BER-Desaster: Händler müssen draußen bleiben
Der BER sollte auch die Zukunft vieler Unternehmer und ihrer Angestellten sichern. Die neuen Terminschwierigkeiten bringen so manchen in Existenznot.
Stand:
Berlin/Potsdam - Nachdem Karsten Schulze die schlechte Nachricht vom erneut verschobenen Flughafenstart erst einmal richtig verarbeitet hat, will er gar nicht mehr mit dem Schimpfen aufhören. „Wir haben uns darauf verlassen, dass man uns nicht noch mal belügen wird“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter des Spandauer Bausreiseunternehmens Haru Reisen OHG. Eigentlich wollte das Familienunternehmen längst mit drei eigens angeschafften Reisebussen im Linienverkehr zwischen dem Steglitzer Kreisel und dem BER in Schönefeld pendeln. Dann platzte im vergangenen Jahr überraschend die für den 3. Juni beplante Inbetriebnahme des Airports wegen Mängeln beim Brandschutz. Nun ist auch der zwischenzeitlich angesetzte Eröffnungstermin 27. Oktober 2013 trotz gegenteiliger Beteuerungen Geschichte, weil die zuständige Flughafengesellschaft das Brandschutzproblem einfach nicht in den Griff bekommt. Für Karsten Schulze und viele andere Unternehmer aus Berlin und Brandenburg, die vom Wirtschaftsmotor BER profitieren wollen, ist das ein erneuter Tiefschlag, der mittlerweile Existenzen bedroht.
„Ich frage mich, wofür der Flughafen-Geschäftsführer eigentlich sein Geld bekommt, denn Verantwortung trägt er ja offensichtlich nicht“, ärgert sich Schulze. Während „die Protagonisten weiter mit stolzgeschwellter Brust herumrennen, als wäre nichts gewesen“, befinde sich sein Unternehmen plötzlich in einer prekären Situation. Insgesamt rund 800 000 Euro hat das Unternehmen in die drei Busse investiert, sie extra mit jeweils einem Behindertenlift ausstatten lassen. Jetzt stehen sie nur herum. „Die werden ja nicht besser“, klagt der Spandauer Geschäftsmann. Den Wertverlust bei Verkauf schätzt er auf zusammen 150 000 Euro. Deshalb stehe die Firma vor der entscheidenden Frage: mit Verlust verkaufen oder weiter durchhalten? „Aber ohne endgültigen Termin? Schließlich beobachten auch die Hausbanken die Entwicklung“, meint Schulze.
Beatrice Posch muss die möglichen Folgen der erneuten Verschiebung für ihr Geschäfts erst einmal kalkulieren – noch ist sie einfach nur geschockt. „Ich habe die Nacht sehr schlecht geschlafen“, berichtet die Inhaberin zweier Spielzeugläden in Berlin mit dem Namen „Die kleine Gesellschaft“. Auch im BER-Terminal will Posch in einem 60 Quadratmeter großen Laden Spielzeug verkaufen. Fünf zusätzliche Verkäuferinnen hatte sie deshalb bereits eingestellt, aber nach der Eröffnungsabsage im vergangenen Jahr wieder entlassen müssen. „Die fünf haben Gott sei Dank eine Zwischenlösung gefunden. Aber die wollen auch wissen, wann es losgeht. Irgendwann werde ich ja selbst unglaubwürdig“, sagt Posch.
Mehrere Zehntausend Euro hat die Spielzeugladenchefin eigenen Angaben zufolge in den Laden am Flughafen investiert. „Seit Anfang Mai 2012 ist er fix und fertig eingerichtet“, berichtet Posch. Doch statt Einnahmen hat die Unternehmerin nur Kosten. Neben den Stornogebühren für bereits bestellte Ware belasten auch die Verpflichtungen gegenüber ihrer Bank die Bilanz des Unternehmens. Zu allem Überfluss muss Posch jetzt auch noch ihren ganzen Laden wieder ausräumen. „Mir wurde gesagt, dass die Decke ganz oder wenigstens teilweise wieder herausgenommen werden muss. Wegen der Arbeiten an der Brandschutzanlage, heißt es.“ Bislang hat die Flughafengesellschaft alle Forderungen nach Schadensersatz an sich abperlen lassen. „Es gibt kein Geld, heißt es jedenfalls bislang“, bestätigt Bruno Pellegrini, Inhaber des italienischen Restaurants „Ana e Bruno“ in Charlottenburg. In seinem neuen Bistro im BER-Terminal wollte Pellegrini bis zu 150 Gäste bewirten. Jetzt steht für den Wirt alles infrage. Nachdem er am Sonntagabend in den Nachrichten von der erneuten Verschiebung gehört hatte, habe er sich am Montagmorgen gleich mit seinen Banken und seinem Anwalt zusammengesetzt. Noch sitze der Schock zu tief, aber eine Entscheidung müsse er bald treffen. „Entweder aus dem Projekt aussteigen oder aber klagen“.
Goedele Matthyssen und ihr Partner Peter Bienstman von der Confiserie Felicitas in Hornow (Landkreis Spree-Neiße) haben sich schon entschieden. Ihre Pralinen- und Schokoladenspezialitäten, die unter anderem auch in Filialen in Potsdam und Dresden verkauft werden, sollten eigentlich auch in dem Laden eines Vertriebspartners am Flughafen BER angeboten werden. Um den Nachschub sicherzustellen, wollten Matthyssen und Bienstman in diesem Jahr für rund fünf Millionen Euro ihre Produktion ausbauen. „Jetzt werden wir das Projekt verschieben und verkleinern“, sagt die Confiserie-Chefin. Zudem lagern auf dem Dachboden des Unternehmens noch extra angefertigte Verpackungen im Wert von 180 000 Euro. „Unser schlafendes Kapital. Das kann wenigstens nicht schlecht werden“, sagt Matthyssen scherzhaft. Doch lustig findet sie das Flughafen-Thema längst nicht mehr.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: