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Landtag in Brandenburg: Grüne scheitern mit Antidiskriminierungsgesetz an SPD

Obwohl das Gesetz zum politischen Erbe des 2015 verstorbenen SPD-Fraktionschefs Klaus Ness gehört, nimmt die Partei im Potsdamer Landtag Abstand von der Regelung. Gegen den Willen der Grünen.

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Potsdam - Nach eineinhalb Jahren Verhandlungen und Debatten im Landtag Brandenburg hat sich die SPD darauf festgelegt, dass es kein Antidiskriminierungsgesetz geben wird. Das sagte SPD-Fraktionschef Mike Bischoff am Dienstag in Potsdam. Die Linksfraktion sieht dagegen noch Diskussionsbedarf. Die Grünen, die den Gesetzesvorschlag eingebracht haben, zeigten sich enttäuscht, waren aber nach dem seit Anfang 2016 dauernden Gezerre mit Rot-Rot wenig überrascht.

Zwar ist in der Bundesrepublik durch das Gleichbehandlungsgesetz der Bereich des Privatlebens bereits geregelt, das betrifft Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt, bei der Wohnungssuche und bei Dienstleistungen. Doch einen gesetzlichen Schutz vor Diskriminierung und Benachteiligung aufgrund von Nationalität, Geschlecht, Religion, sexueller Identität oder sozialer Herkunft im öffentlichen Bereich, also beim Besuch im Rathaus, in der Schule oder bei einem Anliegen bei der Polizei, gibt es bislang nicht. Die Grünen- Fraktion hatte erst versucht, die Koalition aus SPD und Linke zu einen gemeinsamen Gesetzesantrag zu bewegen, so wie es aktuell auch von Rot-Rot-Grün in Berlin im Koalitionsvertrag vereinbart ist. Doch die SPD trat auf die Bremse. Nun kam die Absage nach einem Beschluss der Fraktion am Dienstag. Fraktionschef Mike Bischoff sagte: „Wir brauchen kein Gesetz, bei dem es noch viel komplizierter und undurchsichtiger wird.“ Die SPD beruft sich auf das Votum der kommunalen Spitzenverbände, die vor einem Bürokratiemonster warnten. Intern warnt die SPD auch, staatliche Stellen und Behördenmitarbeiter würden mit dem Gesetz vorverurteilt und unter Generalverdacht gestellt.

Grünen-Innenexpertin fordert gesetzliche Regelungen

Dem Koalitionspartner werde er jetzt einen Entschließungsantrag vorschlagen, in dem die bisherigen Maßnahmen des Landes hervorgehoben werden sollen, etwa die neue Landesstelle für Chancengleichheit. „Wir brauchen uns im Bundesranking nicht zu verstecken“, sagte Bischoff. Brandenburg habe mit der Einführung der Antirassismusklausel in die Landesverfassung 2013, wonach das Land „der Verbreitung rassistischen und fremdenfeindlichen Gedankenguts“ entgegentritt, neue Wege bestritten. „Wir sind streckenweise Vorreiter.“

Die Grünen-Innenexpertin Ursula Nonnemacher hält die Argumentation der SPD für unglaubwürdig. Die Antirassismusklausel sei das Vermächtnis des Ende 2015 verstorbenen, früheren SPD-Fraktionschefs Klaus Ness, die Verfassungsänderung sei auf seine Initiative zustande gekommen. „Es reicht, wie die Praxis zeigt, aber nicht aus, Antidiskriminierung als Staatsziel in der Verfassung zu verankern“, sagte Nonnemacher. Nötig seien Regelungen, die es den Menschen auch erlauben, ihre Rechte notfalls einzuklagen. Experten hätten bei einer Anhörung im Oktober 2016 bestätigt, dass ein Landesantidiskriminierungsgesetz eine Regelungslücke schließen könne und europäisches Recht umsetze. Die SPD müsse beim Thema Antidiskriminierung ihre Position überdenken und einen Schritt auf ihren Koalitionspartner zugehen.

"Abgeschwächte Willkommenskultur"

Tatsächlich sind die Linkem dem Antidiskriminierungsgesetz nicht abgeneigt, halten es aber nicht für praktikabel. Politisch kann die Linke sich dem Grundgedanken des Gesetzes aber nicht verwehren. Fraktionschef Ralf Christoffers sagte am Dienstag, er sehe noch Diskussionsbedarf. Es gebe aber mehrere Varianten, um eine diskriminierungsfreie Verwaltung umzusetzen. Er gehe davon aus, dass nach der parlamentarischen Sommerpause eine Entscheidung fällt, „welche Regelungsdichte und Regelungstiefe erforderliche ist“. Die Linke kann sich auch einen Antidiskriminierungsbeauftragten als Kompromisslösung vorstellen.

Der Verein Opferperspektive, der eine Beratungsstelle für Diskriminierungsopfer betreibt, erklärte, dies sei kein guter Tag für den Diskriminierungsschutz in Brandenburg. „Damit vergibt die SPD die große Chance, wirksame Rechtsgrundlagen für den Diskriminierungsschutz im Bereich der öffentlichen Verwaltung zu schaffen“, sagte Cristina Martín von der Beratungsstelle. Die bestehende Schutzlücke könne nur auf Landesebene geschlossen werden und bestehe nun weiter. Bei der Antidiskriminierungsberatung gebe es immer wieder Fälle, bei denen Betroffene von Diskriminierung bei Sozialämtern oder in Schulen berichteten. Die Pflicht zur Gleichbehandlung lasse sich bei Behörden weitaus schwieriger durchsetzen als gegenüber Privatpersonen oder Unternehmen. „Vor diesem Hintergrund weiterhin von Willkommenskultur sprechen zu wollen, zeigt, inwiefern die Brandenburger SPD-Fraktion die Lebensrealität von Bürgern, die von rassistischer Diskriminierung betroffen sind, verkennt“, erklärte die Opferperspektive. Nun dürfe dank der Entscheidung der SPD-Fraktion „nur von einer im Wesentlichen abgeschwächten Willkommenskultur die Rede sein“.

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