Brandenburg: Heiße Herzen sind nicht alles
Haben Brandenburgs früherer Gesundheitsstaatssekretär Detlev Affeld und zwei weitere Spitzenbeamten aus dem Sozialministerium gegen das Gesetz verstoßen, als sie Steuergelder in Millionenhöhe am Parlament vorbei für fragwürdige "Modellprojekte" bewilligten oder auf schwarzen Konten parken ließen? Der Straftatbestand der Untreue ist unter zwei Voraussetzungen erfüllt: wenn die Angeklagten dem Land objektiv geschadet haben und wenn sie dem Land vorsätzlich schaden wollten.
Haben Brandenburgs früherer Gesundheitsstaatssekretär Detlev Affeld und zwei weitere Spitzenbeamten aus dem Sozialministerium gegen das Gesetz verstoßen, als sie Steuergelder in Millionenhöhe am Parlament vorbei für fragwürdige "Modellprojekte" bewilligten oder auf schwarzen Konten parken ließen? Der Straftatbestand der Untreue ist unter zwei Voraussetzungen erfüllt: wenn die Angeklagten dem Land objektiv geschadet haben und wenn sie dem Land vorsätzlich schaden wollten. Nach eineinhalbjähriger Verhandlung ist die Geduld aller Beteiligten erschöpft. Doch war dieser Prozeß nötig und sinnvoll. Womöglich hatte er sogar abschreckende Wirkung.Das Verfahren ist politisch brisant. Unsichtbar sitzt die brandenburgische Sozialministerin Regine Hildebrandt mit auf der Anklagebank, obwohl die Ermittlungen gegen sie in dieser Sache eingestellt wurden. Würden tatsächlich zum ersten Mal in der Bundesrepublik hohe Staatsdiener für den laxen Umgang mit Steuergeldern verurteilt, wäre dies ein Signal. In Brandenburg brächte es die regierenden Sozialdemokraten kurz vor der Wahl in Schwierigkeiten, zumal Hildebrandt einräumte, daß der Ministerialapparat umgesetzt hat, was sie politisch durchsetzen wollte. Egal wie, "meinetwegen auch bis an den Rand der Legalität".Aber es sieht nicht danach aus, daß sich die SPD-Wahlstrategen darauf einstellen müßten. Vielmehr werden die Zweifel immer lauter, ob die Staatsanwaltschaft in diesem "Pilotverfahren" wirklich klug und professionell agierte. Als fatal könnte sich erweisen, daß die Anklagebehörde Ermittlungsverfahren gleich gegen das halbe Hildebrandt-Ministerium eingeleitet hat, als wäre es eine verzweigte kriminelle Organisation. Das hat dort nicht nur eine Art Korpsgeist befördert, der bis heute einen selbstkritischen Umgang mit den Affären verhindert. Die vierzig Beamten, die als Zeugen zur Aufklärung hätten beitragen können, durften als Beschuldigte die Aussage verweigern.So hat die einst siegessichere Staatsanwaltschaft den Rückzug angetreten: Sie fordert nur noch moderate Bewährungsstrafen, entschärft die ursprüngliche Anklage, stellt das Hildebrandt-Ermittlungsverfahren ein. Aber wie das Gericht auch immer entscheiden mag: Juristische und politische Verantwortung sind nicht identisch. Daran muß offenbar erinnert werden, wie die triumphierenden Kommentare aus der Regierung nach der Einstellung des Hildebrandt-Verfahrens zeigen. Stolpe erklärt, nach seinem "Rechtsempfinden" dürfe niemand bestraft werden, der mit "heißem Herzen" helfen will. Aber der gute Zweck kann im Rechtsaat nicht jedes Mittel heiligen.Die juristische Aufarbeitung der jahrelang betriebenen systematischen Haushalts-Verstöße im Sozialministerium hatte allerdings einen fatalen Nebeneffekt: Die politische Aufarbeitung ist quasi ausgeblieben. Der Landtag sah wegen der schwebenden Verfahren seine Hände gebunden. Einen Untersuchungsausschuß gab es nicht. Im Sozialministerium selbst führt die Treppe der Verantwortung inzwischen nur noch vom Ex-Staatssekretär an abwärts. Die Vorgänge, über die längst Gras wächst, liegen Jahre zurück. Es kann durchaus passieren, daß die Millionen-Schlampereien am Ende weder politische noch rechtliche Konsequenzen haben werden. Insofern war für Sozialministerin Regine Hildebrandt der verhaßte Affeld-Prozeß womöglich das Beste, was ihr passieren konnte. War was in Brandenburg?