Von Matthias Matern: Geld verdienen bei Europas letztem Diktator
IHK Ostbrandenburg wirbt für Handel mit Belarus. Dort herrscht der geächtete Staatschef Lukaschenko
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Frankfurt(Oder)/Potsdam - Gerade erst hat die Europäische Union ihre Sanktionen gegen Weißrussland verschärft, da wird im Land Brandenburg erneut kräftig für Geschäfte mit Belarus geworben. Unter dem Motto „Weißrussland erschließen“ lädt die Industrie- und Handelskammer Ostbrandenburg am 25. März Unternehmer zu einem Informationstag ein. Nachdem Staatschef Alexander Lukaschenko Prosteste gegen die manipulierte Wahl im vergangenen Dezember brutal niederschlagen ließ, verhängte die EU im Januar für ihn und gut 150 weitere Vertreter des Regimes ein Einreiseverbot und blockierte deren Konten. Sogar Forderungen nach einem „Wirtschaftsembargo“ gegen den „Diktator“ wurden laut.
In ihrer Einladung wirbt die Kammer in Frankfurt (Oder) für den Standort Belarus unter anderem mit dem „beeindruckenden Wirtschaftswachstum“ des Landes. Vor allem industrielle Produkte wie Schweißanlagen und Raffinerieausrüstungen, aber auch Baumaterialien, Lacke und Dämmstoffe etwa seien in Weißrussland gefragt, meint Gordon Wohlgemuth von der IHK Ostbrandenburg. „Der Bedarf ist groß und den könnten märkische Firmen abdecken“, ist sich der Kammerreferent für Zoll- und Außenwirtschaftsrecht sicher. Einige Interessenten hätten sich bereits für den Informationstag angemeldet, berichtet Wohlgemuth. Die Potsdamer IHK hat nach PNN-Informationen die Vorbereitungen einer ähnlichen Veranstaltung mittlerweile abgeblasen.
Indes ist das Interesse Brandenburgs am Lukaschenko-Land nicht neu. 2009 führte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) eine Wirtschaftsdelegation in die weißrussische Hauptstadt Minsk und rühmte das Potenzial des Landes für märkische Firmen. Damals stritt die EU gerade, ob der autoritäre Staatschef zu einem Gipfeltreffen eingeladen werden solle. Zuletzt reiste Platzeck 2010 nach Belarus. Für das uckermärkische Windenergieunternehmen Enertrag aus Dauerthal bei Prenzlau sprang dabei ein 250 Millionen Euro schwerer Auftrag für einen Windpark bei Minsk heraus.
Tatsächlich ist Deutschland nach Russland, der Ukraine und den Niederlanden der viertgrößte Handelspartner Weißrusslands. Auch für den Kammerbezirk Ostbrandenburg bestätigt Gordon Wohlgemuth „unheimlich enge Lieferbeziehungen“ einiger Unternehmen.
Aus Sicht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat sich die Situation in Weißrussland mit Bezug auf die Menschenrechte seit der Wahl „deutlich verschlechtert“. Hunderte Menschen sind im Dezember in Minsk verhaftet worden. In der vergangenen Woche wurden drei Regierungsgegner zu drei bis vier Jahren Straflager verurteilt. In den Gefängnissen des Geheimdienstes KGB, die von Inhaftierten mit Konzentrationslagern und Folterstätten verglichen werden, sitzen weiterhin auch mehrere Herausforderer von Lukaschenko. Andere Oppositionelle stehen unter Hausarrest. Ihnen drohen bis zu 15 Jahre Haft. Als einziges Land in Europa hält Belarus zudem an der Todesstrafe fest. Laut Amnesty International wurden allein 2010 zwei Menschen hingerichtet.
Die IHK-Einladung findet der Fraktionschef der Grünen in Brandenburgs Landtag, Axel Vogel, deshalb „unappetitlich“ und „unverantwortlich“. Überraschend findet er sie mit Verweis auf Platzecks Unternehmerreisen nicht. „Platzeck ist der inoffizielle Weißrussland-Beauftragte der SPD“, sagt Vogel: „Die nötige Distanz ist nicht gegeben.“
Aus dem Landeswirtschaftsministerium heißt es nur, „der politische Rahmen ist derzeit nicht dafür angetan, dass man Vertrauen in die Stabilität des Landes haben kann“. Der Rest sei Sache der Unternehmen. In der Frankfurter Kammer, immerhin eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und damit unter Staatsaufsicht, verkniff man sich gleich ganz einen Kommentar zur politischen Situation. Nach Meinung von Katharina Spieß, Wirtschaftsexpertin bei Amnesty, eine typisch deutsche Haltung: „Bei der deutschen Außenwirtschaftsförderung spielen Menschenrechte nur eine geringe Rolle.“
Jüngst war auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) in die Kritik geraten. Mit Vertretern von Siemens, dem Krankenhausbetreiber Vivantes und der Solarfirma Solon weilte er am saudischen Königshof in Riad. Auch in Saudi-Arabien sind Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung. Laut Amnesty soll im November ein 27-Jähriger wegen Homosexualität und einer „allgemeinen Sicherheitsstraftat“ zu 500 Peitschenhieben und einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt worden sein.
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