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Brandenburg: „Hallo, Herr Hovi“

In den Machtkampf im Berliner Bund der Steuerzahler wurde die Staatsanwaltschaft eingeschaltet

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Berlin - „Ihnen viel, viel Erholung und Freude am Wochenende.“ Dieser Abschluss einer E-Mail hat einen ebenso vertrauten Klang wie die Formulierung in einer weiteren: „Es wäre schön, wenn wir morgen miteinander telefonieren können.“ Solche leger gehaltenen Mitteilungen sind zwar grundsätzlich nicht ungewöhnlich.

Doch in diesem Fall ist der Empfänger der Berliner Staatsanwalt Tarvo Hovi – und die Verfasserin gehört zu dessen wichtigsten Zeugen in einem prominenten Ermittlungsfall: Dem Untreueverdacht gegen den Vorstandsvorsitzenden des Berliner Bundes der Steuerzahler (BdSt), Günter Brinker, und dessen Verwaltungsratschef. Die Nähe, die die Zeugin Angelika S. offenbar zu dem Ermittler empfindet, klingt aus diversen E-Mails, die jovial mit der Anrede beginnen: „Hallo Herr Hovi“...

Im Februar hatten Ermittler die Büroräume des BdSt sowie die Wohnung Brinkers durchsucht und kistenweise Unterlagen beschlagnahmt. Der Vorwurf: Brinker habe sich illegal Geld aus der Vereinskasse zukommen lassen und in mehreren anderen Fällen Untreue begangen. Der Fall ging durch die Medien und beschädigte den BdSt ebenso wie Brinker, der die Vorwürfe bestritt.

Die Ermittler hofften auf einen schnellen Erfolg. In ihren Unterlagen taucht nur wenige Tage nach der Durchsuchung der Hinweis auf, dass „die Anklageerhebung auf Mitte März geplant ist“. Dazu ist es bis heute nicht gekommen.

Nach Aktenlage steckt hinter der Vereinskrise ein von außen kaum zu durchschauender Bürostreit. Diese interne Angelegenheit ist zu einem mit allen Mittel geführten Kampf um die Führung im BdSt ausgeufert.

Die Kritiker werfen Brinker vor, den Verein wie einen Selbstbedienungsladen geführt zu haben. Ihnen kommen die Ermittlungen entgegen. Doch die Staatsanwälte - die Anzeigen nachgehen müssen - lassen sich mit dem Fall viel Zeit. Brinkers Anwalt Gerd Stübing hält eine Einstellung des Verfahrens für „längst überfällig“. Brinker selber fragt sich, ob sich die Ermittler mit dem schleppenden Vorgang an ihm rächen wollen, weil er sie im Berliner Bankenskandal oft wegen Untätigkeit kritisiert hat.

Anlass für die Anzeige gegen Brinker war offenbar eine Verwaltungsratswahl im Oktober 2004. Damals wollte eine Gruppe von Mitgliedern die alte Führung entmachten. Beide Seiten haben angeblich versucht, vor der Wahl Unterstützer in den BdSt zu schleusen. Der Angriff auf Brinker blieb erfolglos. Seitdem hat sich eine „Aktivengruppe: Brinker & Co. müssen weg!“ mit einem Kern von 30 Personen gebildet, bestehend aus marginalisierten Ex-Funktionären, Ex-Mitarbeitern und anderen Mitstreitern.

Mit Informationen aus ihren Reihen ging der Justiz-Amtmann bei der Generalstaatsanwaltschaft, Ulf M., zu Oberstaatsanwalt Claus-Peter Wulff, dessen Vorgehensweise im Bankenskandal von Brinker oft kritisiert worden war. Wulff verwies M. an Oberstaatsanwalt Bernhard Brocher - auch er ist Ermittler im Bankenskandal. Schließlich landete der Fall bei Hovi.

Einige Beschuldigungen stellten sich schnell als eindeutig falsch heraus. Etwa die Behauptung, Brinker habe für rund 100 000 Euro eine Altersversorgung in Form von Fonds erhalten. Staatsanwalt Hovi bemerkte zu einer Vielzahl von Vorwürfen, es gebe vorläufig „keinerlei Anhaltspunkte für die Begehung von Straftaten“.

Der Kernverdacht der Ermittler lautete, Brinker habe sich über zu hohe Vergütungen bereichert. Laut Durchsuchungsbeschluss geht es um den Verdacht, Brinker habe daran mitgewirkt, sich selber im Jahr 2001 eine unzulässige Altersversorgung in Höhe von einmalig 72 000 Euro zu gewähren. Tatsächlich ging es nur um 72 000 D-Mark. Dieses zusätzlich zu monatlichen Bezügen gezahlte Geld war ein Ausgleich dafür, dass Brinker zwei Jahre lang die Arbeit eines schwer erkrankten, hauptamtlichen Geschäftsführers (Jahreseinkommen: gut 100 000 Mark) übernommen hatte. Der Verwaltungsrat hat der Zahlung ebenso zugestimmt wie eine Mitgliederversammlung.

Über diese Vorwürfe haben sich die Ermittler nach mehr als einem Jahr noch immer keine Klarheit verschafft – trotz Zeugenvernehmungen und dem Vorliegen relevanter Unterlagen. Das gleiche gilt für Beschuldigungen, Brinker habe etwa mit rund 4000 Euro brutto monatlich (etliche BdSt-Landeschefs verdienen deutlich mehr) zu hohe Bezüge erhalten, er habe mit 8700 Euro aus BdSt-Mitteln eine Ausstellung zum Berliner Bankenskandal (an der einer der Autoren beteiligt war) mitfinanziert oder sich über eine Parkvignette für 50 Euro im Jahr bereichert.

Während die Ermittler den Verdacht gegen einen ihrer schärfsten Kritiker prüften, kümmerte sich die ehemalige BdSt-Mitarbeiterin Angelika S. um den Staatsanwalt. In einer E-Mail schrieb sie etwa: „Hallo Herr Hovi, zum Wochenende ein paar Gesetzestexte, die vielleicht hilfreich sind.“ Günter Brinker will nicht wieder für den Posten des Vorstandschefs kandidieren. Am Mittwoch wird der Verwaltungsrats des Berliner BdSt neu gewählt. Am 15. November erhielt der Verein eine Vorschlagsliste für die Wahl. Darauf fand sich der Name des anzeigenden Justiz-Amtmannes M. – für ihn selbst angeblich unerklärlich. Einen Aufnahmeantrag in den BdSt hat er wieder zurückgezogen. Auf der Liste taucht auch der Lebensgefährte von Angelika S. auf, ebenso wie eine Reihe der wichtigsten Zeugen der Ermittler im Fall Brinker.

Mathew D. Rose, Olaf Jahn

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