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Brandenburg: Fürniß in Erklärungsnot

Ex-Minister räumte Gespräche mit Sharjah über Chipfabrik ein – von dort erhielt er 1,5 Millionen Dollar

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Ex-Minister räumte Gespräche mit Sharjah über Chipfabrik ein – von dort erhielt er 1,5 Millionen Dollar Von Michael Mara und Thorsten Metzner Potsdam – Widersprüche, Erinnerungslücken, Verstrickungen: Vor dem Landtags-Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Chipfabrik-Pleite geriet Ex-Wirtschaftsminister Wolfgang Fürniß (CDU) am Mittwoch in Erklärungsnot. Zwar bestritt er erneut jeden Zusammenhang zwischen der geplanten Chipfabrik in Frankfurt/Oder und einer 1,5-Millionen-Dollar-Zahlung an ihn aus den Vereinigten arabischen Emiraten im Jahr 2002. Mit dem Sultan des Emirats Sharjah, von dem das Geld stammt, habe er nie Gespräche über das 1,3-Milliarden-Projekt geführt, behauptete Fürniß zunächst. Doch wurde ihm die Aussage seines damaligen Büroleiters und späteren Communicant-Vorstands Dirk Obermann vorgehalten, nach der Fürniß neben dem Emirat Dubai auch Sharjah „ins Boot holen“ wollte. Laut Obermann sei Dubai als Hauptinvestor über die Gespräche mit Sharjah sogar „verstimmt“ gewesen. Auf mehrfaches Nachfragen bestätigte Fürniß dann, dass er bei Reisen im Dezember 2001/Januar 2002 in die Emirate auch mit Verantwortlichen aus Sharjah über die Chipfabrik gesprochen habe. SPD-Mitglieder im Untersuchungsausschuss äußerten offen den Verdacht, dass ein direkter Zusammenhang zwischen der von ihm alsÿDarlehen deklarierten Millionen-Zahlung aus Sharjah vom Februar 2002 und der im März 2002 auf sein Betreiben beschlossenen Beteiligung Brandenburgs an der Chipfabrik besteht. Fürniß sagte dazu: Er habe seinen Rücktritt erklärt, weil er nicht sensibel genug gewesen sei, die zeitliche Nähe zu beachten. Als die bohrenden Fragen nicht nachließen, berief sich Fürniß auf das Zeugnisverweigerungsrecht. Danach kann ein Zeuge die Aussage verweigern, wenn sie ihn selbst belastet – und staatsanwaltschaftliche Ermittlungen drohen. Frühere Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen Verdachts der Geldwäsche und Korruption waren mangels Beweisen eingestellt worden. Die Vorgänge hatten in den letzten Tagen erneut für Schlagzeilen gesorgt, weil bekannt wurde, dass Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) seinen Parteifreund Fürniß im September 2002 über eine am Vortag gegen ihn wegen der 1,5-Millionen-Überweisung erstattete Anzeige wegen Geldwäsche-Verdachts informiert hatte. Schönbohm muss dazu heute im Innen- und Rechtsausschuss Rede und Antwort stehen. Erstmals wurde jetzt auch bekannt, dass Fürniß 2001 versucht haben soll, sich private Anteile an der Communicant AG zu sichern. Dies hatte der erste Communicant-Vorstandschef Klaus Wiemer in nichtöffentlicher Sitzung ausgesagt. Fürniß dazu nur: „Ich habe niemanden auf dieses Thema angesprochen. Es gibt weder Absprachen, noch Abmachungen.“ Eingestehen musste der Ex-Wirtschaftsminister aber, dass es nie vertragliche „Absatzgarantien“ für Chips der Communicant AG gegeben hat. Er selbst hatte dies aber, wie aus diversen Protokollen und Aktenvermerken hervorgeht, als Wirtschaftsminister gegenüber Landesregierung und Landtag als mehrfach versichert. So erklärte er am 22.3.2001 vor dem Haushaltsausschuss des Landtages, dass bereits „mit Stand des gestrigen Tages 70 Prozent“ der Produktion an verschiedene Investoren verkauft seien. Auf Grundlage dieser und anderer Informationen, die sich jetzt als falsch herausstellen, hatten Regierung und Parlament der Landesbeteiligung an dem Projekt zugestimmt. Er habe sich, so Fürniß, damals auf Informationen der Firma Communicant verlassen, ohne jedoch die entsprechende Verträge selbst gesehen zu haben. Als die Landesregierung im Februar 2001 grünes Licht für die Chipfabrik gab, ging sie nach der Kabinettsvorlage des Wirtschaftsministeriums zudem davon aus, dass es neben dem Chiphersteller Intel bereits weitere verbindliche Absichtserklärungen („Letter of Intent“) für eine Beteiligung an dem Projekt gab. Fürniß räumte ein, dass er diese Vorverträge „nie gesehen“ habe. Im Ausschuss zweifelte man jetzt, ob es solche Vorverträge überhaupt je gegeben hat. Genährt werden diese Zweifel durch ein Schreiben der Anwaltskanzlei der Communicant AG, Wilmar, Cutler & Pickering vom 23.6.2004, die dem Ausschuss mitteilte: Über die Intel-Beteiligung „hinausgehende Verträge, Vereinbarungen oder Letter of Intent wurden bisher nicht gefunden“. Fürniß, der mit seinem Anwalt zur Vernehmung erschienen war, wies jede Schuld am Scheitern der Chipfabrik zurück. Das Projekt habe letztendlich nicht realisiert werden können, weil Bund und Land die Staatsbürgschaft verweigert hätten.

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