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Einzelfall-Dokumentation: Gerlinde Stobrawa (Linke)
Der Wortlaut des Berichts der unabhängigen Expertenkommission zur Überprüfung der Abgeordneten des brandenburgischen Landtags zum Fall.
Stand:
Frau Gerlinde Stobrawa, geborene Kautz, wurde am 23. Januar 1949 in
Altkünkendorf (Landkreis Angermünde) geboren. Sie studierte von 1965 bis 1968 am
Institut für Lehrerbildung in Neuzelle Pädagogik. 1968 trat sie der SED bei. Von 1968
bis 1974 arbeitete sie als Unterstufenlehrerin und stellvertretende Direktorin. Ab 1974
war sie Mitarbeiterin der Pionierorganisation „Ernst Thälmann“, zuletzt Vorsitzende
der Pionierorganisation im Bezirk Frankfurt (Oder). In den Jahren 1985 bis 1986 und
von 1987 bis 1989 war sie Mitglied des Rates des Bezirkes Frankfurt (Oder) und
Leiterin der Abteilung für Jugendfragen, Körperkultur und Sport. 1986 bis 1987
studierte sie an der Parteihochschule „Karl Marx“ in Berlin und erwarb das Diplom als
Gesellschaftswissenschaftlerin.
Schon vor 1985, im Zuge ihrer Tätigkeit für die Pionierorganisation „Ernst Thälmann“,
war sie in den deutsch-polnischen Kinderaustausch eingebunden. Bei ihrer Anhörung
führte sie aus, sie sei für den Austausch von 3 000 Kindern zuständig gewesen. Es
habe zu jener Zeit Kriegsrecht in Polen geherrscht und dieser Austausch sei
sicherheitsrelevant gewesen. Aus diesem Grunde seien ihr 2 Mitarbeiter des
Ministeriums für Staatssichheit (MfS) zur Verfügung gestellt worden. Auch als Leiterin
der Abteilung Jugendfragen, Körperkultur und Sport sei sie mit der Organisation des
deutsch-polnischen Kinderaustausches befasst gewesen. Die Feriengestaltung mit
Kindern aus Israel, Syrien, von der PLO wie auch der Bundesrepublik Deutschland
stand unter ihrer Verantwortung, wie sie in einer Erklärung gegenüber dem
Landtagspräsidenten vom 15. November 2010 ausführte.
Ihre Beteiligung an der Feriengestaltung ist aktenkundig in Unterlagen des
Brandenburgischen Landeshauptarchives, in der Archivalie Rep. 601-24973. Dort
sind Arbeitspläne, Protokolle von Dienstberatungen, Eingaben und Unterlagen zur
Zusammenarbeit mit SED, FDJ und FDGB der Abteilung Jugendfragen, Körperkultur
und Sport des Rates des Bezirkes Frankfurt (Oder) abgelegt. Beispielsweise unter
dem 30. September 1987 findet sich der Hinweis auf eine Vorlage für den Sekretär
der SED-Bezirksleitung, die Auskunft über die Feriengestaltung 1987 u. a. in der
VR Polen gibt. An der Sitzung selbst nahmen neben Frau Gerlinde Stobrawa der
1. Sekretär der FDJ-Bezirksleitung Herr Axel Henschke, der Vorsitzende des
Bezirksvorstandes des FDGB, Beuel statt.
Keiner der beiden ihr für die deutsch-polnische Kinderferiengestaltung zugeordneten
MfS-Mitarbeiter seien mit Oberleutnant Stolzmann, der in den sie betreffenden Stasi-
Unterlagen als ihr MfS-Führungsoffizier genannt wird, identisch gewesen. Herr
Stolzmann sei ihr schon aus der gemeinsamen Arbeit bei der FDJ persönlich bekannt
gewesen.
Im Sommer 1987 sei sie, wie Frau Gerlinde Stobrawa bei der Anhörung ausführte,
von der Parteihochschule gekommen und habe im Zeitraum von August bis Oktober
1987 die Leitung der Abteilung Jugendfragen, Körperkultur und Sport beim Rat des
Bezirkes Frankfurt (Oder) übernommen. In der Abteilung seien ihr unmittelbar
15 Mitarbeiter unterstellt gewesen, weitere 10 bis 12 seien in ausgelagerten Stellen
wie dem Jugendhotel und bei der Jugendtouristik tätig gewesen.
Am 21. September 1987 legte Oberleutnant Stolzmann eine Karteikarte (F 16) zu
Frau Gerlinde Stobrawa an; der dazugehörige Aktenvorgang erhielt die
Registriernummer V 1036/87. Als ihre Berufstätigkeit gibt Stolzmann zu diesem
Zeitpunkt „Pioniervorsitzende der FDJ-Bezirksleitung“ an. Oberleutnant Stolzmann ist
Mitarbeiter des von Oberstleutnant (zuvor Hauptmann) Beyse geleiteten Referates 2
der Abteilung XX der Bezirksverwaltung Frankfurt (Oder) des MfS. Dieses
achtköpfige Referat war zuständig für den Sonderschwerpunkt „feindlich-negative
Personen und Personenkreise, Vorkommnisse staatsfeindliche Hetze, Nazi- und
Kriegsverbrecher, feindliche Zusammenschlüsse und Aktivitäten sogenannter
Randgruppen im Rahmen der politischen Untergrundtätigkeit, FDJ-Bezirksleitung“,
wie einem Organigramm des MfS aus dem Jahre 1989 zu entnehmen ist. Die Akte zu
Frau Gerlinde Stobrawa selbst muss – bis zum Abschluss der Rekonstruktion
vorvernichteter Unterlagen der MfS-Bezirksverwaltung Frankfurt (Oder) – vorläufig
als vernichtet gelten. Bislang sind lediglich neben den Karteikarten die sie
betreffenden und vorvernichteten Aktendeckel sowie einzelne Berichte in anderen
Akten aufgefunden worden. Die zu Frau Gerlinde Stobrawa vom MfS angelegte Akte
bestand ausweislich des Vorgangsheftes des Leiters des Referates 2 der
Abteilung XX, Oberstleutnant Beyse, aus einer Personalakte (Teil I) und einer
Arbeitsakte (Teil II).
Den Stasi-Unterlagen nach war Frau Gerlinde Stobrawa mit dem 21. September
1987 zunächst als Kandidatin für eine IM-Tätigkeit erfasst („Vorlauf-IM“). Erst mit
dem 28. März 1988 wurde für das MfS ausweislich der Vorgangskarteikarte (F 22)
dieser Kandidatenstatus beendet. Frau Gerlinde Stobrawa galt dem MfS fortan als IM
zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereiches (IMS) mit dem
Decknamen „Marisa“.
Hierzu angehört erklärte Frau Gerlinde Stobrawa, der MfS-Offizier Stolzmann habe
einmal um einen offiziellen Termin gebeten, der dann in ihrem Arbeitszimmer
stattgefunden habe. Dort habe sie dieser um eine Zusammenarbeit mit dem MfS
gebeten, die ihr Arbeitsgebiet betreffen sollte. Dabei habe sie sich den Decknamen
„Marisa“ gewählt. Diese Decknamenvereinbarung habe sie so verstanden, dass
innerhalb des MfS ihre Identität nicht sofort bekannt werden solle.
Über die Wahl dieses Decknamens habe sie ihren Vorgesetzten Herrn Sommer
unterrichtet, teilte sie bei der Anhörung mit. Dieser habe ihr erklärt, dass die
Verwendung eines Decknamens nicht üblich sei und er sich darum gegenüber dem
MfS kümmern würde. Sie habe mit ihrem Vorgesetzten diese Decknamensvergabe
später nicht mehr erörtert. In der Folgezeit sei es zu weiteren Gesprächen mit
Oberleutnant Stolzmann gekommen. Ihm gegenüber habe sie das Gespräch mit
ihrem Vorgesetzten jedoch nicht erwähnt.
Im Frühjahr 1987 begann das Referat 2 der Abteilung XX damit, sich mit dem
Stellvertreter von Frau Gerlinde Stobrawa kritisch zu befassen. Hierzu legte es eine
Operative Personenkontrollakte (OPK) an, der als Bezeichnung „Stellvertreter“
zugewiesen wurde. In einem am 7. Juni 1988 bestätigten Maßnahmeplan zur
Vorgehensweise gegen ihren Stellvertreter wird als hierbei einzusetzender
inoffizieller Mitarbeiter an erster Stelle „Marisa“ genannt. Sie sollte am 30. Juni 1988
zu Folgendem beauftragt werden: „Zielgerichteter Einsatz des IMS ‚Marisa‘ zur
Aufklärung der tatsächlichen politischen Grundhaltung und des Persönlichkeitsbildes
des [Name geschwärzt] sowie die Feststellung und Dokumentierung negativer
Einflußnahme auf die Mitarbeiter der Abt. J/K/S durch [Name geschwärzt].“ Als
verantwortlich für die Beauftragung von IMS „Marisa“ wurden Oberleutnant
Stolzmann und zur Kontrolle der Durchführung der damalige Hauptmann Beyse
ausgewiesen. Im Weiteren sollte noch durch einen weiteren geeigneten IM das
Verhalten des „Stellvertreters“ bei der 100. Kampfgruppenhundertschaft ermittelt, die
Post kontrolliert und andere Aktivitäten eingeleitet werden.
In der OPK-Akte des „Stellvertreters“ befinden sich 3 Berichte, in denen als Quelle
„Marisa“ genannt wird, die jeweils „auftragsgemäß zur Person [Name geschwärzt]“
berichtet habe:
Der „Stellvertreter“, heißt es in der auf „Marisas“ Ausführungen basierenden
Tonbandabschrift vom 27. April 1988, sei politisch als „äußerst zweifelhaft“
anzusehen. „Ausgeprägt sind besonders solche Charaktereigenschaften wie
Überheblichkeit, Egoismus und übersteigertes Geltungsbedürfnis.“ Er halte den
Parteisekretär für einen „Arsch“, den Parteigruppenorganisator für ein „dummes
Schwein“ und die Parteiversammlungen für „totalen Ruß“. Die Kampfgruppe sei für
ihn „totale Spielerei“, die man im Verteidigungszustand „vergessen“ könne. Er sei
„stark materiell interessiert“. Er besitze einen 2 bis 3 Jahre alten Skoda. Es sei den
Mitarbeitern der Abteilung „unklar“, warum er eine Drei-Raum-Wohnung erhalten
habe. Im Ergebnis dieses Berichts veranlasste Oberleutnant Stolzmann die
Postkontrolle des „Stellvertreters“.
Im zweiten vorliegenden Bericht vom 16. September 1988 heißt es, der
„Stellvertreter“ sei bislang „immer oberflächlich und teilweise arrogant in
Erscheinung“ getreten, bemühe sich aber nunmehr „ordentlich und sachlich“ zu sein.
„Andererseits konnte ich feststellen, daß [Name geschwärzt] sich spürbar vom
Kollektiv der Abteilung zurückgezogen hat und kaum noch seine Meinung zu
aktuellen Problemen äußert. Am deutlichsten zeigt sich das darin, daß
[Name geschwärzt] sich mit keinem Wort an der Diskussion um den neuen Wartburg
beteiligt hat, obwohl dies einige Zeit Tagesgespräch Nr. 1 im Rat des Bezirkes war.“
Oberleutnant Stolzmann vermerkt, dass der IM „Marisa“ „enge arbeitsmäßige
Kontakte zum [Name geschwärzt]“ habe, „und ist in der Lage, sein Verhalten objektiv
einzuschätzen.“
Im dritten vorliegenden Bericht vom 19. Januar 1989 heißt es, bei ihrem Stellvertreter
sei „eine positive Entwicklungstendenz zu verzeichnen.“
Zum Inhalt dieser Berichte wurde der damalige Stellvertreter von Frau Gerlinde
Stobrawa und damit von diesen Berichten Betroffene von der Kommission als Zeuge
gehört. Er erklärte, dass er zu Frau Gerlinde Stobrawa – als sie von der
FDJ-Bezirksleitung gekommen sei – wegen ihrer einnehmenden Art anfangs offen
gewesen sei und sie als Verbündete gesucht habe. Alle Aussagen über den
Parteisekretär habe er ihr gegenüber nur unter 4 Augen gemacht. Zu Zeiten seiner
Tätigkeit in der Abteilung von Frau Gerlinde Stobrawa habe er bemerkt, dass „etwas
im Busche sei“. Deshalb habe er sich danach mit Äußerungen, anders als zu Beginn
seiner Tätigkeit, gegenüber Frau Gerlinde Stobrawa sehr zurückgehalten.
Frau Gerlinde Stobrawa erklärte zu diesen Berichten bei der Anhörung, dass die
Informationen in den Berichten von „Marisa“ auf sie zurückgehen könnten, die
Wortwahl aber nicht ihrem Duktus entspreche. Sie räumte ein, Inhalte der mit ihrem
Stellvertreter geführten Gespräche an Oberleutnant Stolzmann weitergegeben zu
haben. Insbesondere sei die fehlende Bereitschaft ihres Stellvertreters, in der
Kampfgruppe mitzuwirken, ein Problem gewesen, das zu lösen ihr aufgegeben
worden sei.
Zu der Angabe, sie habe Aufträge für Oberleutnant Stolzmann ausgeführt, äußerte
sie Medien gegenüber – so in der Märkischen Allgemeinen Zeitung vom 1. Dezember
2009: „Ich habe nie jemanden geschadet … Ich habe nie einen Auftrag erhalten, als
IM konkret aktiv zu werden.“ Sie bestätigte bei der Anhörung Medienberichte, die sie
mit den Worten wiedergeben: „Ich habe nie gespitzelt, ich habe nie etwas Negatives
gesagt“. Sie habe in Gesprächen mit Oberleutnant Stolzmann, wie sie bei der
Anhörung ausführte, auch Kritisches über ihren Stellvertreter geäußert, da „man
natürlich nicht nur Positives erzählen konnte“.
Sämtliche Treffen mit Oberleutnant Stolzmann seien in ihrem Dienstzimmer erfolgt.
Diese seien sowohl unter 4 Augen als auch mit einem eingegrenzten Personenkreis
geführt worden. Dabei sei für sie Oberleutnant Stolzmann ein offizieller
Ansprechpartner des MfS gewesen. Er habe auch an Abteilungsberatungen
teilgenommen. Ihren Mitarbeitern sei bekannt gewesen, dass Herr Stolzmann
Oberleutnant des MfS gewesen sei.
Der als Zeuge von der Kommission befragte damalige Stellvertreter von Frau
Gerlinde Stobrawa erklärte, an Sitzungen der Abteilung regelmäßig teilgenommen zu
haben. Eine Person namens Stolzmann sei ihm nicht bekannt und dieser sei zu
keinem Zeitpunkt Sitzungsteilnehmer gewesen. Sofern an Sitzungen
Abteilungsfremde teilgenommen hätten, wären diese jeweils mit Namen vorgestellt
worden; ein Herr Stolzmann sei nicht darunter gewesen. Einen offiziellen Kontakt der
Abteilung zum MfS habe es, soweit er sich erinnert, in den Arbeitsbeziehungen nicht
gegeben. Er erinnere sich lediglich, dass Frau Gerlinde Stobrawa des Öfteren
Besuch von einem Bekannten erhalten habe, von dem er annahm, dass es sich
hierbei um einen Mitarbeiter des MfS gehandelt haben könnte.
Als Sachverständige wurden Herr Rüdiger Sielaff, Leiter der Außenstelle Frankfurt
(Oder) der Stasi-Unterlagenbehörde, sowie der zuständige Referatsleiter für
Auskunft, Herr Harald Both gehört. Hierzu befragt, erklärten beide, dass ihnen
bislang kein Fall in der Stasi-Unterlagenbehörde bekannt geworden sei, wonach ein
Führungsoffizier in seiner Funktion als Mitarbeiter des MfS an derartigen dienstlichen
Beratungen teilgenommen hätte.
Bei der Sichtung der Protokolle der Abteilung Jugendfragen, Körperkultur und Sport
des Rates des Bezirkes Frankfurt (Oder) für den Zeitraum von August 1983 bis
Februar 1990 fand die Kommission kein einziges Protokoll, das als Teilnehmer
Oberleutnant Stolzmann ausweist. Die Protokolle über die nahezu monatlich
stattfindenden Sitzungen weisen in der Regel die Teilnahme von Frau Gerlinde
Stobrawa und den Namen ihres Stellvertreters aus (Die im Brandenburgischen
Landeshauptarchiv befindlichen Unterlagen haben die Archivsignatur Rep.
601-27664 und 30539). Dies gilt auch für Protokolle von anderen Dienstberatungen
von Frau Gerlinde Stobrawa (Archivsignatur Rep. 601-24973, 601-25104 und
601-25106).
Die Informationen von „Marisa“ sollen ausweislich der Stasi-Unterlagen am 25. April
1988, 14. September 1988 und am 16. Januar 1989 an Oberleutnant Stolzmann
erfolgt sein. Am 25. April 1988 fand zwar eine Sitzung der Abteilung von Frau
Gerlinde Stobrawa statt. An der Sitzung nahmen 10 Mitarbeiter teil – nicht aber
Frau Gerlinde Stobrawa. An den sonstigen Tagen, an denen Informationen von
„Marisa“ an Oberleutnant Stolzmann mitgeteilt wurden – also am 14. September
1988 und am 16. Januar 1989 -, sind Protokolle von Abteilungssitzungen im
Brandenburgischen Landeshauptarchiv nicht nachweisbar. Die Januar-Sitzung 1989
beispielsweise fand erst 2 Wochen später am 31. Januar 1989 statt. Daraus drängt
sich der Schluss auf, dass die Gespräche mit dem MfS-Offizier Stolzmann, nicht wie
von Frau Gerlinde Stobrawa behauptet, im Rahmen der Abteilungssitzungen
stattgefunden haben.
Am 13. Januar 1989 wurde der IM-Vorgang „Marisa“ in die höherwertige Kategorie
Inoffizieller Mitarbeiter im besonderen Einsatz (IME) überführt. Ein IME hatte nach
den Normen des MfS (Richtlinie 1/79) in dessen Auftrag gezielt Informationen durch
Ermittlungen und Beobachtungen zu beschaffen. Die Abteilung XX der
Bezirksverwaltung Frankfurt (Oder), zu der das hier in Rede stehende Referat 2
gehört, verfügte zu diesem Zeitpunkt über 408 inoffizielle Mitarbeiter, darunter nur
29 IM im besonderen Einsatz – IME – (1989: 27).
Mit dem 24. August 1989 übernahm (inzwischen) Oberstleutnant Beyse, der Leiter
des Referates, selbst den Vorgang. An eine Person namens Beyse könne sich Frau
Gerlinde Stobrawa nicht erinnern.
Im Dezember 2009 habe Frau Gerlinde Stobrawa davon erfahren, wie sie bei der
Anhörung ausführte, dass sie ihren Stellvertreter beim MfS belastet haben solle.
Deshalb habe sie einmal dessen Telefonnummer gewählt aber niemanden erreicht.
Weitere Versuche habe sie nicht unternommen.
An der Aufarbeitung der MfS-Vergangenheit wirke sie seit 1991 mit. Sie nahm an den
von Pfarrer Gehlsen durchgeführten öffentlichen „Täter-Opfer-Gesprächen“ teil,
worüber die Medien seinerzeit berichtet haben. In den der Kommission vorliegenden
Zeitungsartikeln ist von Gesprächen mit Oberleutnant Stolzmann nicht die Rede.
Damals danach befragt, ob sie sich schriftlich gegenüber dem MfS verpflichtet habe,
wird sie mit den Worten wiedergegeben: „Meine Arbeit mit der Staatssicherheit war
anderer Natur. Als ich als Mitglied des Rates des Bezirkes für den Ferienaustausch
mit Polen zuständig war, wurden mir 2 Stasi-Mitarbeiter unterstellt.“ Im gleichen
Bericht des „Frankfurter Stadtboten“ heißt es: „Ich habe mich vor allem in der Zeit der
Wahlvorbereitung immer wieder quälerisch nach meinem Verhältnis zur
Staatssicherheit befragt. Das war auch für meine Partei ein wichtiges Kriterium, ob
man auf die Liste kam. … Sind durch mich Menschen zu Schaden gekommen? Ich
glaube darauf mit ziemlicher Sicherheit sagen zu können: Nein.“
Zusammenfassung:
Frau Gerlinde Stobrawa war mindestens 1988 bis 1989 inoffizielle Mitarbeiterin der
Abteilung XX/2 der Bezirksverwaltung Frankfurt (Oder) des Ministeriums für
Staatssicherheit (MfS). Sie wählte sich den Decknamen „Marisa“. Das Ministerium
stufte sie zunächst als Inoffizielle Mitarbeiterin zur Sicherung und Durchdringung des
Verantwortungsbereiches (IMS) ein, ab dem 13. Januar 1989 als Inoffizielle
Mitarbeiterin im besonderen Einsatz (IME). In Vier-Augen-Gesprächen mit dem
Führungsoffizier Stolzmann gab Frau Gerlinde Stobrawa zur Zeit ihrer Tätigkeit als
Leiterin der Abteilung Jugendfragen, Körperkultur und Sport des Rates des Bezirkes
Frankfurt (Oder) Informationen über ihren dienstlichen Stellvertreter. Diese
Informationen gingen nach Auffassung der Kommission über den dienstlichen
Rahmen hinaus und hatten denunziatorischen Inhalt. Einen lediglich auf ihre
dienstliche Tätigkeit als Abteilungsleiterin beschränkten offiziellen Kontakt zu dem
MfS-Offizier Stolzmann oder dessen Teilnahme an Dienstberatungen der Abteilung,
wie Frau Gerlinde Stobrawa behauptet, kann nicht belegt werden. Gegen diese
Behauptung von Frau Gerlinde Stobrawa sprechen die Zeugenaussage ihres
damaligen Stellvertreters, die Akten des Landeshauptarchivs und die Feststellung
der Sachverständigen. Aus diesem Grund wird ihre Einlassung bezüglich ihres
Kontaktes zum MfS von der Kommission als nicht glaubhaft beurteilt. Eine
Offenlegung ihrer Gespräche mit Oberleutnant Stolzmann über ihren damaligen
Stellvertreter erfolgte durch sie vor einem entsprechenden Medienbericht im Jahre
2009 nicht.
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