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Brandenburg: Funkstille

Brandenburgs Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD) tut sich schwer mit den freien Schulen im Land. Die fühlen sich benachteiligt

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Potsdam – Die nicht staatlichen Schulen im Land Brandenburg schlagen Alarm: Sie werfen Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD) vor, ein weiteres Wachstum ihrer bei Schülern und Eltern immer beliebteren Einrichtungen bremsen oder sogar verhindern zu wollen, wofür es vom Minister, aber auch aus dem Apparat seines Hauses nach PNN-Recherchen tatsächlich Signale gibt. Die freien Schulen registrieren eine Abkehr von der Politik des früheren Bildungsministers Steffen Reiche (SPD), der sie als innovative Impulsgeber für das nicht zuletzt wegen des schlechten Abschneidens bei der PISA-Studie unter Erfolgsdruck stehende staatliche Schulsystem gefördert hatte. Zwar bestreitet dies Rupprecht, wie er gegenüber den PNN betonte: „Wir sind keine Behinderer und Verhinderer von Schulen in freier Trägerschaft.“ Doch ist das Verhältnis des Ministeriums zu den Privatschulen im Land so schlecht ist wie nie. Rupprecht hat – ein bislang einmaliger Vorgang – den Kontakt zur Arbeitsgemeinschaft freier Schulen (AGFS) im Land einfrieren lassen.

Auslöser ist ein kritischer Artikel, den AGFS-Geschäftsführer Detlef Hardorp im Mai auf der Verbands-Homepage veröffentlichte. Hardorp reagierte darin auf in einer Zeitung zitierte Aussagen Rupprechts, der nach einem Besuch im Kreis Oder-Spree eine „politische Entscheidung“ angekündigte, damit im Lande wie Pilze aus dem Boden schießende freie Schulen keine staatlichen Schulen gefährden. Der Beitrag endete so: „Der Staat darf seine Rolle als Schulaufsicht aber nicht missbrauchen, um diejenigen Schulen zu protegieren, die er selbst betreibt. Steffen Reiche wusste das. Weiß das auch Holger Rupprecht?“ Wenig später ging beim Verband ein Brief aus dem Ministerium ein, der eine Antwort gab, aber anders als erwartet. Zitat: „Herr Minister Rupprecht ist über diesen Stil einer öffentlich geführten Auseinandersetzung mehr als befremdet und hat mich gebeten Ihnen mitzuteilen, dass damit die Basis für Gespräche mit dem Geschäftsführer Ihres Verbandes zerstört wurde.“ Daher werde Rupprecht „kein Gespräch“ mehr mit Hardorp führen. Vielmehr werde der Minister „zu gegebener Zeit“ auf den Verband zu kommen, „um die Rahmenbedingungen für die weitere Zusammenarbeit zu erörtern“. Zum eigentlichen Vorwurf der Benachteiligung freier Schulen – keine Silbe. Nicht nur deshalb hat die AGFS „kein Verständnis für diese Reaktion“, wie es im Antwortbrief vom AGFS-Vorsitzenden Christoph Schröder an den Bildungsminister heißt. Allerdings, überrascht sei man davon aber nicht, „angesichts einer Entwicklung, die seit einiger Zeit klar auf eine drastische Verschlechterung des Verhältnisses des MBJS (Bildungsministerium; d.R.) zu freien Schulen hinsteuert“. Als Beleg wird eine zunehmend rigide und teilweise „rechtswidrige“ Genehmigungspraxis bei Anträgen auf neue Schulen angeführt. Das Recht auf Gründung freier Schulen aber, darauf weist deren Lobby-Organisation hin, ist im Grundgesetz in Artikel VII (4) festgeschrieben.

Der eigentliche Hintergrund der Spannungen ist ein Gründungsboom von freien Schulen. Mittlerweile gibt es bereits 120, auf die zudem immer mehr Kinder gehen – was die Konkurrenz zu – wegen Schülermangels von Schließung bedrohten – staatlichen Einrichtungen verstärkt. Inzwischen besuchen 4,7 Prozent der Schüler allgemein bildender Schulen – es ist immer noch unter dem Bundesdurchschnitt von 6,7 Prozent – Einrichtungen freier Träger, obwohl dort, wenn auch moderate Schulgelder fällig werden. Dabei gibt es starke regionale Unterschiede. So ballen sich Privatschulen im Berliner Umland. Aber auch in entfernten ländlichen Regionen nimmt die Praxis zu, dass „unmittelbar nach Schließung einer öffentlichen Schule an demselben Standort eine Schule in freier Trägerschaft gegründet wird“, berichtete ein Ministeriumsvertreter im Mai dem Landesschulbeirat. Er deutete schon dort an, dass das Ministerium über politische Interventionen nachdenkt. „Möglicherweise muss der Landesgesetzgeber dann reagieren, wenn eine wahrnehmbare Erosion eines staatlichen gesicherten Angebotes stattfindet“, heißt es im Protokoll. Das ist auch die Linie von Rupprecht. Er betont zwar, dass insgesamt die Lage trotz vieler neuer Privatschulen „nicht dramatisch“ ist. Aber er sieht gleichwohl regionalen Handlungsbedarf zumindest im Potsdamer Raum, wo bereits 17 Prozent der Schüler eine freie Schule besuchen, oder auch im Raum Oder-Spree (Anteil 9,7 Prozent). Im Gegensatz dazu gibt es weiße Flecken: In Oberspreewald-Lausitz existiert gar keine Privatschule.

Rupprecht argumentiert, freie Schulen hätten gegenüber staatlichen Schulen inzwischen auch Wettbewerbsvorteile: Sie brauchen nur einzügig sein; staatliche hingegen werden geschlossen, wenn sich nicht genügend Kinder für zwei Klassen eines Jahrganges anmelden. Seine Linie für den Überlebenskampf von Schulen beschrieb Rupprecht so: Das staatliche Angebot müsse überwiegen, die Grundversorgung dürfe „durch freie Schulen nicht gefährdet werden“. Denn dies wäre der Bevölkerung „nicht zu vermitteln“. Die wachsende Beliebtheit dieser Schulen – ob evangelische Grundschulen und Gymnasien oder Waldorf-Einrichtungen – scheint eine andere Sprache zu sprechen.

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