
© Klaus-Dietmar Gabbert/ddp
Von Claus-Dieter Steyer: Gebändigte Flut
Anders als in Sachsen haben die Wassermassen in Brandenburg bisher keine massiven Schäden angerichtet
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Guben/Spremberg - Spree und Neiße liegen im Süden Brandenburgs zwischen 25 und 40 Kilometer auseinander. Doch in keiner Chronik gibt es bislang Aufzeichnungen darüber, dass beide Ströme gleichzeitig wie derzeit Hochwasser führten. Aber die Wetterfront, aus der sich am Freitag und Sonnabend vergangener Woche zwischen 140 und 170 Liter Regenwasser auf den Quadratmeter ergossen, traf ausgerechnet die Einzugsgebiete beider Ströme im Dreiländereck zwischen Deutschland, Tschechien und Polen. In einem ganzen Monat fallen hier im Schnitt nicht mehr als 70 Liter Regen auf den Quadratmeter. Die Auswirkungen spürten die Anrainer auch in den südöstlich Berlins gelegenen Orten Spremberg und Cottbus an der Spree sowie Forst und Guben an der Neiße.
Im Unterschied zu Sachsen, wo Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) ein Sofortprogramm von 100 Millionen Euro ankündigte, halten sich die Schäden bisher in Grenzen. „Die Situation war lange Zeit sehr angespannt, aber wir haben die Lage zum Glück weitgehend im Griff“, sagte Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) bei einem Besuch in Guben. Brandenburg profitierte von der längeren Vorbereitungszeit, von den eingespielten Katastrophenteams – und von einer großen Portion Glück an der Spree. „Uns kam sehr zugute, dass wir die Talsperre Spremberg wegen lange geplanter Reparaturarbeiten zum großen Teil abgelassen hatten“, sagte der Präsident des Landesumweltamts, Professor Matthias Freude. „Da konnten wir eine Menge Wasser einleiten, um so den Druck vom dahinter gelegenen Cottbus nehmen.“ Wie knapp die Rettung der zweitgrößten Brandenburger Stadt allerdings ausfiel, zeigt zwei Zahlen: Die Spree schoss durch Spremberg mit etwa 100 Kubikmetern pro Sekunde in Richtung Norden, während die Deiche in Cottbus nur für eine Menge von 80 Kubikmetern Wasser ausgelegt sind. Der Rest musste in der Spremberger Talsperre zwischengespeichert werden.
Doch deren Tore waren durch die Bauarbeiten bis zum Dienstagmorgen blockiert gewesen. Das hätte zum Rückstau und zur Überflutung von Spremberg führen können. „Ich habe gezittert“, bekannte Freude. „Es wäre nicht auszumalen gewesen, wenn wir die Tore in der Talsperrenmauer nicht aufbekommen hätten.“ Aber gegen 8 Uhr floss das erste Wasser nach Cottbus und in den Spreewald. Nun kann die Menge des Spreewassers reguliert werden, sodass Berlin kaum etwas vom Hochwasser spüren dürfte.
In Cottbus stieg das Spreewasser am Nachmittag etwas an, aber es gab keine großen Problemen. „Wir sind mit allen Kräften im Einsatz“, versicherte die Stadtverwaltung. Noch weitgehend Ruhe herrschte im 90 Kilometer südlich Berlins gelegenen Spreewald, wo die Wassermassen im Laufe des Mittwochs erwartet werden. Viel dramatischere Stunden erlebte Guben an der Neiße. „Wir haben an den Deichen gerade noch eine Handbreit Platz, um ein Überschwappen des Wassers zu vermeiden“, sagte Gubens Bürgermeister Fred Mahro am Mittag an der Brücke in die polnische Schwesterstadt Gubin. „An einigen Stellen aber mussten wir kapitulieren. Die Poststraße steht unter Wasser. Hier sind die Keller von acht Häusern überschwemmt.“ Allerdings müsse es noch zu keinen Evakuierungen kommen. Dennoch gibt es einige Schäden. Erst vor vier Wochen war inmitten der Neiße eine Theaterinsel mit Freilichtbühne und Parkanlagen eröffnet worden. Dieses Schmuckstück glich seit Montag einem riesigen See, aus dem nur die Bäume und Laternen herausragten.
Die Neiße, die sonst mit einem Wasserstand von maximal 1,20 Meter eher ruhig dahin plätschert, stieg hier im Laufe des Dienstags auf von vielen Schaulustigen nicht für möglich gehaltene 6,20 Meter. In großer Zahl verfolgten sie die Gubener das Spektakel von der Stadtbrücke aus. Zum letztlich harmlosen Verlauf des Neiße-Hochwassers trugen nicht zuletzt drei Deichbrüche rund 12 Kilometer südlich von Guben bei. Das Wasser überschwemmte hier auf 150 Meter Länge unbewohntes Gebiet, büßte aber an Wucht ein. „Vielleicht waren das die entscheidenden Zentimeter, die uns retteten“, mutmaßte der Gubener Bürgermeister.
Die Hochwasserwelle der Neiße bewegte sich am Nachmittag zur 16 Kilometer von Guben entfernten Mündung in die Oder bei Ratzdorf zu. Am berühmten Pegelhäuschen stand die elektronische Anzeige am Nachmittag bei 4,68 Metern – rund zwei Meter unter den Höchstständen bei den letzten Oderhochwassern.
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