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Brandenburg: Geständnis: Mit Parteigeldern Prostituierte bezahlt

Der frühere Finanzchef der Grünen in Brandenburg, Christian Goetjes, steht wegen schwerer Untreue vor Gericht

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Potsdam - „Die Geschichte ist der Klassiker: Prostituierte nimmt Freier aus“, sagt Jörg Tiemann, der Vorsitzende Richter der zweiten Strafkammer am Potsdamer Landgericht. Vor ihm auf der Anklagebank sitzt Christian Goetjes, der frühere Schatzmeister der brandenburgischen Grünen. Ihm wird besonders schwere Untreue vorgeworfen. Gleich zum Prozessauftakt am gestrigen Montag legte der 34-Jährige ein umfassendes Geständis ab. Er habe von Januar 2009 bis Februar 2011 Gelder von Partei- auf Privatkonten überwiesen, Bargeld aus der Parteikasse genommen und für zwei Prostituierte ausgegeben – um ihnen aus Notsituationen zu helfen. Insgesamt sind es 274 000 Euro.

Verstehen kann es Richter Tiemann nicht, was Goetjes getan hat. „Die Geschichte ist so banal, dass sie einem fast den Atem nimmt“, sagt er. „Diese Selbstverständlichkeit, mit der Sie in die Kasse fassten, ist für mich noch nicht nachvollziehbar.“ Alles begann im Jahr 2008. Bis dahin war er zehn Jahre lang Schatzmeister der Grünen. Schon früh hatte er sich politisch engagiert, war Landesschülersprecher, hatte vergeblich versucht, dreimal sein Abitur zu machen und brach wegen der Affäre mit einer Prostituierten sein Studium ab. Lange Zeit hatte er noch bei seinen Eltern gelebt, bezog noch, bis er 33 Jahre alt war, monatlich 300 Euro Unterhalt. Dann ging er trotz einer Fernbeziehung zu einer Prostituierten auf dem Straßenstrich in der Kurfürstenstraße in Berlin. Mehrfach traf er sich mit ihr, 50 Euro kostete es jedes Mal. Schließlich wurden sie ein Paar. Für die heroinsüchtige Frau gab er 20 000 Euro aus, konkret für eine Entzugstherapie im Ausland, die von der Krankenkasse nicht getragen wird. Mit Erfolg. Kurz danach trennte er sich von ihr – wegen ihrer psychischen Probleme.

Kurz darauf lernt er als Freier die nächste Prostituierte kennen, eine Bulgarin. Auch mit ihr hatte er mehrfach bezahlten Sex, und auch mit ihr freundete er sich an. Sie erzählte ihm, dass sie Schulden habe, ihre Familie in Bulgarien von Kredithaien bedroht werde und sie deshalb auf den Strich gehe. Wieder half Goetjes mit dem Geld der Partei. Insgesamt habe er ihr 200 000 Euro gegeben, sagte Goetjes. Er kaufte mit Parteigeld Möbel für eine gemeinsame Wohnung und mietete sich Oberklasse-Wagen. Irgendwann Mitte 2010 sei ihm klar geworden, dass er auffliegen, dass es nicht lange gut gehen werde. Zumal im Herbst 2011 im Grünenvorstand eine E-Mail der Bundespartei aufgetaucht sei, worin es um geplatzte Lastschrifteinzüge von nicht gedeckten Parteikonten ging. „Ich hatte gedacht, dass es schon viel früher auffliegt, aber es passierte nichts“, sagt Goetjes. „Ich hatte Suizidgedanken, die im Frühjahr 2011 konkret wurden“, sagt er. Noch einmal bat die Bulgarin Anfang 2011 um Hilfe. Er hob 36 000 Euro von den Parteikonten ab, tauchte unter und fuhr mit ihr ins bulgarische Varna ans Schwarze Meer. Schließlich fand er heraus, dass alles nur erfunden war, dass die Frau ihn ausgenommen hat. In Berlin nahm ihn die Polizei dann fest.

Warum er sich aber darauf einließ, konnte er nicht abschließend erklären. Er habe die Frauen sympathisch und attraktiv gefunden, sei verliebt gewesen, habe ihnen helfen, mit ihnen zusammen sein wollen, so Goetjes. „Das hätten sie auch sein können, aber für 50 Euro und nicht für 250 000 Euro“, sagt der Richter. „So etwas haben wir öfter, diese Männer sind 17, 18 Jahre alt, aber nicht über 30.“ Mehrfach fragte der Richter, was Goetjes bezweckt habe, ob er einfach unerfahren gewesen sei oder sich als starker Mann darstellen wollte. Und wie er mit dem politische Hintergrund seiner Partei trotz der Zwangsprostitution auf dem Straßenstrich in Berlin zu einer Osteuropäerin gehen konnte. Goetjes sagte, er habe davon nichts gewusst. „Ich muss gestehen, dass mein Handeln auch für mich selber heute schwer nachvollziehbar ist. Ich bedaure das und möchte mich entschuldigen für den finanziellen und politischen Schaden.“

Mit den Grünen hat er sich notariell darauf geeinigt, 65 000 Euro zurückzuzahlen, 35 000 Euro sind schon abgestottert. Monatlich zahlt er mithilfe der Eltern 1000 Euro ab. Die Partei hat ein strenges Vier-Augen-Prinzip für die Parteigelder eingeführt. Goetjes selbst sieht sich bestraft fürs Leben. Er lebt in Berlin von Arbeitslosengeld II. Die Arbeitsagentur habe die Jobsuche für ihn eingestellt, sagt er. „Mein Name wird für immer mit der Geschichte verbunden sein.“

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