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Brandenburg: Gerichte überlastet oder ineffizient?

Minister Markov in Landtagsdebatte zu Sparplänen in Justiz: Verwaltungsrichter schaffen im Bundesvergleich die wenigsten Fälle

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Potsdam - Es war die Einstimmung auf die Haushaltsdebatte, die als „Königsdisziplin“ in Parlamenten gilt: Ehe Brandenburgs Landtag am Mittwoch in zweiter Lesung über den rot-roten Etatentwurf für 2015/2016 stritt, lieferten sich Regierungskoalition und Opposition aus CDU, Grünen, AfD und Freien Wählern zunächst einen Schlagabtausch um die Rotstiftpläne in der Justiz. In einer Aktuellen Stunde auf Antrag der Grünen verteidigte Justizminister Helmuth Markov (Linke) den geplanten Abbau von 100 Stellen bis 2018, gegen den erstmals in der Geschichte Brandenburgs Richter und Staatsanwälte demonstriert hatten.

Markov begründete die Notwendigkeit damit, dass Eingangszahlen an Gerichten und Staatsanwaltschaften seit 2010 kontinuierlich sinken. „Und es gibt keine Anhaltspunkte, dass sich an dieser Tendenz etwas ändert.“ Und der Justizminister verwies darauf, dass Brandenburgs Verwaltungsgerichte – dort sind die Verfahrensdauern mit 18 Monaten besonders lang – „die geringste Erledigungsquote pro Richter unter allen Bundesländern haben“. Sein Kommentar: „Ich sehe darin durchaus vorhandene interne Reserven.“

Aktuell gibt es laut Markov an den Gerichten und Staatsanwaltschaften – bestätigt vom Präsidenten des Oberlandesgerichts – einen „Personalbestand, der den errechneten Bedarf“ übertrifft. Und zwar errechnet nach bundeseinheitlichen Methoden. Und wo es tatsächlich Probleme gebe, etwa an Sozialgerichten, reagiere man.

Genau das aber ist aus Sicht der Opposition nicht der Fall oder reicht nicht. Der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Benjamin Raschke, nannte es bedenklich, dass offenbar aus Überlastung immer mehr Strafverfahren gegen Auflagen oder an den Gerichten mit „Deals“ abgeschlossen werden. Angesichts der Klage in der Justiz über die mangelhafte Ermittlungsqualität der Polizei forderte Raschke ein „gemeinsames Nachdenken, wie wir wieder Spezialisten für die Kriminalpolizei“ ausbilden können, was vor einigen Jahren abgeschafft worden war. Christoph Schulze (Freie Wähler) hielt der Regierungskoalition „Wirklichkeitsverweigerung“ vor. Der AfD-Abgeordnete Thomas Jung sprach von „Kahlschlag“ und „Justizinfarkt.“ Und der CDU-Justizexperte Danny Eichelbaum warf Markov und der Regierung permanenten Verfassungsbruch vor, weil das Grundrecht auf zügige Verfahren in Brandenburg längst nicht mehr gewährleistet sei. In Amtsgerichten, Landgerichten, Verwaltungsgerichten, Sozialgerichten lägen die Verfahrenszeiten teils deutlich über dem Bundesschnitt. Statt sein Veto einzulegen, habe Markov die Hand für das bisher größte Justizstellen-Abbauprogramm in Brandenburg gehoben. In keinem anderen Bundesland seien die Sozialgerichte so stark belastet wie in Brandenburg, so Eichelbaum.

Widerspruch kam vom SPD-Abgeordneten Erik Stohn. Der verwies darauf, dass für die Verwaltungsgerichte und Sozialgerichte im aktuellen Haushalt noch einmal zusätzliche Stellen bewilligt worden seien. Und Stohn erinnerte daran, dass zu Zeiten der CDU-Justizministerin Beate Blechinger – von 1999 bis 2009 regierte im Land eine Große Koalition – die Verfahrensdauer im Durchschnitt noch bei 35 Monaten gelegen habe, damals doppelt so hoch wie jetzt gewesen sei.

Mehrere Redner zitierten den Vorsitzenden des Landesrichterbundes, Matthias Deller, der Markov Politik „nach Gutsherrenart“ und einen „respektlosen Umgang mit der Justiz“ vorgeworfen hatte und die Debatte aus den Zuschauerreihen verfolgte. „Herr Deller, Sie zündeln“, erklärte dazu Linken-Abgeordnete Margitta Mächtig. Aussage und Ton seien unangemessen. Mächtig beklagte, dass es in der Justiz zu wenig Flexibilität und Mobilitätsbereitschaft gebe. „19 Jahre Fehlentwicklungen in der Justiz lassen sich nicht in wenigen Jahren korrigieren.“

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