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Von Alexander Fröhlich: „Focus“: Platzeck bewilligte Abhörtechnik

CDU-Innenexperte Sven Petke wirft der Landesregierung Vertuschung der Vorgänge vor

Stand:

Potsdam – Im Fall angeblicher russischer Spione in der brandenburgischen Staatskanzlei werden immer mehr Einzelheiten bekannt. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und sein damaliger Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) sollen laut einem „Focus“-Bericht den Kauf von 11 000 Euro teurer Abhörtechnik bewilligt haben, mit der ein verdächtiger Regierungsbeamter vor drei Jahren belauscht wurde.

Die für Verfassungsschutzfragen und Geheimdienstsachen zuständige Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) des Landtages ist aber nicht über die Abhöraktion des Verfassungsschutzes 2007 informiert worden, wie den PNN bestätigt wurde. Dabei war der Fall immerhin so brisant, dass die Spitze der Staatskanzlei eiligst handelte – mit einem Entzug der Verschlusssachen-Ermächtigung. Erst in dieser Woche wird Innenminister Rainer Speer (SPD) die PKK über den aktuellen Stand informieren. Auch die Kontrollkommission des Bundes wird sich nach PNN-Informationen mit dem Fall befassen, Anlass ist das Vorgehen der Generalbundesanwaltschaft. Dort ist vergangene Woche ein in solchen Fällen üblicher „Überprüfungsvorgang“ eingeleitet worden. Offizielle Ermittlungen gibt es nicht. Die für Terrorismus und Spionage zuständige Ermittlungsbehörde prüft, ob der Anfangsverdacht einer geheimdienstlichen Straftat vorliegt. Platzecks Staatskanzleichef Albrecht Gerber bezeichnete dies als einen „ganz normalen Vorgang“. Der „Focus“-Bericht zur Abhörtechnik enthalte dagegen nichts Neues, „wir haben keine Spione“.

CDU-Innenexperte Sven Petke warf der Landesregierung dennoch vor, die Vorgänge vertuschen zu wollen. „Seit einer Woche ist der Ministerpräsident nicht in der Lage, die Hinweise auf eine nachrichtendienstliche Verstrickung enger Mitarbeiter zu entkräften“, sagte er. „Die Landesregierung wirkt in der Angelegenheit hilflos und widersprüchlich.“ Petke forderte zudem weiter gehende Ermittlungen, wie die neuen Einzelheiten an die Öffentlichkeit gelangen konnten. „Hier liegt Geheimnisverrat vor, wenn so etwas rauskommt.“

Tatsächlich liegen alle vom „Focus“ geschilderten Fälle drei und teils mehr als sieben Jahre zurück. In keinem Fall gab es Anklageverfahren wegen Spionage und Landesverrat, stets wurden frühere Kontakte zu russischen Geheimdiensten bekannt, aber kein Nachweis auf aktuelle Spionagetätigkeit geliefert. Dabei sind 11 000 Euro für Abhörtechnik laut Brandenburger Verfassungsschutzkreisen nichts besonderes, zudem ließen sich die Anschaffungen der vergangenen Jahre schlecht auf einen Fall herunterrechnen, überwiegend kam die Technik in den letzten Jahren gegen Rechtsextremisten zum Einsatz.

Ein Problem könnten die Überprüfung des Staatskanzlei-Beamten dennoch werden. Sollte er 2007 beschattet und sein Telefon abgehört worden sein, wäre die Zustimmung der G10-Kommission im Landtag nötig gewesen, sie muss Lauschaktionen des Verfassungsschutzes zustimmen. Ob dies hier der Fall war, blieb unklar. Die PKK als Kontrollinstanz der Geheimdienste ist aber offenbar nicht informiert worden, das wird Innenminister Speer zu erklären haben.

Ohnehin sind nach den Stasi-Enthüllungen in der rot-roten Koalition trotz aller Dementis die Berichte über KGB-Spione über die Landesgrenzen hinaus verheerend. Fest steht: Es gab mehrere Fälle, der Verfassungsschutz fand aber offiziell keine Belege für Spionagedienste, jedenfalls nichts „gerichtsfestes“, daher gab es keine Konsequenzen.

Dabei ist es nicht der erste Vorgang, bei dem es um frühere Agenten aus dem Westen geht, die Kontakt zu Ostblock-Geheimdiensten hatten. Der hohe Beamte der Staatskanzlei war dort früher Leiter für Internationales und für Osteuropa-Beziehungen zuständig, jetzt ist er in der Landesvertretung Brandenburgs in Berlin tätig. Dass seine Gesprächspartner Agenten waren, will er nicht gewusst haben, heißt es.

Schon unter dem früheren Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) war gegen einen Staatskanzlei-Mitarbeiter KGB-Vorwürfe erhoben geworden, der Mann musste gehen. 1994 wurde der Chef der Brandenburger Vertretung in Brüssel kurzzeitig verhaftet, das Verfahren der Bundesanwaltschaft wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit gegen den früheren Stasi-IM „Dorn“ später für eine hohe Geldsumme eingestellt. Nur kurz war der Mann dann wieder Referatsleiter im Justiz- und Europaministerium. Mit Hilfe entschlüsselter Stasi-Dateien gab es 1999 neue Ermittlungen, später einen Prozess. IM „Dorn“ hatte bis 1989 Staatsgeheimnisse aus der Bonner Bundesregierung an die Stasi geliefert.

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