Von Alexander Fröhlich: „Gefängnisse nicht zum Nulltarif“
Leerstand im Knast: Justizminister Schöneburg (Linke) muss eine neue Struktur vorlegen – ob eine Anstalt dichtmacht, ist noch unklar
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Potsdam - Eigentlich sind es gute Zahlen für Brandenburg: Immer weniger Verurteilte sitzen in den sechs Vollzugsanstalten des Landes ein. Im Bundesdurchschnitt liegt der Anteil von Strafgefangenen bei 86 pro 100 000 Einwohner, in Brandenburg bei 60,4. Entsprechend leer ist es in den Gefängnissen. Von den knapp 2100 Haftplätzen sind nur 1500 belegt, bewacht werden müssen die Gefängnisse trotzdem. Doch genau das wird für Strafgefangene und Vollzugsbedienstete zunehmend zum Problem. Denn in den sieben Gefängnissen herrscht Personalnot, so sieht es jedenfalls der Bund der Strafvollzugsbediensteten. Und das hat ganz konkrete Folgen. Beamte berichteten den PNN, in den Anstalten komme es zu gravierenden Engpässen, wenn Wärter Häftlinge in Krankenhäuser oder zu Gerichten begleiten müssen. Dann kommt es vor, dass die Strafgefangenem bereits am Nachmittag wieder in ihre Zellen eingeschlossen werden. Oder Freizeitangebote wie Sport oder auch die Freistunde im Hof werden gestrichen, einfach weil die wenigen Beamten die Sicherheit einfach nicht mehr gewährleisten können.
Dabei liegt Brandenburg mit seinen rund 1100 Vollzugsbediensteten im Ländervergleich im „oberen Drittel“, wie Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) im Rechtsausschuss des Landtags sagte. Doch das Personal ist überlastet und viel zu alt. Es gehen deutlich mehr Beamte in den Ruhestand als neu eingestellt werden. Zudem sind sie im Durchschnitt 49 Jahre alt, der Krankenstand lag nach Angaben von Schöneburg im vergangenen Jahr bei 13 Prozent. Pro Jahr gehen etwa 100 Vollzugsbedienstete in den Ruhestand. Doch es fehlt der Nachwuchs. Seit 2004 wurde in Brandenburg nicht mehr ausgebildet. Schöneburg hat die noch unter der SPD-CDU-Koalition gefällte Entscheidung bereits korrigiert. Derzeit sind wieder 40 Anwärter in der Ausbildung.
Doch 600 freie Haftplätze und leere Zellen kann sich Brandenburg auf Dauer nicht mehr leisten. Bis zum Sommer will Schöneburg nun ein neues Vollzugskonzept vorlegen. Das Ministerium prüft derzeit im Auftrag von Rot-Rot mehrere Varianten. Entweder werden eine oder mehrere Anstalten geschlossen oder einzelne Gebäudeflügel in den Gefängnissen einfach dichtgemacht. Ein Neubau an der Vollzugsanstalt in Brandenburg/Havel ist bereits gestoppt worden.
Schöneburg selbst, der sich durch seinen Widerstand gegen Vorstöße der SPD für die reihenweise Schließung von Amtsgerichten in der Justiz bereits Ansehen erworben hat, gilt als Anhänger des Erhalts. Einen Gefängnisstandort zu schließen hätte neue Kosten zur Folge – etwa für den Transport zu Gerichten. In der SPD-Landtagsfraktion wird bereits Unmut laut über Schöneburg, ein Ministerwort zur neuen Struktur im Vollzug sei überfällig, es müsse gespart werden.
Dabei hätte für Schöneburg alles so einfach sein können, aber ausgerechnet eine rot-rote Landesregierung, nämlich der Berliner Senat, wollte nicht mitmachen. Dabei ist allseits von einer klugen Idee des Ministers die Rede. Schöneburg bot Berlin mit seinen überfüllten Zellen eine Haftanstalt in Brandenburg an, doch Berlin hielt an seinen jahrelangen Plänen fest und baut einen eigenen Knast auf märkischem Sand. Hinzu kommt noch die Neuregelung der Sicherungsverwahrung für besonders gefährliche Straftäter. Schöneburg hat bereits eine Zusammenarbeit der Nord-Länder angeschoben, aber die Gespräche sind noch ganz am Anfang.
Dörthe Kleemann, Vize-Landeschefin im Bund der Strafvollzugsbediensteten, fordert eine ganz andere Lösung: Der Personalbedarf dürfe nicht an der Zahl der Haftplätze, sondern müsse anhand der Aufgaben berechnet werden. „Wir wissen, dass das beim Finanzminister nicht gut ankommt“, sagte Kleemann. „Aber Behandlung und Resozialisierung gibt es nicht zum Nulltarif.“
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