
© NABU/Hallau/dpa
Brandenburg: Fliegen lernen
Ein verletzter Wanderfalke wurde für einen Habicht gehalten und in einer Naturschutzstation aufgepäppelt
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Berlin/Himmelpfort - Ein verletzter Wanderfalke aus Sachsen-Anhalt hält die Tierschützer in Berlin und Brandenburg weiter auf Trab: Ende Oktober war der Jagdvogel mit einem lahmen Flügel im Havelland gefunden worden – nach mehreren Zwischenaufenthalten in einer brandenburgischen Wildtierstation, der Tierklinik der Freien Universität (FU) Berlin und der Wildvogelstation des Nabu soll er nun in ein spezielles Freifluggehege nach Brandenburg umziehen. Dort muss das Tierweibchen wieder fliegen lernen.
„Der Flügel ist immer noch nicht in Ordnung“, berichtete Pflegerin Katrin Koch von der Nabu-Wildvogelstation am Dienstag. Wanderfalken sind mit Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 200 Stundenkilometern die schnellsten Tiere der Welt. In der Naturschutzstation Woblitz in Himmelpfort wird Vogelexperte Paul Semmer die Flugfortschritte des Falkenweibchens genau beobachten. „Sie kann erst raus, wenn sie wieder absolut symmetrisch fliegt“, sagt Semmer. Der Grund: Nur im Flug und mit immensem Schwung fangen die Greifvögel ihre Beute. Semmer vermutet, dass der Flügel des Falkenweibchen durch eine Kollision verletzt wurde. Die Tierärzte der Berliner FU konnten jedoch keinen Bruch feststellen.
Zuvor war der verletzte Falke, von Natur aus ein Einzelgänger, mehrere Tage lang in der ersten Station mit anderen Vögeln zusammen und wurde für einen Habicht gehalten. „Unverständlich“, sagt Semmer. „Ein Wanderfalke ist einem Habicht so ähnlich wie eine Giraffe einem Schaf.“ Nach dem Aufpäppeln in der Nabu-Wildvogelstation braucht das verletzte Falkenweibchen nun mehr Platz für sein Flugtraining in einer großen runden Voliere. „Wenn ich den Falken freilassen kann und ich ihn im April an seinem alten Nistplatz wieder finde, weiß ich, dass er es geschafft hat“, sagt Semmer.
Das Wanderfalkenweibchen stammt aus Vockerode in Sachsen-Anhalt, wo es 2005 in einem Nest auf einer Hochspannungsleitung geschlüpft und auch beringt worden war. Hintergrund: Das Kraftwerk auf der anderen Elbe-Seite, wo das Elternpaar zuvor gebrütet hatte, wurde abgerissen. Seit 2007 brütet es selbst nun im Havelland, zunächst in einem ehemaligen Kolkrabennest und später dann in einem verlassenen Fischadlerhorst – ebenfalls in einer Hochspannungsleitung. „Sie hat schon zahlreiche Junge großgezogen“, beschreibt Semmer die Vogel-Supermutter. Fraglich ist, ob sie zurück in der Freiheit wieder einen Partner zur Paarung findet. „So groß ist die Auswahl unter den Wanderfalken nicht“, sagt Anja Sorges vom Nabu Berlin. Der langjährige Partner habe sich möglicherweise schon mit einem neuen Weibchen zusammengetan. Semmer glaubt das jedoch nicht. „Ich gehe davon aus, dass sie einen Heimvorteil hat.“ Wanderfalken leben in langjährigen Partnerschaften. In felsarmen Regionen brüten sie eigentlich auf Bäumen, weichen in besiedelter Landschaft aber auch auf hohe Gebäude aus. So suchte sich das erste Wanderfalkenpärchen im Rahmen der Wiederansiedlung ausgerechnet das Rote Rathaus in Berlin als Brutplatz - bis heute nistet es dort.
Insgesamt gibt es in den neuen Bundesländern mittlerweile wieder rund 130 Wanderfalkenpaare, die jeweils ein eigenes Revier besetzen. In den 70er Jahren waren die Vögel fast ausgerottet.
Andrea Barthélémy
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