Von Matthias Matern: Für die Industrie
Die Landesregierung Brandenburg spricht wegen Vattenfalls CCS-Projekt bei der EU mit der Bitte um Aufschub vor. Platzeck auf Hannover Messe
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Hannover/Potsdam - Die brandenburgische Landesregierung ist bei der EU für den Energiekonzern Vattenfall vorstellig geworden: In Brüssel bittet Brandenburg um eine Verlängerung der Förderfrist für das umstrittene CCS-Demonstrationskraftwerk des Energiekonzerns Vattenfall. „Es gibt Gespräche“, bestätigte Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) am Montag am Rande der Hannover Messe. Es könne sein, dass die EU-Kommission den Förderzeitraum nochmal verlängere, stellte der Regierungschef der rot-roten Koalition in Aussicht. Das ist für Vattenfall und seine Pläne zur unterirdischen Speicherung von Kohlendioxid (CO2) aus den Braunkohlekraftwerken in der Lausitz auch bitter nötig.
Denn wie berichtet hatte die EU bereits im Dezember 2009 Vattenfall für das Projekt in Jänschwalde (Spree-Neiße) Zuschüsse in Höhe von 180 Millionen Euro versprochen. Die Förderung ist allerdings an die Bedingung gekoppelt, dass die komplette Anlage zur Abscheidung und unterirdischen Speicherung von Kohlendioxid (CCS) spätestens 2015 in Betrieb geht. Insgesamt soll das Projekt rund 1,5 Milliarden kosten.
Noch allerdings hat der schwedische Staatskonzern nach eigenen Angaben keine definitive Investitionsentscheidung getroffen. Der Grund ist, dass nach wie vor in Deutschland die rechtliche Grundlage für die Erprobung der Technologie im industriellen Maßstab fehlt. Trotz mehrfacher Anläufe liegt weiterhin kein konsensfähiger Entwurf für das sogenannte CCS-Gesetz vor. Experten gehen jedoch bereits davon aus, dass die verbleibende Zeit bis 2015 nicht ausreicht, um die Demonstrationsanlage samt Speicher fertigzustellen, zumal es in Teilen der Bevölkerung Brandenburgs massiven Widerstand gegen die Speicherpläne gibt.
Selbst Vattenfall hatte zuletzt immer wieder betont, wie knapp die Zeit werde. Konzernsprecherin Katharina Bloemer begrüßte gestern auf PNN-Nachfrage die Gesprächsoffensive der brandenburgische Landesregierung in Brüssel. „Das ist ein sehr erfreuliches Signal und wird vielleicht auch wegen der Verzögerungen des CCS-Gesetzes nötig sein“, sagte Bloemer.
Nach der Einschätzung von Ministerpräsident Platzeck und Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) ist mit der Verabschiedung eines solchen Gesetzes durch den Deutschen Bundestag auch vorerst nicht zu rechnen. Zuletzt hatte die schwarz-gelbe Bundesregierung versucht, sich die Zustimmung der CCS-Gegnerländer Schleswig-Holstein und Niedersachsen zu erkaufen, indem Gesetzesentwürfe fast ausschließlich auf Brandenburg als CCS-Land zugeschnitten wurden. „Wir sind kein Speicherland. Unsere Kapazität im Land Brandenburg reicht nur für das Demonstrationskraftwerk“, sagte Platzeck gestern. Anders sehe es in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern aus. „Wir werden kein Gesetz akzeptieren, bei dem sich die Speicherländer aussperren“, versicherten Platzeck und Christoffers erneut. Für eine grundsätzliche Kursänderung beim CCS-Gesetz, so der Ministerpräsident, sehe er aber vor der kommenden Landtagswahl in Schleswig-Holstein kaum eine Chance. Diese aber ist erst im Mai 2012.
Unterdessen dringt auch ein anderer, an dem CCS-Projekt maßgeblich beteiligter Partner auf die Verwirklichung der CCS-Pläne: Mit der Verpressung von Kohlendioxid im Land Brandenburg könne begonnen werden, sagte der Vorstandsvorsitzende des Potsdamer Geoforschungszentrums (GFZ), Reinhard Hüttl, gestern in Potsdam. Die CCS-Technik sei ausreichend erforscht, um mit der Erprobung im industriellen Maßstab zu beginnen, sagte der Wissenschaftler.
In Ketzin (Havelland) testet das GFZ seit Jahren die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid. Zu Forschungszwecken seien mittlerweile 47 000 Tonnen CO2 in den Boden gebracht worden, so Hüttl. Der nächste Schritt müsse eine Demonstrationsanlage sein, bei deren Betrieb genau gesagt werden könnte, ob das bei Verbrennung frei werdende Klimagas wirklich sicher und in großen Mengen gespeichert werden könne. „Erst dann können wir entscheiden.“
Unabhängig zu den CCS- und Braunkohleplänen stellt Brandenburg auf der diesjährigen Hannover Messe Produkte und Forschungen im Bereich der erneuerbaren Energien in den Mittelpunkt. Mehr als 50 märkische Unternehmen und Hochschulen präsentieren ihre Neuentwicklungen seit Montag einem Fachpublikum auf der weltgrößten Industrieschau. Bei seinem Rundgang forderte Regierungschef Platzeck von den Bürgern mehr Akzeptanz für den Ausbau von Stromleitungen, Windrädern und Solarfeldern. Diese „Zumutungen“ seien notwendig, wenn Brandenburg Industriestandort bleiben wolle.
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