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Brandenburg: Gute Laune und böse Vorahnungen

Der Wahltag in Brandenburg: Platzeck setzt auf Sieg, Schönbohm sieht nicht wie ein Verlierer aus

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Der Wahltag in Brandenburg: Platzeck setzt auf Sieg, Schönbohm sieht nicht wie ein Verlierer aus Potsdam – Matthias Platzeck muss warten. Als Brandenburgs Regierungschef kurz vor 12 Uhr von seiner Wohnung hinüber ins vis-a-vis gelegene Babelsberger Wahllokal 5204 schlendert, hat sich gerade wieder eine Schlange gebildet, keine Seltenheit an diesem Wahltag im Land. „698 von 1100 Wählern haben schon gewählt“, erzählt die junge Wahlvorsteherin. „Schon über die Hälfte. Das gab es um diese Zeit noch nie.“ Die gute Wahlbeteiligung ist ein Grund mehr, dass der Regierungschef sich an diesem sonnigen 18. September aufgeräumt und locker zeigt. Seinen Brandenburger Sozialdemokraten sagen die Demoskopen entgegen dem Bundestrend ohnehin einen Wahlsieg voraus – was sich am Abend auch bestätigen wird. „Wer hätte vor drei Wochen der SPD in Brandenburg zugetraut, dass sie bei dieser Wahl stärkste Kraft werden könnte“, sagt Platzeck gut gelaunt in eine Fernsehkamera. „Und ich hoffe, dass wir auch die zehn Direktmandate holen.“ Aber zunächst einmal wolle er mit Freundin Jeanette „schön Mittagessen“ gehen. Hat Platzeck keine Sorge, seinen CDU-Vize Jörg Schönbohm in der Koalitionsregierung zu verlieren, weil die von ihm geführte märkische Union die erwartete saftige Niederlage einfahren wird? Oder Schönbohm womöglich von einer Kanzlerin Angela Merkel als Verteidigungsminister nach Berlin geholt werden sollte? „Alles Kaffeesatzleserei“, winkt Platzeck ab. „Außerdem hat Jörg Schönbohm immer gesagt, dass er seine Verantwortung im Land sieht.“ Es ist 15 Uhr, der Landeswahlleiter bestätigt den Trend: Die Wahlbeteiligung liegt trotz des strahlenden Sonnenscheins um 14 Uhr landesweit bei 42 Prozent, etwa auf dem Niveau der Wahl 2002. In Brandenburg an der Havel sitzt CDU-Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann den ganzen Tag im Wahllokal in der Luckenwalder Schule nahe der Altstadt. Sie sei eingesprungen, weil Helfer fehlten, erzählt Tiemann. Auch hier hat am Mittag bereits jeder Dritte gewählt. Tiemann selbst hat noch am Wahltag Wahlkampf gemacht: Das am Sonntag an alle Haushalte verteilte Anzeigenblatt „Brawo“ veröffentlichte auf der Titelseite ihre Anzeige. „Mit mir als Frau der CDU haben Sie den Neuanfang in Brandenburg an der Havel gewählt“, heißt es darin. „Wählen Sie auch für die Bundesrepublik Deutschland den Wechsel.“ Ob es noch ein paar Stimmen bringt? Tiemann ahnt da bereits, dass das Landesergebnis ihrer Partei nicht so berauschend sein wird, das Ziel von 25 plus X verfehlt wird, auch wegen der Äußerungen von Landeschef Jörg Schönbohm über die Proletarisierung der Ostdeutschen durch das SED-Regime. „Das Bundesergebnis ist entscheidend“, sagt Tiemann diplomatisch. „Es ist wichtiger, dass Angela Merkel Kanzlerin wird.“ „Ich habe gerade im Tennis gewonnen. Und das wird heute so weiter gehen“, sagt Jörg Schönbohm launig, als er am Nachmittag im Wahllokal in der Seniorenresidenz „Augustinum“ in Kleinmachnow seine Stimme abgibt. Er wirkt nicht wie ein potenzieller Verlierer, schon gar nicht wie einer, der bei einer empfindlichen Niederlage seiner Christdemokraten in Brandenburg das Handtuch werfen würde. Wie er bei einer Niederlage seine politische Zukunft sehe, fragt jemand. Die Frage sei doch, ob es CDU und FDP im Bund reichen wird. Das beschäftigt ihn viel mehr. Weil sich Spekulationen hartnäckig halten, dass Angela Merkel ihn dann als Verteidigungsminister nach Berlin holen würde? Schönbohm antwortet vielsagend: „Nichts ist unmöglich.“ Dann fährt er nach Berlin, wo er an diesem Abend bleiben wird. Und wo er gleich zweimal bittere Pillen schlucken muss: keine Mehrheit für Schwarz-Gelb im Bund und ein miserables Bundestags-Wahlergebnis für seine märkische CDU.

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