Brandenburg: Gemischte Stimmung in Berlin
Der „Fall Holm“ erzürnt die Grünen und spaltet die SPD. Nur die Linken sind mit sich im Reinen
Stand:
Berlin - Es sei ja kein Geheimnis, dass die Debatte um den Berliner Staatssekretär Andrej Holm für die Koalition eine Belastung sei. „Ich hoffe sehr, dass die Linkspartei weiter selbstkritisch damit umgeht.“ Diese zwei Sätze rang sich der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Montag auf einer Pressekonferenz der Technischen Universität ab. Der Frage eines Journalisten konnte Müller, der auf den „Fall Holm“ bisher sehr einsilbig reagierte, nicht ausweichen.
In diesen Tagen wird die Sachpolitik der Regierung, sofern sie überhaupt stattfindet, vom Streit ums Personal überlagert. Das drückt aufs Gemüt. „Rot- Rot-Grün ist für uns ein Herzensprojekt, der Senat sollte schnell Aufbruchstimmung erzeugen, und zwischen den Jahren wollten wir uns alle eigentlich ein bisschen erholen“, sagt ein linker Sozialdemokrat. Die Probleme mit den Staatssekretären hätten die schlechte Laune verfestigt. „Die Euphorie des Neuanfangs ist weg.“
Nach den zähen Koalitionsverhandlungen war ein Durchstart geplant. Mit schnellen, bürgernahen Projekten sollte Vertrauen geschaffen und spätestens im Februar ein Regierungsprogramm für die ersten 100 Tage verkündet werden, um bei den Berlinern für 2017 gut Wetter zu machen. Stattdessen droht der Absturz in ein neues Umfragetief. Die Mehrheit der Berliner rechne damit, dass die SPD weiter an Zustimmung verlieren wird, sagen die Meinungsforscher von Civey im Auftrag dieser Zeitung. Momentan steht die SPD bei 19 Prozent, gefolgt von Grünen (17 Prozent) und Linken (16 Prozent). Zwei Drittel der Bürger gehen davon aus, dass Rot-Rot-Grün nicht viel bewegen – oder gar scheitern wird. Der Senat, der sich vor zwei Wochen konstituierte, steht also mächtig unter Druck. Von außen und von innen. Nicht nur Sozialdemokraten, sondern auch Grüne beklagen die Kommunikations- und Steuerungsprobleme im neuen Regierungsbündnis.
Intern wächst die Sorge, dass die Klärung der Frage, ob Holm Staatssekretär bleiben darf, ins nächste Jahr geschleppt wird – für die Opposition im Abgeordnetenhaus eine Steilvorlage. CDU- Fraktionschef Florian Graf kritisiert den Regierenden Bürgermeister als handlungsunfähig und führungsschwach. Die Union will ein „eindeutiges Signal im Fall Holm“. Die AfD spricht von einem „armseligen provinziellen Schmierentheater“, die FDP beklagt die „Arroganz der Macht“. Ein Antrag der CDU, dass niemand Staatssekretär oder Senator sein kann, der mit dem Sicherheitssystem der DDR zusammengearbeitet hat – in Anlehnung an die Praxis in Thüringen und Brandenburg –, wird ab Januar im Parlament beraten.
Wären die Grünen nicht in der Regierung, könnte der Antrag von ihnen stammen. Der kleinste Koalitionspartner fühlt sich von den Linken ausgetrickst. Denn mit der kurzfristigen Einberufung des Koalitionsausschusses ist die politische Verantwortung für den „Fall Holm“ von der Linken auf die Koalition verlagert worden. In der SPD ist die Gemengelage komplizierter. Zwar hat sich Juso-Landeschefin Annika Klose öffentlich mit Holm solidarisiert. In der organisierten SPD-Linken, das bestätigen mehrere Funktionsträger, denken viele ähnlich. Sie sehen keinen Grund, den Staatssekretär zu entlassen. An der SPD-Basis, außerhalb der Funktionärskreise, rumort es dagegen. Dort sehen viele Genossen Regierungs- und SPD-Landeschef Müller schon beschädigt, weil er kein Machtwort spricht.
Es scheint so, als wenn im Regierungs-Trio nur die Linken mit sich im Reinen sind, auch wenn die Führungscrew in Partei und Fraktion mit der Intensität und Härte der Auseinandersetzung um Holm nicht gerechnet hat. Das Gesprächsklima im Koalitionsausschuss am Freitag sei gut gewesen, entgegen anderslautender Berichte. Müller verhalte sich abwägend und korrekt. Er habe von der Personalauswahl ja auch frühzeitig gewusst. Ulrich Zawatka-Gerlach
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: