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Brandenburg: Forscher sehen keinen Werteverfall

Jugend in Brandenburg setzt auf Familie, Freundschaft und Zuverlässigkeit

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Potsdam – Mit der Toleranz gebe es noch Probleme, gibt ein Jugendlicher an. Er wurde im Rahmen eines Gemeinschaftsprojektes der Universität Potsdam mit Trägern der Jugendhilfe zur Wertebildung unter Jugendlichen befragt. „Toleranz wird nach außen hin angegeben, ist aber meiner Meinung nach wenig vorhanden“, so die Erfahrung des Jugendlichen aus der Region Falkenberg. Als wichtige Werte nennen die jungen Menschen, die selbst von Jugendlichen befragt wurden, unter anderem Familie, Freundschaft und Respekt.

In Brück, im Landkreis Potsdam-Mittelmark zählen bei der Jugend ähnliche Werte, hinzu kommen Treue und Ehrlichkeit. Es gebe zu viel Mobbing äußert der Nachwuchs und einen Konflikt zwischen den Generationen. Toleranz und Akzeptanz müssten noch stärker gelebt werden, heißt es auch hier. Allgemein gebe es ein Hoffen auf mehr soziale Gerechtigkeit. Betrachtet man die Wertvorstellungen der Erwachsenen – etwa friedvolles Miteinander, Zusammenhalt, Unterstützung – dann liegt die Betonung des Nachwuchses auf Familie und Freundschaft gar nicht so weit entfernt.

Gestern stellte die Uni Potsdam das vom Land und der Stiftung „Großes Waisenhaus zu Potsdam“ finanzierte Projekt zur „Wertebildung von benachteiligten Jugendlichen in ländlichen Regionen Brandenburgs“ vor. Es umfasst neben der wissenschaftlichen Arbeit der Uni auch die Jugend-Umfrage der Stiftung Demokratische Jugend und die Initiative „Bildungsmultiplikatoren gegen Rechts“ der Camino-Werkstatt.

„Von Werteverfall könne keine Rede sein“, sagte der Leiter des Forschungsprojektes Prof. Wilfried Schubarth vom Institut für Erziehungswissenschaften der Uni Potsdam. Vielmehr vollziehe sich ein stetiger Wertewandel. „In der Kombination erhalten wir einen Wertemix aus traditionellen Werten und Vorstellungen der Selbstverwirklichung“, so der Sozialwissenschaftler. Werte wie Gemeinschaft und Geselligkeit hätten an Bedeutung gewonnen, was der ökonomischen Unsicherheit geschuldet sei. Mädchen seien Werte wichtiger, Männer setzen stärker auf Konkurrenz. Hinzu komme, wie Katja Stephan von der Camino-Werkstatt sagte, dass der Wertekanon in den Familien bisweilen einen Bruch aufweise, weil die Aufarbeitung der DDR-Zeit in Familie und Schule oft nicht stattgefunden habe.

Die Universität Potsdam koordiniert seit April 2008 das noch laufenden Forschungsprojekt zur Wertebildung. Man will das breite Spektrum von Projekten zu diesem Thema in Brandenburg erfassen und gute Beispiele für die Jugendhilfe und Jugendpolitik geben. Durch den demografischen Wandel und die Abwanderung in der Peripherie Brandenburgs sei Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit unter den „übrig gebliebene“ Jugendlichen ein besonders großes Problem. „Daher muss dort die informelle Grundversorgung gesichert und Bildungs- wie Jugendangebote verstärkt werde“, sagte Schubarth. Die Camino-Werkstatt verfolgt einen weiteren Ansatz: Jugendliche gehen auf andere, benachteiligte Jugendlichen mit kleinen Projekten zu. „Mitwirken, um Demokratie im Alltag erfahrbar machen“, nennt Katja Stephan den Ansatz, der gerade im Vorgehen gegen rechte Einstellungen erfolgreich sei.

Erste Ergebnisse der Uni-Studie zeigen, dass es im ländlichen Raum gute Beispiele von Partizipation, Jugendarbeit, Sportangeboten und kirchlichen Einrichtungen gibt, fasst Dr. Karsten Speck zusammen. Auch seien die Schulen bei der Wertevermittlung aktiv. Den Jugendlichen seien Werte wie Heimatgefühl, Liebe und Zuverlässigkeit wichtig. Mittlerweile habe das Projekt ein Nachdenken über Werte unter den Jugendlichen angestoßen. „Klar haben wir unser ganzes Leben lang schon Werte gehabt“, sagen Christian (11) und Christoph (12) aus dem Landkreis Barnim. „Aber wirklich gewusst, was das ist, haben wir nicht.“ Jan Kixmüller

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