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Brandenburg: „Fusion ist Schmarrn“

Was Ministerpräsident Platzeck auf seiner Reise nach Wien und Niederösterreich lernt

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Na bitte, die Reise hat sich für Matthias Platzeck, den erklärten Fusionsskeptiker, gelohnt. Klar habe er den Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) beim Mittagessen gefragt, ob eine Fusion seiner Metropole mit dem umliegenden Bundesland Niederösterreich denkbar wäre, erzählt Brandenburgs Regierungschef vergnügt: Die Antwort sei eindeutig wie charmant gewesen und der Rat an den Gast aus der deutschen Hauptstadtregion auch. „Eine Fusion ist Schmarrn. Lasst das mal lieber. Dadurch wird es nicht besser, sondern schwieriger.“

Klar, dass Platzeck von Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP), den der Gast aus Potsdam am Nachmittag trifft, die gleiche Botschaft hört. Aber muss man extra nach Österreich fahren, um die Fusion von Berlin und Brandenburg zu beerdigen? „Als Schlussstein, wenn das Volk es will, kann man sie ja irgendwann machen“, sagt Platzeck.

Überhaupt, als Anti-Fusions-Modell für Berlin und Brandenburg taugen die Empfehlungen aus Österreich ohnehin nicht recht, wie Platzeck am ersten Tag seiner Wien-Reise eben auch erfahren konnte: Die reiche, prosperierende Metropole Wien – die gerade ihre letzten 1,3 Milliarden Euro Kredite abbezahlen will und dann schuldenfrei sein wird – und das Bundesland Niederösterreich sind die wirtschaftlichen und politischen Kraftzentren des Alpenstaates, kein Vergleich zur Schuldenmetropole Berlin, zum ostdeutschen Aufhol-Land Brandenburg. Würden sie fusionieren, so Platzeck, wäre die halbe Wirtschaftskraft von Österreich in dieser Region vereint. Klar, dass dort eine Fusion kein Thema sei.

Aber auch in anderer Hinsicht taugt die Region entgegen dem Reisedrehbuch der Platzeck-Crew nicht unbedingt als Vorbild für Berlin und Brandenburg: Am Vormittag hatte sich der Regierungschef bei einem Treffen mit Regional- und Wirtschaftsförderern nachdrücklich nach der Kooperation zwischen der Metropole und dem niederösterreichischen Umland erkundigt, einer brummenden Wachstumsregion. Und siehe da: Da schilderte man ihm, wie kurz hinter der Stadtgrenze von Wien Europas größtes Shopping-Center entstanden sei, was zu massiven Verkehrsproblemen führt, dass es keine abgestimmte Verkehrsplanung gibt, ganz zu schweigen von gemeinsamen Institutionen wie Gerichten oder Behörden. Fehlanzeige! „Da sind wir ein Stück weiter“, so Platzeck. Es gibt eine einzige Ausnahme: Wien und Niederösterreich haben eine gemeinsame Wirtschaftsförderagentur, so dass die „Vienna Region“ nach Außen ein einheitliches abgestimmtes Marketing betreibt. Bei Ansiedlungen aber, so erklärte man dem Gast, rangele man trotzdem miteinander. Das liege in der Natur der Sache, das sehe man gelassen.

Sankt Pölten, die Landeshauptstadt, am Nachmittag: Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) beschreibt das Verhältnis zur Nachbarmetropole als gut. Was aber auch mit mentalen Fragen zu tun hat. „Wir haben unsere Kriege vor 20 Jahren beendet“, sagt er. „Jetzt trinken wir, wenn es Probleme gibt, ein Glas Wein.“

Es ist etwas anderes, was Platzeck sichtlich fasziniert, was er als Lehre mit nach Hause nehmen wird. Es sei beeindruckend, wie man hier – anders als Brandenburg und Berlin – die Rolle einer Ost-West-Drehscheibe angenommen hat, wie eng Wien, Niederösterreich mit Regionen der Slowakei und Ungarns kooperieren. „Wir haben Auslandsplattformen in Dubai oder Singapur. Niederösterreich hat Büros in Warschau, Bratislava und Budapest“, sagt Platzeck. Und macht keinen Hehl daraus, dass er diese Strategie für weitsichtiger hält. „Davon können wir wirklich lernen“, so Platzeck. Manchmal kann man in der Fremde mehr über die Heimat erfahren als zu Hause.

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