zum Hauptinhalt

Brandenburg: Gefühltes Sehempfinden

Am „Heimatjournal“ entzündet sich der Konflikt des RBB: Wie wird man Brandenburgern und Berlinern gerecht?

Stand:

Am „Heimatjournal“ entzündet sich der Konflikt des RBB: Wie wird man Brandenburgern und Berlinern gerecht? Von Sabine Schicketanz Potsdam/Berlin. Kommt dem „Heimatjournal“ im RBB demnächst die Heimat abhanden? Zum Start des gemeinsamen Fernsehprogramms des fusionierten Senders am 29. Februar wird sich das Magazin, das seit fünf Jahren heimelige Geschichten aus der Mark erzählt, in einer neuen Aufmachung präsentieren – und mit neuen Gesichtern. Statt Sabine Kühn und Hellmuth Henneberg moderieren dann Carla Kniestedt aus Brandenburg und Ulli Zelle aus Berlin. Wechselseitig sollen sie die Heimat des anderen erkunden. Dass die mit der Fusion neu besetzte RBB-Fernsehdirektion das Konzept des „Heimatjournal“ verändert hat, ist für Hellmuth Henneberg, bisher verantwortlicher Redakteur der Sendung und festangestellter Redaktionsleiter TV im RBB-Studio in Cottbus, nur „schwer nachvollziehbar“. Mit 15 Prozent Zuschaueranteil in Brandenburg am Samstagabend, als Konkurrenz die Fußball-Bundesliga, sei das „Heimatjournal“ erfolgreich gewesen, sagt Henneberg: „Wir haben gelernt, wie man mit den so genannten ,kleinen Leuten“ spricht.“ Anderswo allerdings habe man scheinbar dieses „Geheimnis des Erfolgs“ nicht begriffen. Als „Kittelschürzentheater“ soll das „Heimatjournal“ beim RBB verspottet werden. Eine Frage der Mentalität? Die Leiter der fünf Hauptabteilungen der Fernsehdirektion jedenfalls haben alle eine West-Biographie; ebenso die fünf Ressortchefs der für das „Heimatjournal“ zuständigen Abteilung Information und Landesprogramme, die von der Chefredakteurin Fernsehen Petra Lidschreiber geleitet wird. „Man kann Gefühle auch instrumentalisieren“, sagt dazu Lidschreiber, die zuvor die gleiche Position beim SFB innehatte. Wer Ost und wer West sei, könne sie im Kollegenkreis sowieso nicht mehr erkennen, „weder in Argumentation noch in Herangehensweise“. Mit dem neuen „Heimatjournal“ werde niemandem etwas weggenommen, so Lidschreiber. Man habe die Konzeption um Berlin erweitert, um den Brandenburgern zu zeigen, wie die Großstädter lebten und andersherum. „Das ,Heimatjournal'' ist unser Weltspiegel“, sagt Lidschreiber. Ob die Geschichten aus Berlin oder Brandenburg kommen, sei dabei nicht das entscheidende Kriterium. „Sie werden so gut und so interessant sein, dass die Zuschauer einfach dran bleiben. Wir stellen die Menschen, die hier leben, in den Mittelpunkt.“ Allerdings wolle man darauf achten, die Anteile zwischen Stadt und Region gleich zu verteilen. Dies gewinnt besonders vor dem Hintergrund des „gefühlten Sehempfindens“, wie Lidschreiber es nennt, an Bedeutung. Statistisch könne man zwar nachweisen, dass im neuen RBB-Fernsehen keine Region zu kurz komme – die Zuschauer aber könnten das anders sehen. Dass sie es tatsächlich tun, vermutet Hellmuth Henneberg. „Man muss den Brandenburgern ihre Sendungen lassen, genauso wie den Berlinern“, meint er. Die Regionalstudios des ehemaligen Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg (ORB) in Cottbus, Frankfurt (Oder), Prenzlau und Perleberg aber hätten in den Zentralen in Berlin und Potsdam keine Lobby. Die Märker aus dem flachen Land sollen das längst gespürt, den Ex-ORB mit sinkenden Quoten abgestraft und den RBB umgetauft haben in RBP – „Rundfunk Berlin Potsdam“. Es reiche eben nicht, wenn die regionalen Themen allein am Vorabend bei „Zuhause in Berlin und Brandenburg“ (zibb) auftauchten, in Beiträgen, die mit dem „Blick der Zentrale“ produziert würden, sagt Henneberg. Indem die redaktionelle Verantwortlichkeit für das „Heimatjournal“ in die Potsdamer Zentrale gegeben wird, verlören die Regionalstudios die Hälfte ihrer eigenverantwortlichen Programmanteile. Von einer mangelnden Regionalisierung will Petra Lidschreiber dagegen nichts wissen. „Es werden sich alle noch wundern, wie viel sie zu tun kriegen“, sagt sie. „Die Regionalstudios sind die Stützen unseres zukünftigen gemeinsamen Programms.“ Das „Heimatjournal“ sei ein ideales Vehikel, um Geschichten zu erzählen, ein „tolles Format mit einem tollen Fundament“. Die Zuschauer seien es gewohnt, an diesem Sendeplatz „etwas Gutes zu erfahren“. Generell werden ehemalige ORB-Sendungen im RBB-Gemeinschaftsprogramm mehr vertreten sein als ehemalige SFB-Sendungen. Auseinander geschaltet wird das Programm ab dem 29. Februar nur noch zu den Regionalnachrichten „Brandenburg aktuell“ und der „Abendschau“ aus Berlin um 19.30 Uhr. Ansonsten haben auf Potsdamer Seite das Polit-Magazin „Klartext“, die „Glückwunsch Antenne“, die Umwelt-Sendung „Ozon“, das deutsch-polnische Magazin „Kowalski trifft Schmidt“, das Kirchenmagazin „Himmel und Erde“, die Spielshow „Der Sonne entgegen“, „Täter-Opfer-Polizei“, die „Fernsehbekanntschaften“, die Gesprächssendung „Zur Person“ und der „Rasende Reporter“ mit Attila Weidemann die Neu-Konzeption überlebt. Die Berliner werden allein den SFB-„Gernsehabend“, das „Satirefest“ und die Medizin-Sendung „Quivive“ wieder erkennen. Sendungen wie „ungeschminkt“ für Frauen des ORB, das Kinomagazin „Muwie“ aus Berlin und die Talkshows „Alex“, „Berliner Platz“ und „Cherno“ wurden abgeschafft. Zum Einstieg ins fusionierte Fernsehen hat sich der RBB zehn neue Sendungen einfallen lassen, als Highlight den Talk mit Ulla Kock am Brink und Jörg Thadeusz „Leute am Donnerstag“. Allerdings muss das Berlin-Brandenburger Fernsehen schon jetzt mit Sympathie-Entzug leben. Mit 5,2 Prozent (RBB Brandenburg) und 5,6 Prozent (RBB Berlin) ist der Sender ans Ende der Zuschaueranteil-Tabelle der Dritten Programme in der ARD gerutscht. Vor allem „Brandenburg aktuell“ und „Abendschau“ haben deutliche Verluste erlitten, von rund 30 Prozent sank der Zuschaueranteil auf rund 23 Prozent. Als Grund sehen die Fernsehmacher dafür vor allem Themen-Überschneidungen bei den Vorabendmagazinen „rbb um 6“ und „zibb“ mit den Nachrichtensendungen. Vielleicht aber äußert sich so auch ein Verlust der Fernseh-Heimat. Bei Brandenburgern genauso wie bei Berlinern.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })