Finanzierung der Ambulanzen über den Landeshaushalt erfolgen. „Brandenburg braucht dringend spezialisierte ambulante Anlaufstellen für Kinder, die Gewalt, Misshandlung oder Vernachlässigung erfahren haben“, sagte Müller. „Wenn etwa Sportvereine, Kita-Erzieherinnen oder Lehrkräfte Anzeichen von Misshandlung oder Vernachlässigung bei Minderjährigen erkennen, aber unsicher sind, können Kinderschutzambulanzen unterstützen.“
In Oberhavel wurden Kinder nach Berlin überwiesen
Auch der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Potsdamer Landtag, Björn Lüttmann, begrüßte die Pläne. „Kinderschutzambulanzen litten immer unter ungeklärten Zuständigkeiten“, sagte Lüttmann. Dies habe damit zusammengehangen, dass es sich dabei um Angebote der Jugendhilfe gehandelt habe, für die die Kommunen zuständig seien. „Wir haben den festen Vorsatz, dass das Land hier die Ambulanzen unterstützt.“ In seinem Heimatlandkreis Oberhavel seien betroffene Kinder bislang nach Berlin überwiesen worden, während der Landkreis die Kosten trug.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der BSW-Fraktion, Falk Peschel, nannte es eine „Herzensangelegenheit“ seiner Fraktion, dass Anfang 2026 die ersten vier Kinderschutzambulanzen in Brandenburg starten könnten.
CDU-Fraktionschef Jan Redmann nannte die Ambulanzen einen wichtigen Schritt. „Sehr häufig werden Verletzungen, die aus körperlichen Misshandlungen herrühren, bei Kindern nicht rechtzeitig erkannt“, so Redmann. Gebraucht würden aber auch „Childhood-Häuser“, wo Kinder, bei denen entsprechende Verletzungen festgestellt wurden, schnell in Kontakt mit Ermittlungsbehörden kommen könnten.
Als Vorbild nannte Redmann entsprechende Einrichtungen in Schweden: Dort könnten alle Behörden mit Kindern in kindgerechter Umgebung in Kontakt kommen und Ermittlungen starten. „Daran fehlt es bislang vollständig in Brandenburg.“
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