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Bewährung. Das Urteil für Kurt Schelter ist noch nicht rechtskräftig.

© Bernd Settnik/dpa

Brandenburg: Früherer BKA-Chef kritisiert Milde der Justiz bei Schelter Ex-Justizminister Kurt Schelter zu 18 Monaten auf Bewährung verurteilt, weil er Bund und Land um 124 000 Euro betrogen und ein Gericht belogen hat

Potsdam - Es ist eine Deutschland-Premiere: Das Landgericht Potsdam hat Brandenburgs Ex-Justizminister Kurt Schelter (CDU) am Montag wegen gewerbsmäßigen Betruges, Steuerhinterziehung und uneidlicher Falschaussage vor Gericht zu einer Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Die Kammer sah es als erwiesen an, dass der einst hochrangige Unionspolitiker, der als Staatssekretär im Bundesinnenministerium (1993 bis 1996) sogar einmal oberster Dienstherr der deutschen Sicherheitsbehörden war, Bund und Land in den Jahren 2003 bis 2006 um knapp 124 000 Euro Ruhe- und Übergangsbezüge betrogen hat.

Stand:

Potsdam - Es ist eine Deutschland-Premiere: Das Landgericht Potsdam hat Brandenburgs Ex-Justizminister Kurt Schelter (CDU) am Montag wegen gewerbsmäßigen Betruges, Steuerhinterziehung und uneidlicher Falschaussage vor Gericht zu einer Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Die Kammer sah es als erwiesen an, dass der einst hochrangige Unionspolitiker, der als Staatssekretär im Bundesinnenministerium (1993 bis 1996) sogar einmal oberster Dienstherr der deutschen Sicherheitsbehörden war, Bund und Land in den Jahren 2003 bis 2006 um knapp 124 000 Euro Ruhe- und Übergangsbezüge betrogen hat. Der Gesamtschaden für die öffentliche Hand beträgt 151 000 Euro. „Er hat vorsätzlich, willentlich und wissentlich gehandelt. Er hat sein Amt als früherer Justizminister missbraucht“, sagte die Vorsitzende Richterin Ulrike-Phieler Morbach. Schelter nahm das Urteil schweigend auf. Sein Verteidiger Norbert Scharf sagte, man prüfe Revision.

Am Ende ging das Landgericht zumindest über beide Plädoyers hinaus. Die Verteidigung hatte eine Bewährungsstrafe von neun Monaten für „angemessen“ gehalten. Aber selbst Staatsanwalt Ivo Maier forderte lediglich 14 Monate. Er verwies darauf, dass der nach Fehlspekulationen in eine Notlage geratene, nach der Pfändung seines Ministergehaltes als Justizminister 2002 zurückgetretene Schelter unter dem Druck des „brutalen Schuldendienstes“, „sich zu einem Bubenstück“ habe hinreißen lassen, um sich „vor dem persönlichen Ruin zu retten, seinen Lebensstandard zu halten“. Die Affäre war 2003 von dieser Zeitung aufgedeckt worden. Als verschärfend wertete Staatsanwalt Maier, dass Schelter danach weiter gemacht habe, ebenso noch nach der Durchsuchung 2006. Dass Schelter seine Einkünfte teilweise auf Drittkonten lenkte, zeuge von „krimineller Energie“.

Aufgrund eigener Berechnungen korrigierte das Gericht gegenüber der Anklage die von Schelter erschlichenen Ruhe- und Übergangsbezüge von vorher knapp 100 000 auf 124 000 Euro nach oben. Hauptgeschädigter ist der Bund, von dem Schelter 114 000 Euro zu Unrecht kassierte, in dem er zu verrechnende Erwerbseinnahmen als Lobbyist, Berater und Anwalt verschwieg. Phieler-Morbach äußerte Unverständnis, dass die Bundesbehörden bisher lediglich 16 000 Euro von Schelter zurückgefordert haben, was das Gericht strafmildernd bewertete, ebenso das Alter und den schlechten Gesundheitszustand.  Am Vormittag hatte ein Bundes-Vertreter als Zeuge erklärt, das Verfahren sei nicht abgeschlossen.

Sein Verteidiger Norbert Scharf hingegen schloss sein Plädoyer mit dem Hinweis, beim Strafmaß zu berücksichtigen, dass Schelter als 14-jähriger seine Eltern bei einem Autounfall verloren habe, der Fahrer im Vergleich zu einer neunmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden sei. Zudem sei die Materie bei Ruhe- und Übergangsbezügen hochkomplex, so dass sie selbst ein Jurist nicht überblicken müsse. Dem widersprach Richterin Phieler-Morbach vehement. Schelter sei „promovierter und prominenter Jurist, zudem Honoarprofessor für öffentliches Recht“. Zu  Beginn des Betrugs-Prozesses Anfang 2012 hatten sich Gericht, Verteidigung und Staatsanwalt auf einen sogenannten „Deal“ verständigt, wonach Schelter mit einer Bewährungsstrafe zwischen neun und 18 Monaten rechnen kann, wenn er den Betrug gesteht. Dies hatte Schelter, nach einigem Zögern, auch getan. Verteidiger Scharf sagte, dass so eine „erhebliche Prozessverkürzung“ erreicht wurde. „Es kommt ihm selbst und der Justiz zugute.“ Richterin Phieler-Morbach bemerkte, dass ohne Verständigung das Urteil kaum anders ausgefallen wäre.

Es sorgt trotzdem für Unverständnis. „Es bleibt ein fader Beigeschmack“, sagte Hans-Ludwig Zachert, Ex-Präsident des Bundeskriminalamtes (1990 bis 1996), den PNN. Er sehe einen Widerspruch zwischen Strafe und Höhe des Schadens. „Es ist schon ein sehr großes Entgegenkommen der Justiz gegenüber dem früheren Justizminister. Es entsteht der Eindruck: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen.“ Er erinnert sich, wie „gnadenlos“ einst Staatssekretär Schelter durchgriff, wenn es etwa bei Reisekostenabrechnungen von Beamten kleinste Unkorrektheiten gab, „bei Beträgen um 100 Mark“, wie er sagt. „Gerade er wusste, welche besonderen Maßstäbe an Amtsträger anzulegen sind.“ Auch im einstweiligen Ruhestand stehe man „im besonderen Dienst- und Treueverhältnis zum Staat“.

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