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Affäre um Lobbyverband pro agro erreicht Regierungschef Woidke: Fördergeld auf Zuruf
Die Fördergeldaffäre um den Lobbyverband pro agro weitet sich aus. Das Agrarministerium zahlte 250 000 Euro an Fördergeld – laut Rechnungshof ein Rechtsverstoß. Zuständiger Minister damals war – der heutige Regierungschef Woidke.
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Potsdam - In der Affäre um die laxe Fördermittelvergabe im von Jörg Vogelsänger (SPD) geführten Agrarministerium werden immer neue Details publik – und könnten nun zum Problem für Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) werden.
Wie berichtet hat der Landesrechnungshof im Agrarministerium Ungereimtheiten beim Umgang mit Fördergeldern gefunden. In einem konkreten Fall stellte der Rechnungshof gravierende Verstöße gegen das Haushalts- und Zuwendungsrecht fest. Das Ressort hat im Jahr 2005 dem Verband zur Förderung des ländlichen Raums, pro agro, einem Lobbyverband für die ländliche Wirtschaft, 250 000 Euro gewährt, obwohl Notwendigkeit und Zweck nicht klar gewesen waren. Dies sei im Vorgriff auf zu erwartende beziehungsweise bewilligte Zuwendungsbescheide geschehen.
Erst der Förderbescheid, dann der Antrag
Wie Sieglinde Reinhardt vom Rechnungshof nun am gestrigen Donnerstag im Haushaltsausschuss des Landtags erklärte, erteilte das damals von Woidke geführte Ministerium am 17. Mai 2005 den Zuwendungsbescheid, obwohl noch gar kein Förderantrag von pro agro vorlag. Den reichte der Verein erst zwei Tage später ein.
Der Hintergrund: Damals war das Förderregime auf das sogenannte Erstattungsprinzip umgestellt. Die Empfänger sollten in Vorleistung gehen und dann ihre förderfähigen Projekt abrechnen. Pro agro aber erklärte dem Ministerium, nicht in der Lage zu sein, „zuwendungsfähige Ausgaben“ für Projekte vorzufinanzieren. Von Liquiditätsprobleme war damals die Rede. Daher habe, so Reinhardt, das Ministerium gemeint aushelfen zu müssen. Reinhardt sagte, die Vergabe der Fördermittel aus Kassen der öffentlichen Hand sei „auf Zuruf“ erfolgt.
Wer war für den Rechtsverstoß verantwortlich?
Dann ermittelten der Verband und das Landesamt für ländliche Entwicklung gemeinsam den Finanzbedarf des Lobbyverbands. Auf dieser Grundlage erteilte das Ministerium dann den Förderbescheid. Wer genau dafür verantwortlich war, war im Ministerium und beim Rechnungshof nicht zu erfahren. Auch nicht, ob es dazu einen Ministerentscheid von Woidke gab.
Und es gibt ein weiteres Problem: Pro Agro finanzierte mit dem Vorschuss seine Sach- und Personalkosten zu rund 70 Prozent – von der beantragten Projektförderung kann nach Ansicht des Rechnungshofes keine Rede sein. Zudem war in dem Förderbescheid nicht, wie gesetzlich erforderlich, die Förderung von Projekten „eindeutig und bestimmt“ benannt worden. Daher habe das Ministerium auch nicht kontrollieren können, ob der Förderzweck überhaupt erreicht worden sei. Denn tatsächlich floss das Geld in Personal- und Sachkosten – und nicht in Projekte. Problematisch daran ist aus Sicht des Rechnungshofs, dass es deshalb eigentlich eine institutionelle Förderung war – aber die hätte dann über den Haushalt abgerechnet werden müssen.
Finanzieller Schaden fürs Land durch Verzinsung
Obendrein ist dem Land durch die laxe Förderpraxis und den wohlwollenden Umgang mit dem Lobbyverein sogar ein finanzieller Schaden entstanden. Für den wären dann nicht nur Woidke, sondern auch seine Amtsnachfolger verantwortlich. In dem Bewilligungsbescheid war festgelegt, dass pro agro den Vorschuss von 250 000 Euro bis Ende des Jahres 2005 zurückzahlt. Dann aber hat laut Rechnungshof das Ministerium die Bewilligung des Vorschusses Jahr um Jahr verlängert. Erst 2011 begann der Lobbyverband die Summe zurückzuzahlen. Es dauerte laut Ministerium bis zum ersten Quartal 2014. Sieglinde Reinhardt vom Rechnungshof sagte am Donnerstag: Möglicherwiese seine Zinsvorteile für den Verband nicht geprüft worden, weil der Zuwendungsbescheid mangelhaft erteilt worden sei. Im Klartext: Das Land hat dem Verband durch die Jahr für Jahr verlängerte Laufzeit für den Vorschuss wie bei einem Kredit Zinsvorteile verschafft – aber nicht selbst abgeschöpft.
Steeven Bretz, haushaltspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, sprach von einem „liederlichen Umgang mit Steuergeldern“ im Agrarministerium. „Man stelle sich mal vor, dass jeder so einfach Geld vom Staat bekommen könnte. Ich befürchte, dass das jedoch erst die Spitze des Eisberges ist“, sagte Bretz den PNN. Deshalb sei eine vollumfängliche Aufklärung zwingend erforderlich. „Die Steuerzahler haben es verdient, dass sich auch SPD und Linke daran aktiv beteiligen.“
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