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Selten geworden. Mit lautem trr-lit steigen Feldlerchen in den Himmel. Ihr Bestand ist seit 1995 um ein Drittel zurückgegangen.

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Brandenburg: Himmel ohne Lerchen

Jede zehnte Tier- und Pflanzenart droht auszusterben. Die Landesregierung will gegensteuern – vor allem in der Landwirtschaft

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Potsdam - Joseph von Eichendorffs Müllersohn jubelte noch mit vollem Herzen, als er in die Ferne loszog. „Über mir unzählige Lerchen in der klaren blauen Luft!“ Was der romantische Schriftsteller in seiner 1826 erschienenen Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erzählt, wäre heutzutage völlig übertrieben. Feldlerchen sind bundesweit immer seltener zu sehen. Ihr Bestand ging auch in Brandenburg seit 1995 um 34 Prozent zurück. Und das ist längst nicht die einzige Negativnachricht aus Fauna und Flora, die Umweltministerin Anita Tack (Linke) am Mittwoch bekannt gab. „Jede zehnte Tier- und Pflanzenart ist vom Aussterben bedroht“, sagte sie. Zugleich stellte Tack ein Programm vor, mit dem die Landesregierung den Rückgang stoppen und die biologische Vielfalt fördern will.

Dazu gehört vor allem ein Umsteuern in der Landwirtschaft. Entschieden warnt das Ministerium vor einem weiteren Ausbau der riesigen Monokulturen von Energiepflanzen wie Mais- und Raps zur Erzeugung von Biogas und Kraftstoff. Auch der übermäßige Einsatz von Pestiziden wird als Hauptgefahr für die sogenannte „Biodiversität“ genannt. Nahezu jede zweite typische Vogelart der Agrarlandschaft sei bereits stark gefährdet und rückläufig, vor allem wegen des „ausgeweiteten Energiepflanzenanbaues“, heißt es. Denn bei intensiven Monokulturen fehlt die traditionelle Fruchtfolge, es gibt es keine Brachflächen und Stoppelfelder mehr. Auch Rebhühner sind dadurch selten geworden. Ihr Bestand ging seit 1995 um 73 Prozent zurück, beim Kiebitz sind es 60 Prozent. Die Zahl der Feldsperlinge hat sich halbiert.

Brandenburg hält zwar am ökologischen Konzept des Bundes für „erneuerbare Energien“ durch nachwachsende Rohstoffe fest, will aber deren umweltschädlichen Anbau abbremsen. Ziel sind naturfreundliche Methoden. Deshalb unterstützt das Land Versuchsprojekte für mehrjährige Fruchtfolgen bei Energiepflanzen sowie vielfältigere Pflanzenmischungen statt Monokulturen. Neue Ziele setzt sich die Landesregierung auch bei der Förderung des Öko-Landbaues. Der Flächenanteil der Biobauern soll bis 2020 von derzeit elf auf 20 Prozent wachsen. Auch so will man den Einsatz von Pestiziden drastisch reduzieren. Diese sind laut Ministerium maßgeblich schuld „am rapiden Rückgang der Insektenvielfalt“.

Die Grünen im Landtag sind skeptisch. Sie begrüßen zwar das Förderprogramm zur biologischen Vielfalt, sagen aber einen Konflikt mit Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) voraus. Dieser habe den Ökoanbau „lange vernachlässigt“. Tatsächlich ist Brandenburg bei der Förderung von Biobauern bundesweit Schlusslicht. Anderseits wurde das jetzt vorgestellte Programm im April vom Kabinett verabschiedet. Auch der Landwirtschaftsminister ist folglich daran gebunden.

Was steht noch im Maßnahmenkatalog? Beispielsweise die „natürliche Forstentwicklung“. Der Anteil der Wälder, in denen Bäume nicht gefällt werden, sondern zu alten Baumriesen heranwachsen dürfen, soll von 4,1 auf 5 Prozent zunehmen. An den Autobahnen will das Land mehr „grüne Brücken“ bauen, auf denen Wildtiere gefahrlos die Pisten queren können. Das Netz der Flora-Fauna-Schutzzonen soll ausgeweitet und abgesichert werden.

Wie die Zeit drängt, belegt das Ministerium mit weiteren „alarmierenden Rückgängen“. So nehmen die Bestände von 70 Prozent aller Amphibien signifikant ab, darunter Molche und Smaragdeidechse. Auch bei den Pflanzen sei die Situation „kritisch“. Besonders bei Acker-Wildkräutern wie Lämmersalat oder Schwarzkümmel. Für Anita Tack ein weiterer Beweis, dass in der Landwirtschaft umgesteuert werden muss. Christoph Stollowsky

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