Brandenburg: Großes Interesse an KZ-Gedenkstätten
350 000 Menschen besuchten Sachsenhausen / Nicht jeder Wunsch nach Führungen wird erfüllt
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Oranienburg – Totenbücher mit mehr als 20 000 Namen von Opfern, die einstige Leichenkarre und vor den Fenstern großformatige Fotos des Grauens im einstigen Konzentrationslager Sachsenhausen bei Berlin - im kommenden Frühjahr soll in der früheren Häftlingsküche die Kernausstellung der Gedenkstätte in Oranienburg eröffnet werden. „Sie ist der Schlussstein für unser dezentrales Museumskonzept“, betont der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Günter Morsch. Hier sollen sich alle Besucher über das einstige Modell-KZ, in dem die Nazis rund 200 000 Menschen inhaftierten und Zehntausende ums Leben kamen, informieren können.
Ein Einführungsfilm, der Sachsenhausen in den geschichtlichen Kontext stellt, große Exponate und Schauvitrinen – bei eher wenig Texttafeln – sollen auch Großgruppen auf den Besuch in der Gedenkstätte und in den zehn dezentralen Ausstellungen vorbereiten. Denn: Das Interesse an den KZ-Gedenkstätten ist ungebrochen. „Wir können angesichts von Personalknappheit nur etwa jede zweite Anfrage von Gruppen auf Führungen erfüllen“, sagt Morsch.
Zwischen Januar und Oktober gab es in Sachsenhausen rund 1590 Gruppenführungen mit 42 300 Teilnehmern - im gesamten Jahr 2006 waren es 1340 Führungen. Insgesamt besuchten schätzungsweise 350 000 Menschen die Gedenkstätte in Sachsenhausen und damit laut Morsch etwas mehr als im Vorjahr.
Brandenburgs Kulturministerin Johanna Wanka (CDU) meint zu der Äußerung Morschs, dass nur jede zweite Führungsanfrage bedient werden könne: „Ich bin mir bewusst, dass es Gesprächsbedarf gibt und wir die Gedenkstättenarbeit intensivieren müssen.“ Deshalb werde im Stiftungsrat unter anderem über Möglichkeiten wie mehr freie Mitarbeiter für Führungen diskutiert werden. Der Sprecher von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) betont: „Wenn es finanziell bei einer nachfrageorientierten Besucherbetreuung mangeln sollte, wird sich der Bund selbstverständlich dafür einsetzen, dass dort nachgebessert wird und die Betreuung ermöglicht wird.“
Nach Auskunft Morschs war das Jahr 2007 für die Mahn- und Gedenkstätte am Ort des einstigen Frauen-KZ in Ravensbrück besonders wichtig – denn seit November gibt es dort ein neues Besucherzentrum. „Damit haben wir ein deutliches Signal gesetzt, dass die Umgestaltung der Gedenkstätte zu einem modernen zeithistorischen Museum begonnen hat.“
Mit Blick auf das Jahr 2008 wird neben der Eröffnung der zentralen Ausstellung in der einstigen Häftlingsküche der Jahrestag der Befreiung am 20. April besonders wichtig sein. In Ravensbrück wird der Schwerpunkt in den nächsten Jahren ganz auf der Umsetzung der Neukonzeption liegen. Am 27. Januar wird dort eine Ausstellung zu jüdischen Häftlingen in Ravensbrück eröffnet. Ob es 2008 bei den Plänen für eine Gedenkstätte im alten Zuchthaus Brandenburg/Havel entscheidende Fortschritte geben wird, ist dagegen noch ungewiss.
Diese soll unter anderem daran erinnern, dass die Nazis in der Stadt erstmals stationäre Gaskammern einsetzten. Das bisherige Dokumentationszentrum auf dem Areal der Justizvollzugsanstalt ist nur eingeschränkt zu besuchen.
Mit Blick auf die seit Jahren erhoffte neue Lösung betont Morsch: „Die Stiftung hat ein schlüssiges und relativ bescheidenes Konzept entwickelt, jetzt ist die Politik aufgerufen, gemeinsam mit dem Bund nach Realisierungsmöglichkeiten zu suchen.“
Imke Hendrich
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