zum Hauptinhalt

Von Alexander Fröhlich: „Formal eine Privatstraße“

Ein komplizierter Fall für Juristen in Briest: Heute treffen sich Käufer und Gemeinde

Stand:

Briest – Im Streit um die von einem Privatmann gekaufte Straße in Briest bei Brandenburg (Havel) haben nun die Juristen das Wort. Heute soll es ein erstes Treffen zwischen dem Käufer, Vertretern des Amtes Beetzsee, zu dem der Ortsteil der Stadt Havelsee (Potsdam-Mittelmark) gehört, und deren Rechtsanwälten geben. Das bestätige Wassim Saab (71) den PNN. Der Dolmetscher aus Berlin hatte Mitte August bei einer Zwangsversteigerung die 500 Meter lange Straße „Am Mühlenberg“ samt Kanalisation und Laternen für 1000 Euro erworben. Zwei Mitarbeiter des Bauamtes Beetzssee sollten bei der Zwangsversteigerung vor dem Amtsgericht Potsdam die Straße für einen Euro kaufen, für eine höhere Summe fehlte ihnen das Mandat – denn mit einem Mitbieter hatten sie nicht gerechnet. Seither herrscht bei den Anwohnern der Straße Aufregung, sie fürchten, für Straßen und Abwasserleitungen bezahlen zu müssen.

„Es gibt keinen Grund für Angst vor irgendwelchen Belastungen“, sagte Saab nun. Er will die Straße an die Gemeinde verkaufen, die jedoch will sich erst einmal die Forderungen des Berliner Dolmetschers anhören. „Wir sind nicht dazu verpflichtet, die Straße zu kaufen. Das heißt nicht, dass wir das nicht wollen“, erklärte Amtsdirektorin Simone Hein. Es handle sich um eine öffentlich gewidmete Straße, auch die Kanalisation darunter befinden sich im Eigentum des örtlichen Abwasserverbandes. Genau das bezweifelt der Berliner Anwalt Olaf Wolffgang, er vertritt Saab und hat selbst ein Grundstück in dem Mitte der 1990er Jahren erbauten Wohngebiet.

„Wir müssen jetzt erst einmal den Sachverhalt klären, was wirklich passiert ist“, sagte Wolffgang. Es handle sich um einen juristisch komplizierten Fall. Die Gemeinde habe die Straße nicht öffentlich gewidmet. Zwar sei die Übertragung der 500 Meter Asphalt vom Investor an die Stadt vertraglich geregelt, aber nicht vollzogen worden, dazu sei ein förmlicher Verwaltungsakt nötig. Auch der Abwasserverband habe die Übernahme der Kanalisation abgelehnt. „Dann hätte der Verband das Problem, dass er die Leitung nicht nutzen darf, er müsste sie abkaufen.“ Immer ging es um Baumängel, dass bestätigte auch Amtsdirektorin Hein. Für Anwalt Wolffgang jedoch waren es Kleinigkeiten: fünf Zentimeter, die eine Sprosse im Revisionsschaft von der Vorschrift abweicht oder laut Saab kleinere Restmängel am Gehweg. Allerdings ist die Gemeinde Straßenbaulastträger, muss die Strecke also unterhalten und bei Bedarf pflegen. Dennoch: Die Straße ist „formal noch als Privatstraße anzusehen“. So steht es selbst in einem Gutachten, welches das Amtsgericht Potsdam für die Zwangsversteigerung in Auftrag gegeben hatte und das den PNN in Auszügen vorliegt.

Allerdings hielt es der Gutachter zu dieser Zeit noch für unmöglich, dass jemand anderes als die Gemeinde die Straße kauft und nahm eine öffentliche Widmung ohne formalen Akt an – allein weil Amt und Abwasserverband alles bewirtschaften. Er empfahl sogar, die Fläche „mit dem symbolischen Wert 1,00 Euro zu bewerten“. Darauf hatte sich die Gemeinde verlassen und hat es nun mit aufgebrachten Bürgern zu tun. Rund 60 Anlieger planen eine Sammelklage, eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen zwei an der Versteigerung beteiligte Mitarbeiter des Amtes Beetzsee ist eingereicht. Denn das Bauamt hatte zehn Jahre, um die Straße vom insolventen Bauherrn des Wohnparks zu kaufen. Stattdessen setzte es auf Versteigerung, um 600 Euro Notarkosten zu sparen. Anwalt Wolffgang meint: „Auf Verwaltungsebene wurden Fehler gemacht. Da wird es schwerfallen, die Kuh vom Eis zu kriegen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })