Brandenburg: Golze will barrierefreie Arztpraxen
Während die neuen Leitlinien der Seniorenpolitik vage bleiben, steckt sich Brandenburgs Sozialministerin für die Restzeit bis 2019 ein konkretes Ziel
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Potsdam - Ehe sie antwortet, muss Diana Golze erst einmal überlegen. Was sie für ältere Menschen in Brandenburg bis zum Ende der Wahlperiode 2019 unbedingt noch erreichen will? Dann antwortet die Sozialministerin mit Linke-Parteibuch: „Gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung die Barrierefreiheit von Arztpraxen zu schaffen.“ Besonders in den ländlichen Regionen würden Rentner häufig klagen, dass der Zugang zu Praxen nicht oder nur schwer möglich sei. „Sie kommen mit dem Rollator nicht rein, müssen sich die Rezepte herunterbringen lassen.“ Man prüfe, sagt sie noch, Fördermöglichkeiten des Ministeriums. Man darf gespannt sein, ob es der Linke-Ministerin in den nächsten zwei Jahren gelingt, dass tatsächlich alle Arztpraxen barrierefrei sein werden.
Golze, zuvor Linke-Bundestagsabgeordnete, führt seit 2014 das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie, das frühere Ressort von Regine Hildebrandt (SPD). Und zuständig ist sie damit auch für die Älteren im Land, um die es an diesem Dienstag ging. Da stellte Golze erst im Kabinett, dann vor Journalisten in der Staatskanzlei die gerade aktualisierten „Leitlinien der Seniorenpolitik“ der Landesregierung vor. Immerhin leben in Brandenburg inzwischen 567 000 Menschen (2014), die älter als 65 Jahre waren. Das ist schon heute jeder vierte Brandenburger. Und nach der amtlichen Bevölkerungsprognose werden 2040 über 802 000 Senioren in Brandenburg leben, was dann 37 Prozent der Gesamtbevölkerung entsprechen wird.
Die Lage der Senioren in Brandenburg ist ein selten im Rampenlicht stehendes, in Teilen aber hochbrisantes Feld. Auch hier, so schätzt es Golze ein, wachse eine Kluft, ein Gefälle. Auf der einen Seite seien viele Rentner, denen es gut geht, die durch langes Erwerbsleben nicht selten höhere Renten als in Westdeutschland beziehen. Auf der anderen Seite wachse das Problem der Altersarmut, die Sorge vieler, ob und wo sie sich eine Wohnung und die Pflege leisten können. Die Realität sieht so aus: Nach Angaben des Sozialministeriums gibt es 7715 über 65-Jährige, die Grundsicherung im Alter erhalten, und 8126 Empfänger von Hilfe zur Pflege, die von den Kommunen an Bedürftige gezahlt wird. „Ganz überwiegend leben Seniorinnen und Senioren zur Miete, nur ein Drittel besitzt eine eigene Wohnung oder ein eigenes Haus. Deshalb bewegt die Seniorinnen und Senioren besonders die Sorge um die Bezahlbarkeit der Miete“, heißt es dazu in den Leitlinien. Ein Bedürfnis sei, „so lange wie möglich in ihrem gewohnten Umfeld zu leben und sich ihre Selbstständigkeit zu erhalten“.
Um das aus dem Jahr 2011 stammende Senioren-Papier auf einen aktuellen Stand zu bringen, hat das Ministerium eine Befragung von Betroffenen durchführen lassen, und zwar in Bernau (Barnim), Frankfurt (Oder) und Templin (Uckermark), um einen typischen Querschnitt abzubilden. 600 Fragebögen wurden verschickt, 256 Antwortbögen kamen zurück. Und danach sei für die Betroffenen, wie Golze sagte, „Wohnungen und Leben im Quartier“ gestalten, das Top-Thema gewesen. Das sei verständlich, „schon meine Oma hat gesagt: Einen alten Baum verpflanzt man nicht“. Die Reihenfolge, was den Betroffenen unter den Nägeln brennt, ist bei den Regierungs-Leitlinien übernommen worden. Auf Platz zwei folgt „Mobilität gewährleisten“, wo sich selbst im Regierungspapier der kritische Befund findet: „Die öffentlichen Verkehrsmittel empfinden viele Seniorinnen und Senioren als wenig benutzerfreundlich. Neue Verkehrsangebote sind den älteren Menschen oft nicht bekannt.“ Als dritte Sorge und Leitlinie folgt: „Gesundheitsversorgung und Pflege“.
Besonders letztere wird auch in Brandenburg ein immer größeres Problem. Waren 2015 rund 111 000 Menschen pflegebedürftig, erwartet die Landesregierung nach dem Golze-Papier „eine Zunahme auf annähernd 174 000 Personen im Jahr 2040 () bei gleichzeitiger Verringerung des verfügbaren Potenzials an Pflegekräften und pflegenden Angehörigen“. Es folgt die Digitalisierung. „Der Rufbus muss online bestellt werden. Die Paketstation muss man bedienen können“, sagte Golze. Ebenso werden Engagement und Teilhabe genannt, da Senioren viel Zeit für das Ehrenamt aufwenden.
Mit den Leitlinien hat das Ministerium einen Auftrag des Landtages aus dem Jahr 2015 erfüllt und auch eine vom Parlament geforderte konkrete „Maßnahmenübersicht“ zusammengestellt. Es ist eine Tabelle, was alle Ressorts derzeit irgendwie für ältere Menschen tun. Überraschungen oder inhaltlich neue Akzente finden sich in den Leitlinien keine. Thorsten Metzner
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