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Brandenburg: Fünf Jahre Potsdamer Platz: Der Mythos lebt

Legendär wie in den Zwanzigern: ein Symbol für Berlins Weltoffenheit, Umtriebigkeit, Lebensfreude

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Legendär wie in den Zwanzigern: ein Symbol für Berlins Weltoffenheit, Umtriebigkeit, Lebensfreude Von Hans-Rüdiger Bein Berlin. Jahrzehnte war der Potsdamer Platz eine öde Brache. Die Hunde der DDR-Grenzer bellten auf dem hässlich freien Feld die dort hoppelnden Kaninchen an. Die Mauer fiel, und das Areal im Herzen Berlins erwachte langsam aber unaufhaltsam wieder zum Leben. Zuerst standen da bunt gewürfelt Souvenirkioske, an denen sich die Touristen aus aller Welt mit den Steinbrocken der „Mauerspechte“ versorgten. Dann folgte eine gern besuchte und viel beschriebene Bockwurst-Bude. Schließlich war die rote Info-Box Ziel von Millionen Menschen, die über das rasche Emporstreben der Hochhäuser staunten. Und nach nur fünf Jahren präsentiert sich der bis auf das Beisheim-Center fast fertige neue Potsdamer Platz wieder als das, was er legendär schon in den 20er Jahren war: ein Symbol für Berlins Weltoffenheit, Umtriebigkeit, auch für ein Stück Lebensfreude. Bei geschätzten Kosten von rund 5 Milliarden Euro, mit den teuersten und architektonisch attraktivsten Bauten für das DaimlerChrysler-Quartier und das benachbarte Sony-Center, ist ein zentraler Treffpunkt in der Hauptstadt entstanden. Trotz aller Kritik an seiner steinernen und beengenden Wuchtigkeit, die die Berliner anfangs eher zögerlich reizte und herbeilockte, hat sich das Areal als Touristen- und Verbraucher-Magnet durchgesetzt. Passgenau zum Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober steigen die ersten Geburtstagspartys. DaimlerChrysler hat als Stargast am 2. Oktober für ein Open-Air-Konzert auf dem Marlene-Dietrich-Platz Pop-Geiger Nigel Kennedy und Mitglieder der Berliner Philharmoniker geladen. Tagsüber sind Fünfjährige die Hauptpersonen einer riesigen Kinderfete. Am Vorabend des 3. Oktober sollen die auf den Teichen, an den 19 Gebäuden, 10 Straßen und 2 Plätzen des DaimlerChrysler-Areals installierten mehrere Meter großen Kunst-Rosen spektakulär beleuchtet werden. Die Berliner und ihre Gäste werden wie immer in Massen dorthin pilgern. Die Aussagen von Politikern, Stadthistorikern und Tourismus-Profis sind im Kern nahezu deckungsgleich: Der Potsdamer Platz repräsentiert das neue Berlin wie sonst nur das in der Nähe entstandene Regierungsareal rund um Reichstag und Brandenburger Tor. Und der Platz war das einzige Gelände, auf dem sich Ost-Berliner und West- Berliner gewissermaßen auf neutralem Gelände ohne schlechtes Gewissen und vorbehaltfreier als sonst treffen konnten. Hier konnte deshalb mehr als an anderen Schauplätzen, wo die „Mauer in den Köpfen“ noch das Denken beeinflusst, ein gemeinsamer Stolz auf die neue alte Mitte heranreifen. Der Mythos Potsdamer Platz lebt. Im Angedenken an die Goldenen Zwanziger hat man sogar eine Kopie der ersten Verkehrsampel auf ihrem unelegant kastenförmigen Gerüst wieder an dieselbe Stelle gesetzt. Sie schaltet um auf Rot und Grün, obwohl gerade dort sich keine Autos nach ihr richten müssen. So repräsentieren dort viele Kleinodien Geschichte, auch das einzige, fast wie abgestellt und vergessen wirkende Mauerstück am Schlund des S-Bahn-Eingangs. Die ganze Gegend elektrisiert vielschichtig. Tausende jubelten vor den Großbildleinwänden während der Live-Übertragungen von der Fußball-WM; Tausende versammelten sich wiederum zu Demonstrationen vor der Zentrale der Deutschen Bahn. Ungezählte Kunst- und Architektur-Interessierte zog und zieht es zum Kaisersaal des einstigen Hotel Esplanade. Der Saal mit all seinem Prunk wurde komplett in einer einmaligen Aktion auf Luftkissen „schwebend“ zuerst hochgehievt und dann Richtung Sony-Center verschoben. Für die Leistungen beim Bau des Ensembles stehen Star-Architekten wie Renzo Piano, Helmut Jahn oder David Chipperfield. Auch diese Künstler aus der ganzen Welt konnten dem besonderen Sog des Potsdamer Platzes nicht widerstehen.

Hans-Rüdiger Bein

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