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Lärmpegel-Überschreitungen: Gegner im Fluglärm-Streit drohen mit Klagen

Die Anforderungen zum Schallschutz am neuen Großflughafen in Schönefeld werden viereinhalb Monate vor der geplanten Eröffnung von Vertretern der Landesregierung und der Flughafengesellschaft unterschiedlich interpretiert.

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Potsdam - Ein halbes Jahr vor Eröffnung des neuen Flughafens in Schönefeld streiten Flughafengesellschaft und brandenburgisches Verkehrsministerium über den Lärmschutz. Nun geht es darum, wie die Auflagen des vom Bundesverwaltungsgericht bestätigten Planfeststellungsbeschlusses für den Schallschutz Tausender Wohnungen rings um den neuen Flughafen eigentlich auszulegen sind. Zwar bemühten sich Flughafenchef Rainer Schwarz und Verkehrsminister Jörg Vogelsänger (SPD) am Dienstag auf einer von der CDU-Opposition beantragten Sondersitzung des Verkehrsausschusses im Landtag, eine Eskalation zu vermeiden. Beide Seiten betonten auch, dass die für Sommer 2012 geplante Eröffnung nicht in Gefahr sei. Doch in der Sache selbst gab es keine Annäherung. Es drohen sogar neue Prozesse.

„Das Urteil lässt keine Deutung zu“, sagte Vogelsänger. „Ich gehe davon aus, dass der Planfeststellungsbeschluss umgesetzt wird.“ Dagegen kündigte Schwarz an, bei der Planfeststellungsbehörde – es ist das selbe Potsdamer Verkehrsministerium – „noch in diesem Monat“ eine „Klarstellung“ der Schallschutz-Auslegung im Panfeststellungsbeschluss zu beantragen. Eine solche Klarstellung wiederum, so warnte prompt der brandenburgische Verkehrsstaatssekretär Rainer Bretschneider, „wäre dann wiederum von betroffenen Anrainern beim Bundesverwaltungsgericht überprüfbar“. Neue Gerichtsverfahren um den Lärmschutz wären die Folge.

Es geht um eine Detail-Formulierung im Planfeststellungsbeschluss, die Zündstoff birgt, obwohl sie laut Bretschneider und Schwarz praktisch erst ab 2015 wirksam würde. Danach darf, so die Auflage, innerhalb von Wohnungen in der Umgebung des Flughafens am Tage der zulässige Maximallärmpegel von 55 Dezibel pro Tag, geflogen werden darf 16 Stunden, nur ein einziges Mal überschritten werden - worauf das Verkehrsministerium auch pocht. Flughafenchef Schwarz sagte dagegen, diese Auslegung sei überhaupt nicht realisierbar. „Es geht um Geräusche, die in Wohnungen normale Gespräche in Zimmerlautstärke nicht übersteigen dürften“, sagte Schwarz. „Mir ist kein Schallschutz eines Flughafens der Welt bekannt, wo das realisiert wird.“ Nach Worten von Schwarz wären bei dieser Auflage in der unmittelbaren Umgebung des Airports 6000 Wohnungen „nicht schützbar“, weil es keine Fenster gäbe, die das technisch absichern könnten. In diesem Fall müsste die Flughafengesellschaft Anwohner mit 30 Prozent des Immobilienwertes entschädigen, was sie vermeiden will. „Wir wollen die Bürger schützen, nicht entschädigen“, sagte Schwarz. Die Flughafengesellschaft sieht für die juristische Klarstellung in ihrem Sinne gute Chancen, weil im Planfeststellungsbeschluss für die Nachtzeit und für besonders zu schützende Gebäude wie Kindergärten weniger strenge Auflagen stehen. In diesem Zusammenhang wies Schwarz Vorwürfe der Opposition an der Informationspolitik des Flughafens zurück. „Ich kann kein Kommunikationsdesaster erkennen.“ Zugleich wies Schwarz im Ausschuss Vorwürfe von CDU, Grünen und FDP zurück, dass der Flughafen das Schallschutzprogramm schleppend realisiert. In 12 000 Fällen bei 14 000 eingereichten Anträgen – insgesamt gibt es 25 000 berechtige Anrainer – habe die Gesellschaft Kostenübernahmevereinbarungen abgeschlossen. Man werde rechtzeitig vor Eröffnung auch die übrigen Fälle bearbeitet haben, womit der Flughafen seinen Part erfüllt sieht. Allerdings sind bisher die Baumaßnahmen zum Schallschutz erst in fünf Prozent der Fälle realisiert, sodass kaum Geld geflossen ist. „Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Umsetzung sei unbefriedigend“, sagte Schwarz.

Der Opposition im Landtag und anwesenden Vertretern der Fluglärmbürgerinitiativen Teltow reichte dies alles nicht. „Wenn Flughafen und Verkehrsministerium so weitermachen, gerät die Eröffnung des Flughafens in Gefahr“, sagte die CDU-Fraktionchefin Saskia Ludwig. Sie fordert einen Runden Tisch. Unterdessen sucht die Flughafengesellschaft Piloten, die den künftigen Betrieb auf dem Flugfeld erproben sollen – zunächst noch leise im Auto. Dabei werden die künftigen Wege der Maschinen abgefahren und der Kontakt mit den Lotsen getestet.

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