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Brandenburg: Grenzenlose Mangelerscheinung
Auch im Westen Polens werden Fachkräfte rar. Vor allem Ärzte, Ingenieure und Handwerker sind gefragt
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Potsdam - Auch im Westen Polens wird nicht mit einer massenhaften Abwanderung von Fachkräften nach Deutschland ab dem 1. Mai gerechnet. „Wir sind sehr gut vorbereitet und haben keine große Angst, unsere Fachkräfte zu verlieren“, sagte der Vizemarschall der Wojewodschaft Lubuskie, Tomasz Gierczak, am Mittwoch in Potsdam. Zwar böte die völlige Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Deutschland für polnische Arbeitnehmer die Aussicht auf bessere Bezahlung, doch seien auch die Lebenshaltungskosten in Deutschland höher als in der Heimat. Zudem hätte sich der Durchschnittslohn in Polen seit dessen EU-Beitritt 2004 dem in Deutschland angenähert. Dieser sei im Vergleich zu dem Niveau im Land Brandenburg von einem Sechstel auf mittlerweile rund einem Drittel angestiegen, so Gierczak. „Eine Krankenschwester verdient im Schnitt bei uns 1000 Euro brutto im Monat.“ Im Land Brandenburg sind es knapp 1700 Euro.
Wie berichtet, können ab dem 1. Mai Arbeitnehmer aus den acht neuen EU-Mitgliedstaaten Polen, Lettland, Estland, Litauen, der Tschechischen Republik, der Slowakei, Ungarn und Slowenien ohne Beschränkungen arbeiten. Während die meisten EU-Staaten längst ihren Arbeitsmarkt geöffnet haben, entschied sich Deutschland aus Angst vor negativen Folgen für den heimischen Arbeitsmark von einer siebenjährigen Übergangsfrist Gebrauch zu machen. Tatsächlich nutzten viele Polen den EU-Beitritt 2004, um im europäischen Ausland besser bezahlte Jobs zu finden. „Die, die im Ausland arbeiten wollen, sind schon gegangen“, meinte Tomasz Gierczak. Etwa zwei Millionen Polen verließen ihr Land Richtung Großbritannien und Irland. „Mittlerweile sind viele wieder zurückgekommen, haben genug Geld verdient, um zu Hause eine Familie zu gründen“, berichtete der Vizemarschall der Wojewodschaft Lubuskie gestern.
Längst ist in Deutschland die Furcht der Hoffnung gewichen, die neuen Zuzügler könnten den zunehmenden Fachkräftemangel mildern. „Es wird weder zu einer breiten Verdrängung deutscher Arbeitnehmer kommen, noch ist eine Lösung für den Fachkräftemangel zu erwarten“, stellte Brandenburgs Arbeitsstaatssekretär Wolfgang Schroeder gestern nüchtern fest. Höchstens im Niedriglohnsektor seien Verdrängungseffekte denkbar.
Ohnehin glauben Arbeitsmarktexperten wie berichtet, dass die ostdeutschen Grenzregionen für besser qualifizierte Auswanderer nur wenig attraktiv sind. Laut Schroeder würden derzeit rund 2300 Menschen aus den acht betroffenen EU-Staaten im Land Brandenburg arbeiten. „Wir gehen davon aus, dass es im Jahr 2015 insgesamt 9000 sein werden. Das wären dann 1,2 Prozent aller Beschäftigten im Land“, so der Staatssekretär. Dagegen stünde ein ermittelter Fachkräftebedarf für das Land Brandenburg von rund 260 000 Personen in vier Jahren.
Unterdessen ist man in Polen selbst darauf angewiesen, die Fachkräfte im Land zu halten. Die Wirtschaft boomt. Während die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise das Wachstum in allen anderen EU-Ländern in die Knie zwang, stieg das polnische Bruttoinlandsprodukt unbeeindruckt weiter. „In der Wojewodschaft Lubuskie würden dringend Ingenieure, Ärzte und Handwerker gebraucht“, sagte Vizemarschall Gierczak. Schon gibt es offenbar Befürchtungen, die ab kommenden Sonntag geltende Arbeitnehmerfreizügigkeit könnte der eigenen Wirtschaft schaden - wie einst in Deutschland. Insbesondere junge Leute, die sich für einen Beruf im Handwerk interessieren, würden eine Ausbildung in Deutschland unter anderem wegen der besseren Ausbildungsvergütung für attraktiver halten, sagte Gierczak. „Wir wissen natürlich nicht, ob sie nach der Ausbildung auch wirklich wiederkommen“, gab der Vizemarschall gestern zu bedenken.
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