Brandenburg: „Gott sagte: Bring sie um“
Orhan S. berief sich auf innere Stimmen
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Berlin - Der Mann im dunklen Anzug sprach ruhig und freundlich. Orhan S. zögerte auch nicht, als er das Unfassbare gestand: „Ich habe ihr den Kopf abgeschnitten.“ Vor fünf Monaten war er in Raserei gegen seine Ehefrau vorgegangen. Nun saß er vor den Richtern und schien mit viel Distanz auf die schrecklichen Szenen zu sehen, die sich in einem Kreuzberger Wohnhaus nahe dem Potsdamer Platz abespielten. Der gläubige Muslim berief sich auf den Befehl einer inneren Stimme: „Gott sagte, bring sie um.“ Und Orhan S. fügte hinzu: „Ich habe gedacht, ich bin Jesus und sie ist der Teufel.“
Der 32-jährige Orhan S. und die zwei Jahre jüngere Semanur S. hatten 1998 im anatolischen Osten der Türkei geheiratet. Die Familien wollten es so. Orhan S., in Berlin aufgewachsen, hatte zuvor eine deutsche Freundin. „Ich hatte mich dann an sie gewöhnt, Liebe aber war es nicht.“ Trotz der sechs Kinder blieb die Verbindung unglücklich. „Ich war wegen der Kinder da“, sagte der Angeklagte, der seine Frau mit einer Nachbarin betrogen und sie mehrfach auch geschlagen hatte.
Seine Misere schob Orhan S., der bereits 2007 wegen einer Psychose in einer Klinik behandelt wurde, auf seine Ehefrau und seine „Blödheit“, die verordneten Medikamente abgesetzt zu haben. „Ich dachte, ich könnte ohne Tabletten besser aufstehen und arbeiten“, sagte er. Abrissunternehmer S. ging auch nicht mehr zur Behandlung. Dass sein Arzt darauf nicht reagierte, sei zumindest „seltsam“, sagte der Verteidiger. Orhan S. leidet nach einem Gutachten an einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie. Die Staatsanwaltschaft strebt seine Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie an.
Orhan S. bemerkte, dass er ohne Psychopharmaka zwar „wacher“, aber auch reizbarer und aggressiver wurde. Es regte ihn auf, als ihn seine Frau drei Tage vor dem Drama mit seiner früheren Geliebten sah, mit der er zwei Kinder hat. „Sie schimpfte, ich hatte danach keine Lust mehr, nach Hause zu gehen“, schilderte er. Er kehrte zurück, als sein ältester Sohn ihn darum bat. Doch am Abend nahm er wieder Drogen. Mehrere Joints seien es gewesen. Sie hätten dann schweigend im Wohnzimmer gesessen. „Sie fing dann an zu weinen, da passierte es.“ Die Kinder im Alter von einem bis zwölf Jahren schliefen, als der Vater am 4. Juni wie im Blutrausch auf die Mutter einschlug.
Mehr als 250 Menschen hatten wenige Tage später in Kreuzberg an Semanur S. erinnert und gegen Gewalt an Frauen demonstriert. Der Täter hatte bereits ein reueloses Geständnis abgelegt. Alles sei „von Allah befohlen“ gewesen, er habe das „Böse“ vernichtet. Über seine Kinder, die traumatisiert waren und nun ohne Eltern aufwachsen müssen, verlor S. vor Gericht kein Wort. Sie leben jetzt in zwei Pflegefamilien. Der Prozess geht am 23. November weiter. K. Gehrke
K. Gehrke
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