
© Patrick Pleul/dpa
Von Thorsten Metzner: Freisprecher
Auf dem Parteitag hagelte es Kritik für die FDP-Führung. Die will von ihrer Krise nichts mehr wissen
Stand:
Eberswalde - Es war ein Scherbengericht: Aber schon kurz danach taten FDP-Parteichef Heinz Lanfermann und Fraktionschef Hans-Peter Goetz kund, dass sie die Krise der Brandenburger FDP der letzten Wochen als ausgestanden ansehen. „Es gibt keine Führungskrise“, sagte jedenfalls Lanfermann gleich zum Abschluss des FDP-Landesparteitages am Samstag in Eberswalde. Und Goetz betonte, es sei in einer offenen Debatte „alles zur Sprache gekommen“. Ob und welche Schlussfolgerungen die FDP-Doppelspitze ziehen wird, ist bislang unklar.
Zuvor war über die FDP-Doppelspitze von der Basis geradezu ein Sturm der Entrüstung hereingebrochen. In einer Generalausssprache, in der es richtig zur Sache ging. Da wurde etwa Lanfermann und Goetz „Unfairness“ im Umgang mit dem Ex-Landesschatzmeister Rainer Siebert vorgeworfen, da sich beide nach der erneuten Diskussion um seine bereits 1991 bewertete Stasi-Akte als junger Wehrpflichtiger ohne Not, ohne neue Fakten von ihm abgewandt habe. Siebert wurde von den 164 Delegierten mit stehenden Ovationen verabschiedet. Ohne Lanfermann und Goetz beim Namen zu nennen äußerte er sich enttäuscht, dass man ihm öffentlichen Rückhalt verweigert hatte, obwohl es gegenüber 1991 keine neuen Fakten gab. „Ich bin die letzten Jahre nicht mit einer Tarnkappe herumgelaufen.“ Damals war er wegen einer IM-Akte aus seiner Wehrdienstzeit in den 70er Jahren als „Grenzfall“ eingestuft worden. Die Stasi habe die Akte wegen „mangelnder Bereitschaft zur inoffiziellen Zusammenarbeit“ geschlossen, sagte Siebert. „Das sollte man, wenn man aktengläubig ist, auch zur Kenntnis nehmen.“
Kritisiert wurden aber auch die Ausgrenzung der jungen Potsdamer Abgeordneten Linda Teuteberg bei der Besetzung der Enquete-Kommission zur SED-Diktatur, das desaströse Bild der FDP in den letzten Wochen, für das Lanfermann und Goetz verantwortlich gemacht wurden. Der angestaute Unmut brach sich regelrecht Bahn. Es sei nicht akzeptabel, „wie leichtfertig die Führungsspitze die Ehre von Siebert abgeschnitten habe“, sagte der Potsdamer Delegierte Joseph F. Maier, der die Stimmung im Saal traf und unter dem Beifall vieler Delegierter sogar den Rücktritt von Goetz forderte. „Was ist eigentlich schlimmer: Ein unergiebiger IM oder Mitglied der SED gewesen zu sein, die die Stasi schnüffeln ließ“, fügte Maier mit Blick auf die SED-Vita des Landtagsfraktionschefs hinzu: „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen schmeißen.“ Scharf kritisierte Maier, dass Goetz und Lanfermann in ihren Reden keinerlei Versäumnisse eingestanden hätten. Und er bemängelte – bei seiner Rede immer wieder von Beifall, mal von einem Drittel, mal von der Hälfte im Saal begleitet – Filz und Intransparenz der Führung.
Tatsächlich hatten beide Politiker ihre wortreichen, fahrigen Auftritte – bei denen viele Delegierte jedwede klare selbstkritische Analyse vermissten – vor allem zur ausführlichen Medienschelte genutzt, Geschlossenheit eingefordert und Erfolge der FDP beschworen. Und sich gegenseitig gelobt. Nach Worten von Lanfermann („Ich habe nicht alles richtig, aber auch nicht alles falsch gemacht“) hätte Siebert nicht zurücktreten müssen, dieser habe Schaden von der Partei abwenden wollen.
Es war erste Parteitag seit dem Wiedereinzug der FDP ins Landesparlament nach 15 Jahren. Doch zur Sprache kamen nun Kommunikations- und Führungsdefizite, die Unsicherheit im Umgang mit der DDR-Vergangenheit. Die Basis sei „erbost“ über die Spitze, sagt eine Rednerin aus der Lausitz, eine andere sprach von einem „Rechtfertigungsparteitag“, in einem Beitrag fielen Worte wie „Selbsterfahrungstruppe“ und „zerstrittener Haufen“.
Erstmals äußerte sich auch Teuteberg, die trotz langjährigen Engagements in SED-Opferverbänden nicht in die Enquete-Kommission geschickt worden war. In seiner Rede hatte Goetz keine Begründung genannt, warum er Teuteberg von vornherein ausschloss. Er sagte lediglich, dass sie „vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklung nicht in Frage gekommen“ sei. Teuteberg ging darauf nicht ein, präsentierte sich vor der Basis dafür als selbstbewusste, professionelle wie loyale Politikerin, die sich trotz ihres schweren Standes nicht in die Schmollecke zurückzieht – sondern etwas zu sagen hat. „Die ganze Welt wusste, dass es mir ein Herzensanliegen ist“, sagte die 28-Jährige zur Enquete-Kommission. „Meine Bewerbung war mein Engagement.“
Teuteberg forderte von den Brandenburger Liberalen einen liberalen Umgang untereinander. Sie wünsche sich, das man bei Fragen und Denkanstößen „nicht in die Ecke gestellt wird“. Sie sei „kein schmückendes Beiwerk“, „ keine Berufsjugendliche“. Sie sei in die FDP 1998 eingetreten, als es der Partei schlecht ging, sei länger Mitglied als manch anderer in der Fraktion. Die FDP„ist meine politische Heimat“, fügte sie mit Blick auf Avancen aus anderen Parteien hinzu. Teuteberg forderte von der FDP eine offensive wie differenzierte Auseinandersetzung mit der Blockpartei-Vergangenheit, die insbesondere in den Anfangsjahren auch ein Kapitel des Widerstandes gegen die SED gewesen. Die Stasi sei allein deren Schild und Schwert gewesen, so Teuteberg. Eine offene Auseinandersetzung, in welche Entscheidungszwänge junge Menschen in der Diktatur kommen konnten, sei wichtig, um heute Jugendlichen Zivilcourage nahe zu bringen.
Der Parteitag wollte einen Antrag zum weiteren Umgang mit Verstrickungen in der SED-Diktatur beschließen. Angesichts der aufgeheizten Debatten nahm man davon Abstand und setzte eine Kommission ein, unter anderem mit dem Ehrenvorsitzenden Ex-Kulturminister Hinrich Enderlein, die eine abgestimmte, konsensfähige Linie der brandenburgischen Liberalen entwickeln soll.
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