
© Theo Heimann/dapd
Brandenburg: Haus der Spuren
Vor 20 Jahren wurde durch einen Brandanschlag von Neonazis die jüdische Baracke im ehemaligen KZ Sachsenhausen zerstört
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Oranienburg - Die Besucher laufen andächtig zwischen den Grundrissen der Baracken auf dem Gelände des „Kleinen Lagers“ im ehemaligen KZ Sachsenhausen bei Oranienburg umher. Nur noch wenige Gebäude sind an dieser Stelle erhalten. Auf zwei davon zeigt Günter Morsch, der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, die Baracken mit den Nummern 38 und 39. Der hintere Flügel der 38, der sogenannten jüdischen Baracke, fällt besonders auf. Er hat keine Fenster. Er ist auch nicht aus Holz, sondern aus dunklem Metall, fast ganz in schwarz. Vor 20 Jahren sah dieser Gebäudeteil noch aus wie alle anderen.
Doch in der Nacht zum 26. September 1992 steckten jugendliche Neonazis aus Oranienburg die jüdische Baracke in Brand. Der hintere Flügel brannte völlig aus. Das Feuer griff auch auf den vorderen Flügel sowie auf die Nachbarbaracke 39 über. Die Brandspuren sind noch heute gut sichtbar. 20 Jahre nach dem Anschlag veranstaltet die Gedenkstättenstiftung am 12. und 13. Oktober eine Konferenz mit dem Titel „Rechtsextremismus in Brandenburg. Rückblicke, Bestandsaufnahme und Perspektiven.“ „Das war ein gezielter antisemitischer Anschlag, bis dahin der schwerste Vorfall dieser Art in Brandenburg und sicherlich eine Reaktion auf den Besuch Itzhak Rabins“, sagt Morsch. Nur zehn Tage vor der Tat hatte der damalige israelische Ministerpräsident die Gedenkstätte besucht und dabei auch die jüdische Baracke besichtigt.
Am Morgen des 26. September 1992 waren davon nur noch die verkohlten Grundmauern übrig.
Uwe Koch, seinerzeit Referatsleiter für Erinnerungskultur im brandenburgischen Kulturministerium, fuhr noch am Vormittag in die Gedenkstätte. Polizisten, Mitarbeiter und der Innenminister liefen umher, es gab ein wildes Durcheinander. „Sehr schnell hatten wir die Vermutung, dass es sich um eine rechtsextremistisch motivierte Tat handelte“, erinnert er sich.
Fast 10 000 Menschen versammelten sich wenige Tage später auf einer Großkundgebung auf dem Gelände, um gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. Die internationale Aufmerksamkeit, vor allem in Israel, war enorm. „Das war natürlich ein politisch hochsensibles Thema. Wir mussten zeigen, dass wir die Aufarbeitung ernst nehmen“, sagt Koch und meint damit vor allem die thematische Aufarbeitung des Nationalsozialismus in den Gedenkstätten des Landes Brandenburg.
Unmittelbar nach dem Anschlag begannen Überlegungen, was fortan mit der Brandruine geschehen sollte. „Die strittige Frage war: Rekonstruktion der ursprünglichen Baracke, oder soll etwas völlig Neues entstehen?“, erklärt Morsch. Architekten und Künstler wie Daniel Libeskind reichten Entwürfe für Denkmäler ein. „Letzten Endes haben wir uns aber gegen ein künstlerisches Konzept entschieden“, sagt der Direktor. So wurde ein Gebäude errichtet, das die äußere Form der ursprünglichen Baracke andeutet.
Innen entstand in Zusammenarbeit mit ehemaligen jüdischen Häftlingen und dem Zentralrat der Juden ein Jüdisches Museum, das im Jahr 1997 eröffnet wurde. Die Brandspuren wurden nicht beseitigt, sondern unter Glas gesetzt. Sie sollen den Besucher auf die Präsenz von rechtsextremem Gedankengut in Deutschland aufmerksam machen.
Ein halbes Jahr nach dem Anschlag wurden zwei Tatverdächtige festgenommen: Die damals 19 und 22 Jahre alten Neonazis Ingo K. und Thomas H. standen weitere sechs Monate später vor Gericht. Die Beweislage war dünn. Die Angeklagten wurden freigesprochen. Morsch hat jeden Prozesstag begleitet: „Die Empörung war natürlich riesig.“ Vorwürfe gegen die Ermittler wurden laut: Ein Brandgutachter sei zu spät bestellt worden, wichtige Spuren hätten nicht gesichert werden können. In einem weiteren Prozess im Jahr 1995 werden K. und H. dann zu zweieinhalb bzw. drei Jahren Haft verurteilt. Psychiatrische Gutachten erklärten den sprachbehinderten Ingo K. jedoch für debil. Dass die beiden Verurteilten die Tat allein geplant und ausgeführt haben, daran glaubte kaum jemand. Matthias Arnold
Matthias Arnold
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