Schädling bedroht Brandenburgs Wälder: Freie Sicht zur Ostsee?
Brandenburgs Wälder bestehen zu 80 Prozent aus Kiefern – die sehen Experten durch einen winzigen Wurm massiv bedroht. Der gelangte über Asien aus Nordamerika nach Portugal und könnte nun von der Freizügigkeit der EU profitieren
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Potsdam - Die Gefahr ist nur einen Millimeter groß, aber immens: Der Kiefernfadenwurm setzt Brandenburgs Forst-Experten und Pflanzenschutzdienste in höchste Alarmbereitschaft. Und vieles hängt vom Klima ab – und auch vom deutschen Zoll. Denn noch ist der Wurm, der aus Nordamerika stammt, nicht nachgewiesen worden im sprichwörtlichen brandenburgischen Kiefernwald, aber nach Expertenmeinung ist dies nur eine Frage der Zeit – in Portugal und Spanien jedenfalls ist er schon. Und auch dorthin gelangte er so, wie er den Weg in die Mark finden kann: im Holz von Paletten und Transportkisten.
„Wir haben große Befürchtung, dass er sich ansiedeln könnte“, sagt Kati Hielscher von der Hauptstelle für Waldschutz des Landesbetriebs Forst Brandenburg, über den Kiefernwurm. „Das darf in Brandenburg nicht passieren, sonst kann man bis zur Ostsee durchschauen“, warnt Andreas Korsing von der Pflanzengesundheitskontrolle des Landes. Internationalen Umweltbehörden zufolge gehört der Kiefernholznematode zu einem der gefürchtetsten Schädlinge für die europäischen Wälder. In Brandenburg wäre bei einem Befall des Schädlings der märkische Waldbestand gefährdet – denn der besteht zu 80 Prozent aus Kiefern. Und eine wirksame Strategie oder gar Mittel zur Bekämpfung gibt es nach einer Ansiedlung nicht.
Experten schätzen die Bedrohung als real ein, seit der Kiefernfadenwurm 1999 von Ostasien nach Portugal gelangte und auf der iberischen Halbinsel Millionen Hektar Wald infiziert hat. Eingeschleppt werden kann der Schädling durch Verpackungsholz, das bei einer Vielzahl von Exporten verwendet wird.
Übertragen wird der Schädling durch verschiedene Bockkäferarten, von denen auch eine in Brandenburg heimisch ist. Bis zu 1 000 000 Kiefernematoden kann ein einziger Käfer auf seinem Flug befördern. Schon seit Jahren schreibt die EU deshalb eine Hitzebehandlung und entsprechende Kennzeichnung (ISPM 15) von Verpackungsholz für den Ex- und Import sowie die Überwachung von Transportholz bei Grenzverkehr vor. „Das ist ein aufwändiger Prozess“, sagt Korsing.
Zumal das Warn- und Kontrollsystem seine Lücken hat. Innerhalb der freizügigen EU ist die Lieferung zwischen den EU-Mitgliedstaaten zollfrei und eventuell belastetes Holz oder andere Gegenstände aus Befallsgebieten müssen nicht angemeldet werden. „Zudem können die Kontrollen nur stichprobenartig erfolgen. Lediglich bei reinen Holz- und Rindensendungen aus Portugal gibt es strengere Auflagen, auch bei der Holzeinfuhr aus Ostasien oder Nordamerika informiert der Zoll den Pflanzenschutzdienst, sodass Proben des Verpackungsholzes im Labor untersucht werden.
Seinen Ursprung hat der Fadenwurm in Nordamerika. Dort haben Kiefern eine natürliche Abwehr gegen den Schädling entwickelt. Anfang des vorigen Jahrhunderts hat er in Japan nahezu den gesamten Kiefernbestand vernichtet. Mit der Weltausstellung 1999 in Lissabon kam der Kiefernholznematode nach Portugal. „In wenigen Jahren war eine Million Hektar Kiefernwald infiziert, inzwischen wurde ganz Portugal zum Befallsgebiet erklärt“, weiß Ute Schönefeld, Schädlingsexpertin im Landesamt für ländliche Entwicklung. Zwischen 2001 und 2009 gab Portugal einen zweistelligen Millionbetrag für die Kontrolle und Bekämpfung des Schädlings aus. Auch in Spanien und auf Madeira wurde der Kiefernfadenwurm bereits in freier Natur festgestellt. In Brandenburg gab es noch keine Funde – noch.
Thomas Schröder, einer der führenden deutschen Schädlingsforscher vom Julius-Kühn-Institut, bestätigt die Möglichkeit einer Ansiedlung des Schädlings in Brandenburg, auch wenn das Risiko in den vergangenen Jahren „durch eine bessere Qualität des Verpackungsmaterials und deren Kontrolle reduziert worden“ sei. Zudem brauche der Fadenwurm über mehrere Wochen eine Durchschnittstemperatur von 20 Grad. „Dafür ist es in Deutschland noch zu kalt, aber es fehlt nicht mehr viel“, meint Schröder mit Blick auf den prognostizierten Klimawandel. Wenn Bäume infiziert würden, sei der Befall schwierig zu erkennen. „Daher versuchen wir, einen Ausbruch früh zu erkennen und dadurch eine Ausbreitung rechtzeitig zu verhindern“, sagt Schröder. Dazu gehöre seit einigen Jahren ein jährliches Monitoring in den Forsten, „was in Brandenburg intensiv gemacht wird“, so der Experte.
Die Bekämpfung des Schadorganismus sei äußerst schwierig. „Die Fachleute sind ratlos“, sagt Schönfeld. Die EU schreibt für betroffene Bestände eine Quarantäneschutzzone vor: Um einen befallenen Baum müsste ein 500 Meter breiter Schutzradius geschlagen werden. „Das wären 80 Hektar Wald, die gerodet und vernichtet werden müssten“, sagt Schönfeld – bei einem befallenen Baum.
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