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Wirrwarr um Förderbescheide. Infrastrukturminister Jörg Vogelsänger (SPD), hier auf der Grünen Woche in Berlin, hat große Schwierigkeiten bei der Aufklärung der Affäre um pro agro.

© Robert Schlesinger/dpa

Förderaffäre um Verband pro Agro in Brandenburg: Förderakte manipuliert?

In der Affäre um Gelder für den Verband pro agro stiftet Agrarminister Vogelsänger mehr Verwirrung als Aufklärung. Nun tauchen verschiedene Versionen eines Förderbescheids auf. Es steht der Verdacht im Raum, dass ein Bescheid im Nachhinein manipuliert wurde.

Stand:

Potsdam - Brandenburgs Landesregierung verstrickt sich bei der Aufklärung der Förderaffäre um den Verband pro agro immer mehr in Widersprüche. Inzwischen muss infolge von PNN-Recherchen sogar die Frage gestellt werden, ob im Zuge der vom Landesrechnungshof angeschobenen Aufarbeitung einer Fördermaßnahme, die ins Jahr 2005 zurückreicht, offizielle Dokumente manipuliert wurden und der Landtag getäuscht wurde. Konkret geht es um einen Fall, bei dem das Agrarministerium pro agro im Mai 2005 einen Vorschuss in Höhe von 250 000 Euro gewährte. Damit sollte eine Finanzierungslücke für zu erwartende Fördergelder beim Verband überbrückt werden, weil pro agro die Kosten nicht vorfinanzieren konnte. Nach Hinweisen des Landesrechnungshofes musste das Agrarressort wie berichtet seine jahrelange Förderpraxis für pro agro und andere Verbände umstellen.

Doch nun sind zwei verschiedene Versionen des Förderbescheids von damals aufgetaucht, die Zweifel an der bisherigen Darstellung des Agrarressorts gegenüber Rechnungshof und Landtag zu den Vorgängen im Mai 2005 aufkommen lassen. Wie berichtet hat der Landesrechnungshof festgestellt, dass das Ministerium den Vorschuss offenbar „auf Zuruf“ gewährte. Demnach sei der Bescheid am 17. Mai ergangen, obwohl ein offizieller Antrag erst am 19. Mai beim Ministerium einging.

Nachdem das Prüfergebnis des Rechnungshofes vor einigen Wochen publik wurde, versuchte Agrarminister Jörg Vogelsänger mehrfach im Haushaltskontrollausschuss und im Haushaltsausschuss des Landtags, den damaligen Hergang völlig anders darzustellen – und warf neue Fragen und Widersprüche auf.

In einem Schreiben des Ministeriums vom 18. Februar 2015 an den Rechnungshof hieß es noch, am 19. Mai 2005 sei gemeinsam mit pro agro der Finanzierungsbedarf fixiert worden. Zuvor sei im Ministerium das „Verfahren zur Vorfinanzierung vorbereitet worden“. Weiter heißt es in dem Schreiben, der auf 17. Mai datierte Zuwendungsbescheid sei erst am 27. Mai bei pro agro eingegangen. Der Bescheid sei aber erst nach Eingang des Förderantrags erstellt worden.

Dass der Zuwendungsbescheid auf den 17. Mai datiert war, der Antrag aber erst später einging, hatte Vogelsänger in den vergangenen Wochen erst als „Behördenfehler“, später als „Bürofehler“ darzustellen versucht. Zudem brachte Vogelsänger kürzlich, eine E-Mail von pro agro vom 13. Mai 2005 ins Spiel, die faktisch als Förderantrag zu verstehen sei – aber dem Rechnungshof in dem fast zwei Jahre dauernden Prüfverfahren nie vorgelegt worden war. Tatsächlich sind der Landesbehörde in der E-Mail nur „die Formalien des Erstattungsprinzips“ zur Prüfung übersandt worden, konkret handelte es sich nur um ein Schreiben und eine Kalkulation, in denen pro agro darlegt, warum der Verband sich nicht in der Lage sah, in Vorkasse für EU-Fördergelder zu gehen.

Komplett im Widerspruch zu den Erkenntnissen des Rechnungshofes und überaus riskant war Vogelsängers Erklärung, im elektronischen Verwaltungsinformationssystem sei verzeichnet, dass der Bescheid erst ergangen sei, nachdem pro agro einen Antrag gestellt hatte. Tatsächlich geht das auch aus einer Version des Förderbescheids hervor, die die Landesregierung in Umlauf brachte, um alle Zweifel zu zerstreuen. Demnach ist der Förderantrag am 26. Mail 2005 abgesegnet worden . Das Datum ist in Maschinenschrift für die Schlusszeichnung eingetragen. Es gibt keinerlei handschriftliche Vermerke, auch fehlen Stempel und Unterschriften. Das Ministerium legte aber Wert darauf, dass die Dokumentation des Ablaufs im elektronischen Verwaltungsinformationssystem nachträglich nicht mehr zu ändern sei.

Nun tauchte aber in der vergangenen Woche eine zweite Version des Förderantrags auf – und die unterscheidet sich deutlich von der ersten Fassung. Vogelsänger hatte diesen Bescheid in der zweiten Version im Haushaltsausschuss des Landtags dabei und musste ihn den Abgeordneten zur Verfügung stellen. Sie trägt im Gegensatz zur ersten den Stempel des Ministeriums und ist von einer Ministeriumsmitarbeiterin beglaubigt worden. Und sie stützt die bisherige Darstellung des Rechnungshofes, dass das Ministerium großzügig Gelder an pro agro ausreichte. In der Tabelle zu den Durchgangsverfügungen steht nicht wie in der anderen Fassung in Maschinenschrift, dass der Vorgang am 26. Mai 2005 erledigt worden sei. Vielmehr ist dort als Vermerk zur Schlusszeichnung handschriftlich mit Namenskürzel der 19. Mai eingetragen. Erledigt wurde am 26. Mai nur eine Kopie des Förderbescheids an verschiedene Referate im Ministerium und im Landesamt für ländliche Entwicklung.

Doch wozu der ganze Aufwand? Eine PNN-Anfrage dazu konnte die Landregierung bislang nicht beantworten. Immerhin geht es um die für Vogelsängers politische Zukunft relevante Frage, ob es sich um unterschiedliche Versionen handelt oder ob Dokumente des Ministeriums zum Fördervorgang nachträglich manipuliert worden sind. Und es geht um die Frage, warum das Ministerium sich derart schwertut mit einem alten, zehn Jahre zurückliegenden Fall mit einer relativ geringen Fördersumme, die aber laut Rechnungshof in dieser Höhe für das geförderte Projekt gar nicht notwendig war.

Immerhin ist es ein Fall, bei dem der Landesrechnungshof grobe Verstöße gegen EU-Recht und nationales Haushaltsrecht feststellte – und der symptomatisch ist für die laxe Förderpraxis im Agrarressort für Vereine und Verbände in der ländlichen Entwicklung. Und es ist in der Landesregierung kein Geheimnis, dass das Agrarressort – unabhängig von der politischen Führung – mit seinen Fördertöpfen und mit seinen engen Verstrickungen in die Verbände und Vereine auf dem Land ein Eigenleben führt. Eine jahrelange Praxis, die wegen möglicher Verstöße gegen EU- Beihilferecht nun das Interesse der EU- Kommission in Brüssel geweckt hat. Denn das Land hat pro agro und anderen faktisch eine Beihilfe statt einer Projektförderung gewährt. Da pro agro Dienstleistungen für das Land erbringt, hätten diese ausgeschrieben und dann vergeben werden müssen. Oder die Beihilfen hätten bei der EU beantragt und notifiziert werden müssen. Nun hat die Kommission in Brüssel die erste Stufe einer beihilferechtlichen Prüfung eingeleitet. Schon der Rechnungshof hatte gewarnt: Schlimmstenfalls müsste Brandenburg wegen der jahrelangen Verstöße Gelder zurückzahlen.

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