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Nauen: Flyer zum Widerstand gegen Flüchtlinge: Geistige Brandstifter
In Nauen wurden Zettel mit einem Aufruf zum Bau und Einsatz von Bomben gegen Flüchtlinge verteilt. Nun wurde bekannt, dass sich die Verfasser bei dem rechten Publizisten Jürgen Elsässer bedienten.
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Potsdam/Nauen - Der Aufruf zum Bau und zum Einsatz von Bomben gegen Flüchtlinge in Nauen vom vergangenen Wochenende hat einen klaren ideologischen Hintergrund: den rechtspopulistischen Publizisten und Chefredakteur des rechtspopulistischen Magazins Compact, Jürgen Elsässer. Der am Wochenende in Nauen (Havelland) verbreitete Aufruf ist bis auf wenige Änderungen und Kürzungen in weiten Passagen identisch mit einem Beitrag von Elsässer vom August 2015 auf dessen Blog, der Titel: „Offene Grenzen: So wird das deutsche Volk abgeschafft.“ In dem bei Elsässer entlehnten Aufruf wird zum „absoluten Widerstand“ gegen die „Invasion der Ausländer“ und eine angeblich von den Eliten gewollte Besetzung Deutschlands „durch sogenannte ,Flüchtlinge’“ aufgefordert. Im zweien Teil des Aufrufs, der nichts mit Elsässer zu tun hat, gibt es dann Tipps zum Bau von Molotow-Cocktails und Rohrbomben sowie eine Anleitung, um Plastiksprengstoff herzustellen. Es ist von „Anregungen“ die Rede, um „unsere Familien zu schützen“. Der Staatsschutz ermittelt deshalb wegen des Verdachts auf Volksverhetzung, Verstoßes gegen das Waffengesetz und der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten.
Bereitschaft, Gewalt anzuwenden
Experten finden die Verbindung zwischen Elsässer und dem Aufruf bemerkenswert. Gideon Botsch, Rechtsextremismus-Experte am Moses Mendelssohn Zentrum der Universität Potsdam, sagte den PNN: „Damit ist klar, dass die Propaganda dieses aktuell radikalen Nationalismus Stichwortgeber ist für jene, die Gewalt befürworten oder sogar bereit sind, Gewalt anzuwenden.“ Botsch verwies zudem auf die sogenannte von Elsässer mitgetragene Bewegung „Einprozent“, die zum „Sturz des Merkel-Regimes“ aufruft und ein breites Spektrum von Nationalkonservativen bis Rechtsextremisten und rechte Intellektuelle vereint. „Da kommt was zusammen“, sagte Botsch. „Da entwickelt ein rechtes Netzwerk eine Dynamik, die zur Tat drängt.“ Zwar könne man nicht davon ausgehen, dass Elsässer Gewalt befürworte. Allerdings müsse man durchaus annehmen, dass Elsässer und Co. die Wirkung ihrer Worte wirklich wollen.
Ulli Jentsch vom Antifaschistischen Pressearchiv (apabiz) sagte: „Offenbar ist die Ideologie und die Wortwahl von Elsässer und Compact so gefährlich und so radikal in Bezug auf die Flüchtlingsfrage, dass Leute, die bereit sind, zu Bomben zu greifen, sich davon inspirieren lassen.“ Auch die Havelländische Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (Linke), auf deren Büros in Nauen mehrfach Anschläge verübt wurden, warnt vor einer gefährlichen Entwicklung. „Wir können das Problem nicht mehr leugnen, es erfolgt ein gefährlicher Schulterschluss zwischen intellektuellen Rechten, Rechtspopulisten, radikalen Rechten und sogenannten besorgten Bürgern“, sagte sie. „Die Hetze führt direkt zu Taten und niemand kann sagen, er hätte mit den Gewalttaten nichts zu tun, der sich nicht klar gegen diese Allianz stellt.“
Compact-Redaktion: Elsässer lehne Rechtsterrorismus ab
Elsässer selbst war am Mittwoch nicht zu erreichen. Aus der Compact-Redaktion hieß es, Elsässer lege auf gewaltfreien Widerstand wert und lehne Links- wie Rechtsterrorismus ab. Allerdings ist auch festzustellen, dass das Compact-Magazin und das Netzwerk „Einprozent“ verstärkt bei Anti-Asyl-Demonstrationen in Brandenburg werben. Im Januar veröffentlichte Compact ein Video für sogenannte Bürgerbewegungen von Lübbenau bis Zossen und Rathenow. Der Titel: „Asylflut: Brandenburg wehrt sich.“ Der Tenor: Es gebe einen breiten „Volks-Widerstand gegen die Asylinvasion“, der sich vereint.
Zurück nach Nauen: Dort war im August eine neue, als Asylnotunterkunft vorgesehene Turnhalle nach einem rechten Anschlag niedergebrannt. Vor eineinhalb Wochen wurde ein Brandanschlag auf das Auto von zwei Linke-Politikern in Nauen verübt. Die Nauener Linke registrierte 2015 sechs Attacken auf ihr Büro. Im April wurden die Reifen eines Autos des Nauener Vereins „Mikado“ zerstochen, dazu eine Drohung an die „lieben Asylantenfreunde“. In der Region gibt es eine aktive Neonazi-Gruppe: Die mit der NPD verbandelten freien Kräfte Neuruppin-Osthavelland.
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