Brandenburg: Heimweh
Nach Jahren im Westen kehren immer mehr Ostdeutsche zurück. In manche Regionen Brandenburgs aber will niemand mehr
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Potsdam - Wegen der besseren beruflichen Perspektive haben sie ihre Heimat verlassen, nun kommen sie zurück – nehmen dafür sogar Einbußen beim Einkommen inkauf. Einer aktuellen Studie des Leibniz-Instituts für Länderkunde aus Leipzig zufolge ziehen nicht nur immer weniger Ostdeutsche auf der Suche nach besser bezahlten Jobs in den Westen, sondern es kommen auch immer mehr Ausgewanderte zurück. Demnach sind zwischen 2005 und 2009, gemessen an der Zahl der Abgewanderten, im Schnitt 8,5 Prozent einst ausgewanderte Ostdeutsche wieder in die neuen Bundesländer zurückgezogen. Noch zwischen 2001 und 2005 lag die sogenannte Rückkehrrate der Studie zufolge bei 5,8 Prozent. Gleichzeitig ging die sogenannte Abwanderungsrate, also das Verhältnis zwischen im Osten gemeldeten und abgewanderten Arbeitnehmern, um ein Prozent auf durchschnittlich 1,5 Prozent zurück.
Von dem Trend „Zurück in die Heimat“ profitieren laut den Autoren allerdings fast ausschließlich die ländlichen Regionen – auch in Brandenburg. Insgesamt verzeichneten im Osten 15 Kreise und kreisfreie Städte positive Rückkehrraten von zehn Prozent und mehr, darunter auch der Landkreis Oberhavel als Spitzenreiter in Brandenburg. Ebenfalls überdurchschnittliche Rückkehrraten von mehr als neun Prozent errechneten die Leipziger Forscher unter anderem für die brandenburgischen Kreise Prignitz, Ostprignitz-Ruppin und Oberspreewald-Lausitz. Deutlich schlechter schnitten lediglich die beiden Kreise Spree-Neiße und Uckermark ab. Die niedrigsten Rückkehrraten in ganz Ostdeutschland verbuchten der Untersuchung zufolge unter anderem Frankfurt (Oder) und Cottbus. In beiden brandenburgischen Städten beträgt das Verhältnis aus abgewanderten und zurückgekehrten Arbeitnehmern weniger als sechs Prozent. Zudem hat zumindest die Lausitzstadt auch nach wie vor noch mit erheblichen Verlusten zu kämpfen. Dort liegt die Abwanderungsquote mit gut zwei Prozent deutlich über dem ostdeutschen Durchschnitt. Insgesamt aber, auch das zeigt die Untersuchung des Leibniz-Instituts, fiel die Abwanderung aus Brandenburg im Vergleich zu den Verlusten anderer ostdeutscher Länder deutlich milder aus.
Angesichts des im Osten in vielen Branchen drohenden Fachkräftemangels hofft auch die brandenburgische Landesregierung auf eine steigende Zahl an Rückkehrern. Vor allem in der Pflege, dem Gesundheitswesen, aber auch im Maschinenbau und sogar im Tourismus wird es vielerorts immer schwerer, geeignete Mitarbeiter zu finden. Laut den Leipziger Wissenschaftlern stammen viele der Rückkehrer aus gesuchten Berufsgruppen wie Ingenieure, Chemiker, Physiker oder Mathematiker. Ärzte und Krankenschwester sind dagegen kaum dabei.
Vor rund drei Jahren haben die Länder Berlin und Brandenburg die Berdarfslücke analysieren lassen. Der gemeinsamen Fachkräftestudie zufolge werden im Jahr 2015 demnach voraussichtlich 273 000 Arbeitsplätze nicht besetzt werden können. Im Jahr 2020 sollen es 362 000 und 2030 voraussichtlich sogar 460 000 Arbeitsplätze sein, für die geeignete Bewerber fehlen. Gründe für den Fachkräftemangel sind der allgemeine demografische Wandel, aber auch die anhaltende Abwanderung von Hochschulabsolventen. Angaben des brandenburgischen Arbeitsministeriums zufolge verlassen rund 70 Prozent aller Studierenden nach ihrem Abschluss das Land.
Um möglichst viele einst ausgewanderte Brandenburger von den Vorzügen und Möglichkeiten einer Rückkehr zu überzeugen, hat die Landesregierung im Herbst 2012 eine entsprechende Internetseite freigeschaltet. Dabei soll das „Fachkräfteportal Brandenburg“, so der Name des Onlineangebots, nicht nur über freie Arbeitsstellen informieren, sondern auch mit der im bundesweiten Vergleich guten Kinderbetreuung, der Forschungslandschaft und den Freizeitangeboten werben. Sogar Pferdehöfe und Golfplätze können angeklickt werden.
Arbeitsminister Günter Baaske (SPD) ist mit der Resonanz bislang zufrieden. „Ich bekomme sehr viel Post von Menschen, denen das Fachkräfteportal bei ihrer Entscheidung geholfen hat“, so Baaske. Allein im November wurde dem Ministerium zufolge die Internetseite 7800-mal aufgerufen, in mehr als 72 Prozent der Fälle handelete es sich um einen Erstbesuch. Außer in Berlin und Brandenburg wurde das Portal mit 398-mal am häufigsten in Nordrhein-Westfalen angeklickt. Aus Bayern wurde dagegen 172-mal auf das Fachkräfteportal zugegriffen, aus Hamburg 108-mal. 80 Besuche lassen sich in Polen verorten.
Aus Baaskes Sicht ist die Fachkräftesicherung aber auch eine Frage wettbewerbsfähiger Löhne: „Wer gut qualifiziert ist, will zu Recht auch gut verdienen.“ Die Untersuchung der Leipziger Forscher zeigt aber auch, dass die Frage des Verdienstes für die meisten Rückkehrer nebensächlich ist. Für die Studie wurden im vergangenen Jahr 400 ostdeutsche Ab- und Rückwanderer online nach den Gründen für ihre jeweilige Entscheidung gefragt. Demnach waren für die Zurückgekehrten neben den allgemeinen Lebensumständen die eigene Familiensituation und die Nähe zu Freunden besonders wichtig. Allerdings äußerten 85,3 Prozent die Befürchtung, dass die Lage am Arbeitsmarkt die Rückkehr erschweren werde und sich die eigenen wirtschaftliche Situation verschlechtern könnte. „Trotz verbesserter Lage scheint der ostdeutsche Arbeitsmarkt Rückkehrer auch gegenwärtig noch in besonderer Weise herauszufordern, da die Arbeitsmarktsituation in Ostdeutschland weiterhin als größtes Problem bei der Rückkehr wahrgenommen wird“, lautet das Fazit der Autoren.
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