Brandenburg: Glücklich im Regen
Zu Berlins 30. Christopher Street Day kamen am Samstag bis zu 500 000 Teilnehmer und Zuschauer, die gut gelaunt dem schlechten Wetter trotzten
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Berlin - Auch wenn wieder in regelmäßigen Abständen „It“s raining men“ aus den Boxen dröhnte – was da am Sonnabend vom Himmel nieselte, war doch nur Wasser. Zehntausende Schaulustige drängten sich am Straßenrand, um dem Umzug zum Christopher Street Day (CSD) zuzuschauen, der sich zum 30. Mal durch Berlin schlängelte. Los ging“s um 12.30 Uhr unter den Linden und dann auf einer neuen Route über Behren- und Ebertstraße zum Potsdamer Platz, über die Bülowstraße, den Nollendorfplatz und die Kleiststraße in die Hofjägerallee in Richtung Endstation: zum Großen Stern. Die Veranstalter gingen zur Parade von bis zu 500 000 Teilnehmern und Zuschauern aus.
Anton Müller, der zur Parade aus Süddeutschland angereist war, brauchte keinen Regenschirm, obwohl unter seiner Lederschürze sein blanker Hintern hervorblitzte. „Mir macht der Regen nichts aus“, sagte er. Von der Ebertstraße bogen die ersten Wagen in die Potsdamer Straße ein, beladen mit Boxen, aus denen eine spanischen Version von „I will survive“ dröhnte. Insgesamt hatten sich 49 Wagen für die Parade angemeldet, einige Gruppen absolvierten die Strecke zu Fuß. Zum Beispiel das Team von Amnesty International: Vorneweg liefen zwei gefesselte Männer und eine Frau, die anderen Mitglieder der Gruppe hielten Schilder hoch mit Ländern, in denen Homosexualität mit der Todesstrafe oder mit langen Gefängnisstrafen geahndet wird. Der CSD erinnert an den ersten Aufstand von Homosexuellen gegen Polizeiwillkür, der im Juni 1969 in der New Yorker Christopher Street stattfand.
Zwischen die Gruppen schoben sich immer wieder einzelne als Frau verkleidete männliche Schönheiten und deren Fans: 14- bis 16-jährige CSD-Groupies wie Anita und Anika aus Hamburg. Beide hielten ihre Digitalkameras gezückt und waren jederzeit einsatzbereit, wenn ihnen eine Diva vor die Linse lief, im Prinzessinenkleid oder Catwoman-Outfit. Als hätten die Mädchen ihren Lieblingsstar getroffen, warfen sich die beiden den Dragqueens in die Arme und machten Fotos. „Die maile ich dann meinen Freunden, die finden das cool“, sagte Anita – und rannte schon wieder los. Wer wirklich zur Parade, wer zum Publikum gehörte und wer hier als Tourist gelandet war, das ließt sich kaum mehr unterscheiden.
Den 30. CSD hatten die Veranstalter unter das Motto „Hass du was dagegen?“ gestellt. Das soll daran erinnern, dass Homosexualität noch immer nicht überall toleriert wird. Der Auszubildende Matthias Riller hat keine Probleme damit, dass zwei seiner Freunde schwul sind. Deshalb hatte er die beiden gestern begleitet. „Ich möchte hier Spaß haben und hoffe, dass alle gut miteinander auskommen“, sagte er. „Vor fünf, sechs Jahren waren wir schon mal weiter mit der Toleranz“, findet dagegen die Badleiterin Andrea Müller. Der CSD ist für sie deshalb ein Symbol für die Freiheit, dass auch Homosexuelle feiern dürfen – wobei das Politische nicht vergessen werden solle. Als lesbische Frau habe sie es nicht leicht in ihrem Männerberuf.
CSD-Besucher Martin Berger hat in seinem Beruf hingegen keine Probleme mit der sexuellen Orientierung. „Die Berliner S-Bahn ist ein sehr toleranter Arbeitgeber“, erzählte der 55-Jährige, der mit seinem Partner Martin zur Parade gekommen war, um zu feiern. Mit der Ankunft des Zuges an der Siegessäule war die Party noch nicht vorbei: Bis tief in die Nacht hinein sollten Bands spielen und DJs auflegen. Und die Veranstalter verliehen ihre Zivilcouragepreise: an Personen und Länder, die sich um die Gleichberechtigung von Homosexuellen verdient gemacht haben. In diesem Jahr wurden gleichberechtigt zwei Frauen und zwei Männer geehrt – und die Schweiz.
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