Von Eva Kalwa: Großer Jubel, wenig Rubel
Berlins Fanmeile war toll – für die Fußballfans. Die Händler machten vor allem Verluste. Der Senat ist schuld, sagt Veranstalter Kausch
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Berlin - Märchen, das wissen schon die Kleinsten, sind keine Fortsetzungsromane. Und dennoch glaubten viele Fußballfreunde an Teil zwei des WM-Sommermärchens 2006. Dass es trotz des frischen Spiels der deutschen Mannschaft erneut nicht für einen Einzug ins Finale gereicht hat, ist eine Sache. Die Enttäuschung hatten die deutschen Fans schon nach dem Sieg gegen Uruguay verarbeitet. Eine andere Enttäuschung ist schwerer zu verkraften: Viele kleine Händler auf der Berliner Fanmeile, gehen mit großen Verlusten aus dieser WM. 2006 war die Partymeile länger und es kamen sechsmal so viele Menschen.
„Ganze 18 Euro habe ich bei einem Spiel eingenommen. Und das bei 12 000 Euro Standmiete für zweieinhalb Wochen“, sagt Nabil Weshah, der auf dem offiziellen Fifa-Fanfest einen Imbissstand betrieben hat. Selbst beim Viertelfinale mit deutscher Beteiligung habe er nur 300 Euro Umsatz gemacht, erzählt der Mann aus Bernau. Dass zu den Spielen ohne deutsche Beteiligung die Fanmeile – ganz anders als bei der WM 2006 – teils gähnend leer blieb, beklagen viele der rund 80 Händler. „Ich kann zufrieden sein, dass ich wegen der Deutschlandspiele mit einer schwarzen Null abschließe“, sagt Rainer Kempkes, Geschäftsführer von Mago-Wurst Berlin, der weniger als ein Drittel des Umsatzes von 2006 verzeichnet. Dabei ist er mit zwei Ständen und dem exklusiven Belieferungsrecht für Fleisch- und Wurstwaren noch einer der Großen auf der Meile, die beim kleinen Finale am Sonnabend nur noch zu rund einem Drittel gefüllt war.
Doch die Händler hatten außerhalb der Deutschlandspiele, die teilweise 350 000 Menschen sahen, nicht nur unter mangelnden Zuschauerzahlen zu leiden. Sie kritisieren, dass es wegen der großen Abstände zwischen den Leinwänden viele tote Ecken gab. Das störte auch die Firma Ösza aus Berlin-Kreuzberg. „Unser Fanartikel-Stand war dort, wo gar keine Leinwand war“, sagt Mitarbeiter Christian Hahn. Ab dem Halbfinale durfte er sich nach Absprache mit dem Veranstalter dann direkt ans Brandenburger Tor stellen – außerhalb der Meile. Dahin, wo die Touristen waren.
Willy Kausch, der mit seinen Partnern Rainer Wohlthat und Gerald Ponesky die Fanmeile im Auftrag der Senatskanzlei organisiert, ist ebenfalls ernüchtert. „Nach 2006 und auch nach der EM 2008 habe ich geglaubt, dass Public Viewing eine neue Eventkultur geworden ist“, sagt der 53-Jährige. Der Profi, der unter anderem jedes Jahr die Silvesterfeier am Brandenburger Tor veranstaltet, macht unter anderem den Berliner Senat für den mangelnden Erfolg verantwortlich. „Die Ausschreibung ist erst Ende 2009 erfolgt, und erst im März hat sich der Senat endgültig für das Fanfest entschieden“, sagt Kausch. Da sei es aber für ein ordentliches bundesweites Marketing schon längst zu spät gewesen.
Ungünstig war neben den extrem hohen Temperaturen und der beginnenden Urlaubszeit auch der Ablaufplan: Erst der schleppende Anfang am Olympiastadion, dann einige Tage Pause und zuletzt der Standort an der Siegessäule, der durch eine Baustelle vom Touristenmagnet Brandenburger Tor wie abgeschnitten war. „Auf dieser Grundlage ist es nicht leicht, mit Sponsoren zu verhandeln“, sagt Kausch. Um die Kosten etwas zu minimieren, hat er kurz entschlossen zwei außerplanmäßige Ruhetage angesetzt.
„Auch ein Geschäft wie die Fanmeile besteht aus Chancen und Risiken, sagt Olaf Reidt, Experte für Vergaberecht an der Humboldt-Universität. Dass viele der Händler sich jetzt über hohe Standmieten beklagen, sieht der 46-Jährige kritisch. „Man kann nicht Gewinne privatisieren und Verluste sozialisieren.“ Natürlich könne man auch das Ja des Berliner Senats zum Fanfest im Nachhinein diskutieren. „Man darf aber nicht vergessen, dass immer jemand entscheiden muss“, sagt Reidt. Das sei bei Fifty-fifty eben schwer.
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