Brandenburg: Hauen und Stechen
Vor dem Rücktritt Jörg Schönbohms fällt die CDU wieder in die Zeit der Grabenkämpfe zurück
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Potsdam – War etwas? Sven Petke stellt sich in diesen Tagen und Wochen gern und wo immer er eingeladen wird der „Parteibasis“. Mal ist er in Ortsvereinen der Lausitz unterwegs, mal im Havelland oder in der Stadt Brandenburg. Petke spricht dann ausführlich über die notwendige programmatische Erneuerung der märkischen CDU, mit der er seine Kandidatur für den Parteivorsitz begründet. Und über sein Lieblingsthema: Das „20-Prozent-Loch“, aus dem die CDU Brandenburg endlich heraus muss.
Nur über die E-Mail-Affäre, die dem smarten 38-Jährigen das Amt des Generalsekretärs kostete, spricht er kaum, was man sogar verstehen kann: Unangenehmes wird gern verdrängt. Wundern muss man sich allerdings, dass sich an der Basis kaum ein Christdemokrat dafür zu interessieren scheint, so wie dieser Tage bei einem Auftritt Petkes in Werder: Kein Aufklärungsbedarf im Ortsverein, keine kritischen Nachfragen, stattdessen demonstrative Solidaritätserklärungen wie etwa von der CDU-Kreischefin Saskia Funck oder dem Werderaner Bürgermeister Werner Große – sie immerhin parlamentarische Geschäftsführerin der Landtagsfraktion, er Präsident des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg.
Mag sein, dass der Kreis Potsdam-Mittelmark eine besonders starke Bastion von Petke-Getreuen ist. Aber die Werderaner Szenen scheinen symptomatisch für den Zustand, für Ansprüche und Maßstäbe der märkischen Union zu sein: Man spricht viel von Werten, hält Tugenden wie Integrität, Loyalität, Toleranz, aber nicht besonders hoch. Trotz nachgewiesener, von einer internen CDU-Kommission bestätigter Datenschutzverstöße in der Landeszentrale, trotz des weiter im Raum stehenden Vorwurfs des Ausspähens führender Christdemokraten und Minister, geht man in der Partei erstaunlich schnell zur Tagesordnung über. Ganz so, als sei es völlig normal, dass einer, der im Mittelpunkt einer Bespitzelungs-Affäre steht, gegen den womöglich die Staatsanwaltschaft ermitteln wird, nur einen Tag nach seinem erzwungenen Abtritt für das höchste Parteiamt antritt. Was dann auch noch von einigen Kreischefs oder der Vize-Parteichefin und früheren Justizministerin Barbara Richstein öffentlich begrüßt wird. Das seltsame Argument der Juristin: Es sei doch nichts bewiesen.
Aber was ist schon normal in der Brandenburger CDU, die seit 1990 so viele Tiefpunkte erlebte, dass man sie nicht alle aufzählen kann. Die viele Jahre als schlechteste CDU Deutschlands galt, mit den miserabelsten Wahlergebnissen bundesweit, weil sie sogar als Opposition eine Lachnummer war. In der es immer wieder ein Hauen und Stechen um die Macht gab und in nur acht Jahren – bevor Jörg Schönbohm 1999 seinen Job als Innensenator in Berlin aufgab und das Ruder übernahm – schon sieben Parteichefs verschlissen wurden. Und die nun dabei ist, auch den Mann zu demontieren, dem sie ihre Regierungsfähigkeit letztlich zu verdanken hat. Jüngstes Beispiel: Der Landesvorstand ließ am Freitag Fraktionschef Thomas Lunacek, den Schönbohm kommissarisch zum Generalsekretär machen wollte, durchfallen.
Rational erklären kann man das alles nicht, aber manches ist auffällig am Kommen und Gehen der Parteichefs: der Mangel an profilierten Köpfen. Lothar de Maiziere hätte die märkische Union vielleicht erfolgreich führen können. Aber der letzte Regierungschef der DDR musste wegen Stasi-Vorwürfen schon bald nach seiner Wahl den Hut nehmen. Herbert Schirmer, der letzte DDR-Kulturminister, warf angefeindet frustriert das Handtuch. Überhaupt sorgte zumindest in den Anfangsjahren ein merkwürdiger Ost-West-Konflikt mit ganz eigenen Gesetzen für Schlagzeilen: Das bekam auch das „Ostgewächs“ Angela Merkel zu spüren, die 1991 gegen den „Westimport“ Ulf Fink kandidierte – die Lieblingsministerin von Kanzler Helmut Kohl verlor. Aber auch der Vorsitzende Fink scheiterte wegen der Dauer-Querelen. Den eingefleischten „Blockflöten“ der Ost-CDU waren die nach vorn drängende „Aufbauhelfer“ aus dem Westen nicht geheuer. Vorsitzende aus den eigenen Reihen wie die Lehrerin Carola Hartfelder oder der Kinderarzt Peter Wagner waren im Grunde zu unerfahren, zu unpolitisch, genossen zu wenig Autorität, verstrickten sich bald in Intrigen und Machtkämpfe. Es ist schon bemerkenswert: In der nach der Wende neu gegründeten SPD gab es vergleichbare Querelen nie. Dann kam Jörg Schönbohm – ohne Frage der richtige Vorsitzende zur richtigen Zeit: Der Ex-General – machtbewusst, gradlinig, konsequent – richtete die am Boden liegende Partei wieder auf, schaffte es auf Anhieb, die absolute Mehrheit der SPD zu brechen und mit ihr zu regieren. Durchaus erfolgreich: Schönbohm setzte als Innenminister wichtige Reformen durch. Lange Zeit sah es auch so aus, als habe er es tatsächlich fertig gebracht, aus der CDU eine andere Partei zu machen: Keine Querelen und Intrigen, keine Grabenkämpfe mehr – die Partei sonnte sich im Glanze Schönbohms. Der führte die Partei mit straffem Zügel als „One-Man-Show“. Seine Autorität war so groß, dass er die Flügel und notorischen Störenfriede integrieren konnte. Bei der Kommunalwahl 2003 wurde die CDU sogar stärkste Partei – Schönbohms Zenit. Damals schien ein Sieg bei der Landtagswahl 2004 in greifbarer Nähe. Schönbohm jedenfalls wollte Ministerpräsident werden. Doch die Union wurde mit 19,7 Prozent nur drittstärkste Kraft – hinter der PDS. Damals begannen Ernüchterung und Grummeln in der Partei, wurden erste Fragen gestellt: Wie weiter? Nach der Niederlage der CDU bei der Bundestagswahl 2005 mündete die Unzufriedenheit in offener Kritik an Schönbohm. Viele gaben ihm die Mitschuld an dem Desaster: Mit seiner kurz vor der Wahl geäußerten These von der Proletarisierung der Ostdeutschen – im Zusammenhang mit dem vielfachen Babymord in Frankfurt (Oder) – hatte er im Osten einen Proteststurm ausgelöst.
Um die Gemüter zu beruhigen, kündigte Schönbohm seinen Rückzug als Parteichef für 2007 an – viel zu früh. Ein Fehler, wie er heute eingesteht. Denn damit gab er den Startschuss für den Macht- und Richtungskampf. Freilich erklärt dieser nicht das abgrundtiefe Misstrauen, den Hass, die Schläge unter die Gürtellinie, die das Klima in der CDU bestimmen.
Dass es wieder soweit gekommen ist, hängt mit der Geschichte der Partei zusammen, bestimmt auch mit der Qualität des Personals. Natürlich spielen Animositäten und nicht beglichene alte Rechnungen eine Rolle. Neue Verletzungen sind hinzugekommen. So mancher fühlt sich zu höherem berufen. Aber es ist auch nicht zu übersehen, dass es wie in alten Zeiten keinen wirklich starken und allseits akzeptierten Kandidaten für den Parteivorsitz gibt. Der 38-jährige Sven Petke hat Biss, ist vielen aber zu intrigant, zu durchtrieben und auf sein eigenes Fortkommen fixiert.
Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns wiederum wird menschlich geschätzt, ist aber politisch konturlos, keiner, dem man zutraut, eine schwierige Partei mit starker Hand aus der Krise zu führen. Er ist ein Stellvertreter-Typ. Das umständliche Funktionärsdeutsch der Bauernpartei, einem SED-Ableger, hat ihr letzter Vorsitzender bis heute nicht ablegen können. Liest man die floskelhaften Interviews, die Junghanns nach Bekanntgabe seiner Kandidatur gab, überrascht schon, wie unzureichend sich der Kronprinz Schönbohms offenbar auf die Nachfolge vorbereitet hat.
Wirklich überzeugend ist jedenfalls keiner von beiden, was paradoxerweise zur Verfestigung der Fronten in der Partei beiträgt. Wie der Machtkampf auch ausgeht, wer die Wahl auch gewinnen wird, es steht zu befürchten, dass die Brandenburger CDU der Verlierer sein wird. Ruhe wird nicht einkehren.
Michael Mara
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