Brandenburg: „Filmgeschäft hat 50 000 Jobs generiert“
Medienboard-Chefin Kirsten Niehuus über erfolgreiche Filmförderung und die Zukunft der Branche
Stand:
Frau Niehuus, das Medienboard hat in den zehn Jahren seit der Entstehung mehr als 2000 Filmprojekte gefördert – das sind umgerechnet etwa vier Filme pro Woche. Haben Sie die alle gesehen?
Ja natürlich! Allerdings waren es nur etwa 790 Langfilme. Die hohe Zahl kommt auch durch mehrfache Förderung zum Beispiel für die Drehbuchentwicklung, danach für die Filmproduktion und später für den Kinoverleih zustande.
Wie hat sich der Filmstandort seit Start des Medienboards entwickelt?
Die Hauptstadtregion hat sich in den letzten zehn Jahren zum Filmstandort Nummer eins in Deutschland entwickelt und ist international zu einer Spitzenmarke geworden. Nirgendwo in Deutschland werden so viele Filme gedreht wie hier. Diese Entwicklung lässt sich an Indikatoren wie der Anzahl der Drehtage in der Region, die sich seit 2004 verdreifacht hat, oder dem Regionaleffekt, der sich mehr als verdoppelt hat, ablesen. Für jeden Euro Förderung, den ein Film bekommt, werden mittlerweile fünf Euro in der Region ausgegeben.
Wie berechnen Sie das?
Das müssen die Produzenten in der Schlussabrechnung gegenüber der Investitionsbank des Landes Brandenburg, die für uns das gesamte Vertragswesen übernimmt, ausweisen. Für jede ausgegebene Summe müssen sie angeben, wo der Rechnungssteller sitzt. Die ILB überprüft das stichprobenartig.
Drehtage sagen noch nichts darüber, ob die Zuschauer das auch sehen wollen.
Insgesamt haben 120 Millionen Deutsche die von uns geförderten Filme gesehen. 2013 haben 65 Prozent der Besucher, die deutsche Filme gesehen haben, Medienboard-geförderte Filme gesehen.
Deutsch ist in dieser Rechnung auch eine internationale Großproduktion wie „Cloud Atlas“ mit Tom Hanks?
Ja, weil die Produzenten von X-Filme von hier kommen und der Film zu großen Teilen im Studio Babelsberg gedreht wurde. Neben dem wirtschaftlichen Aspekt gibt es auch den kulturellen, den wir am Erfolg bei Festivals und Filmpreisen messen: In zehn Jahren haben medienboard-geförderte Film insgesamt 500 Auszeichnungen mit nach Hause gebracht, darunter sechs Oscars, sechs Cannes-Palmen und 125 Lolas.
Sie geben pro Jahr 24 Millionen Euro für Filmförderung aus. Trotz der Erfolge wollen Sie eine Erhöhung der Landesmittel. Welches Interesse sollte denn der Steuerzahler daran haben?
Neben all dem Glamour muss man sehen, dass das Filmgeschäft auch ein Jobmotor für die Region ist und in den letzten Jahren etwa 50 000 Jobs generiert hat. Das betrifft nicht nur die unmittelbar Beschäftigten wie die Ausstatter oder Handwerker zum Beispiel im Studio Babelsberg. Bei Filmdrehs werden Autos gemietet, Restaurants und Cateringfirmen sorgen für das leibliche Wohl, in Hotels wird übernachtet. Es profitieren also viele Branchen. In den letzten Jahren hat sich in Brandenburg auch außerhalb des Studios Babelsberg als Filmkulisse sehr viel entwickelt. Es geht uns darum, das zu halten.
Werden Kinofilme in der Zukunft überhaupt dieselbe Bedeutung haben wie heute?
Ich bin sehr zuversichtlich, dass das Kino auch in Zukunft der Premiumspielort für Filme sein wird. Aber es wird auch alternative Abspielformate im Internet geben. Wir haben bereits kleinere Plattformen für spezielle Filmangebote gefördert.
Sie fördern seit 2013 auch TV-Produktionen. Wieso?
Ich glaube, dass sich das Fernsehen der Zukunft vom heutigen Fernsehen unterscheidet. Die XXL-Erzählform, wie sie die großen US-amerikanischen Serien vormachen, gibt es mittlerweile auch aus Skandinavien.
Fernsehen wird teurer?
Ja. Aber auch qualitativ besser. Für Produzenten wie zum Beispiel die Babelsberger Ufa Fiction ist die allergrößte Risikophase in der Entwicklungsphase eines seriellen Formates. Dann tragen sie die Kosten zum Beispiel für eine Serienbibel mit dem Konzept oder für eine Pilot-Folge allein, bis ein Fernsehsender das Geld auf den Tisch legt. Da wollen wir die Produktionsfirmen unterstützen.
In zehn Jahren Medienboard waren Sie auch bei unzähligen Dreharbeiten mit deutschen Filmstars und Hollywood-Größen dabei. Welche Begegnung hat Sie am meisten beeindruckt?
Das Aufeinandertreffen mit Roman Polanski, als er „The Ghost“ im Studio Babelsberg gedreht hat. Ich war schon immer großer Polanski-Fan. Aber ich habe selten erlebt, dass jemand so schnell, in einer Zigarettenlänge lang, eine so vertraute Atmosphäre herstellen kann. Das war für mich einer der bewegendsten Momente meiner Medienboard-Arbeit.
Was erhoffen Sie sich für Babelsberg für die Zukunft?
Leider konnten wir Woody Allen trotz aller Bemühungen bisher noch nicht überreden, hier zu drehen. Das wäre noch ein Wunsch von mir.
Das Gespräch führte Jana Haase.
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