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Wirkungslos. Auch die Rückfahrsperren konnten Autodiebe kurz vor der polnischen Grenze bei Forst nicht aufhalten. Innenminister Ralf Holzschuher war fassungslos, dass einer der Täter wieder auf freiem Fuß ist.

© dpa

Brandenburg: Holzschuher und der Zorn der Justiz

Brandenburgs Innenminister hat sich zu einer Justizschelte hinreißen lassen, weil ein Gericht keinen Haftbefehl gegen einen Autodieb verhängte. Die Justiz beklagt Angriff auf die richterliche Unabhängigkeit

Stand:

Potsdam - Brandenburgs Innenminister Ralf Holzschuher (SPD) hat mit seiner Justizschelte wegen angeblich zu laschen Umgangs mit Autodieben und Autoschiebern den Zorn der Richterschaft auf sich gezogen. Die wirft Holzschuher, der selbst Jurist ist und eines der sogenannten Verfassungsministerien führt, einen Angriff auf die im Grundgesetz verankerte richterliche Unabhängigkeit vor.

Der Minister habe die Justiz mit einer dummen Äußerung diskreditiert, sagte ein Richter den PNN. Die Kollegen seien massiv verärgert und ungehalten. Holzschuher habe sich respektlos gegenüber der richterlichen Unabhängigkeit gezeigt. Dabei versuchten die Richter an Brandenburgs Gerichten unter schweren Verhältnissen und bei einer angespannten Personaldecke für eine engagierte Strafverfolgung zu sorgen. „Er tut so, als wären wie die letzten Deppen im Land“, sagte ein Richter. Zudem gehe Holzschuhers Kritik an der Justiz an den Fakten vorbei. „Er muss wissen, dass der Fall anders war als von der Polizei dargestellt“, hieß es.

Auch das von Helmuth Markov (Linke) geführte Justizministerium, das zweite Justizressort, reagierte auf Holzschuhers Schelte – allerdings aus Koalitionsräson zurückhaltend. Eine Ministeriumssprecherin sagte lediglich, Holzschuhers Äußerung in einem Verfahren um zwei Autodiebe sei verwunderlich, da es noch nicht einmal abgeschlossen sei.

Es geht um die Entscheidung einer Haftrichterin am Amtsgericht Cottbus vor einer Woche. Einen 25-jährigen Polen, der eine Polizeisperre durchbrochen und vier Beamte verletzt hatte, schickte sie in Untersuchungshaft. Den von der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) beantragten Haftbefehl für einen 23-jährigen Polen wegen Hehlerei lehnte sie jedoch ab.

Holzschuher hat diese Entscheidung am Mittwoch beim Besuch einer Kontrollstelle der Polizei kritisiert: „Das ist das ganz falsche Signal“, sagte er. „Es muss klar sein, wer solche schwersten Straftaten begeht, der ist hier in Deutschland auch erst mal weg, der wird hier erst mal eingesperrt und muss mit harten Strafen im Ergebnis rechnen.“ Notfalls müssten die Strafprozessordnung oder das Strafrecht verschärft werden. Was genau das bedeutet, wollte ein Sprecher des Innenministeriums am gestrigen Donnerstag nicht vertiefen. Dies müsse jetzt geprüft werden, hieß es.

In der Richterschaft lösten die klaren Worte des Ministers Fassungslosigkeit aus. Der Sachverhalt sei viel differenzierter als von Holzschuher dargestellt. Wurde der Minister von der Polizei falsch informiert? Oder ignorierte er die Fakten, um sich bewusst als starker Law-and-Order-Mann zu inszenieren? Polizeipräsident Arne Feuring, ebenfalls Jurist, hatte schon vergangene Woche das Amtsgericht Cottbus attackiert. „Angesichts der außerordentlichen Brutalität des Vorgehens der Verdächtigen, die bewusst das Leben der Beamten aufs Spiel gesetzt haben, um sich der Strafverfolgung zu entziehen, habe ich kein Verständnis für diese Entscheidungen des Gerichts“, hatte er gesagt. Am Mittwoch legte er nach und sagte, hier gehe es um Tötungsdelikte. Von Feuring habe man nichts anderes erwartet, heißt es aus der Richterschaft. Der Innenminister habe aber eine rote Linie überschritten. Tatsächlich ging nur einer der gefassten Autoschieber, nämlich der in Untersuchungshaft sitzende, überaus brutal vor. Die Soko Grenze des LKA hatte einen Kontrolleinsatz in der Lausitz geplant. An der A15 bei Forst (Spree-Neiße), an jener Stelle, die Holzschuher eine Woche später am Mittwoch besuchte, richteten Einsatzkräfte eine Kontrollstelle ein. Parallel kam die Information über drei in der Nacht in Elbe-Elster und in Cottbus gestohlene Audi, ein Q7, zwei A6, die auf der Autobahn Richtung Grenze nach Polen unterwegs waren. Die Autoschieber durchbrachen die Kontrollstelle einfach, ein Wagen fuhr direkt auf die Einsatzkräfte zu, ein Beamter der Bereitschaftspolizei gab einen Warnschuss in die Luft ab. Obwohl Nagelsperren ausgelegt waren, konnten die Autoschieber flüchten. Zwei Kilometer dahinter rammte der nun in Untersuchungshaft sitzende Pole zwei Polizeiwagen, die ihn verfolgten. Beide Streifenwagen überschlugen sich, vier Beamte wurden verletzt. Die beiden Autoschieber flüchteten zu Fuß. Nach einer Fahndung mit Fährtenhunden wurden zwei gefasst, einem dritten gelang mit einem gestohlenen Audi A6 die Flucht.

Der 25-jährige Pole, der die Polizeisperre tatsächlich durchbrochen hatte, während der andere Dieb danach durchfahren konnte, sitzt wegen dringenden Tatverdachts auf gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, gefährlicher Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte im besonders schweren Fall, Hehlerei und Sachbeschädigung in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft hat gegen diese Entscheidung des Amtsgerichts Cottbus Beschwerde beim Landgericht Cottbus eingelegt und will den Tatverdacht auf versuchten Mord als Haftgrund nachtragen lassen. Für ein versuchtes Tötungsdelikt hatte die Haftrichterin allerdings nicht genügend Tatsachen erkennen können. Auch bei den wieder auf freien Fuß gesetzten Polen legte die Behörde Beschwerde ein, weil die Haftrichterin keinen von der Staatsanwaltschaft beantragten Haftbefehl wegen des Vorwurfes der Hehlerei erlassen wollte und damit auf einer Linie mit der geltenden Rechtssprechung ist. Die Staatsanwaltschaft befürchtet jedoch Verdunklungs- und Fluchtgefahr und will den Polen in Untersuchungshaft sehen.

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