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Brandenburg: Homosexuelle Brandenburger testen selten Studie: Offenbar Ängste vorm „Coming Out“

Potsdam - Homosexuelle Männer in Brandenburg lassen sich wesentlich weniger auf eine Infektion mit dem HI-Virus testen als gleichgeschlechtlich liebende Berliner. Dieses Vorab-Ergebnis einer Studie über Wissen, Einstellungen und Verhalten von homosexuellen Männern stellte gestern Axel J.

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Potsdam - Homosexuelle Männer in Brandenburg lassen sich wesentlich weniger auf eine Infektion mit dem HI-Virus testen als gleichgeschlechtlich liebende Berliner. Dieses Vorab-Ergebnis einer Studie über Wissen, Einstellungen und Verhalten von homosexuellen Männern stellte gestern Axel J. Schmidt vom Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung bei einer Fachtagung zum Thema Aids in Potsdam vor. Demnach haben sich unter den rund 1200 befragten Männern knapp ein Viertel der Berliner noch nie einem Aids-Test unterzogen – in Brandenburg hat sich dagegen die Hälfte aller Männer noch nie testen lassen. „Allerdings sind die Zahlen für Brandenburg nicht gänzlich repräsentativ, da wir die Untersuchung nach den ersten beiden Postleitzahlen der Befragten ausgewertet haben“, sagte Axel J. Schmidt. Aber der Trend sei trotzdem deutlich erkennbar.

Unterschiede gibt es auch im Wissen um die Übertragungswege des Virus, im Freundeskreis und beim offenen Umgang mit der eigenen Sexualität. So scheint die Aufklärung im Flächenland Brandenburg nicht lückenlos zu funktionieren: Als „gut“ informiert über die Übertragungswege des HI-Virus stuften die Forscher 75 Prozent der Berliner ein – aber nur 62 Prozent der Brandenburger. „Wer da geantwortet hat, dass Speichel den Virus übertragen kann, konnte natürlich nicht mit “gut“ bewertet werden“, erklärte Schmidt die Analyse.

Gleichzeitig scheinen die Brandenburger Bedenken vorm „Coming Out“ zu haben: Den Schritt gewagt haben hier etwa 45 Prozent, in Berlin dagegen knapp 70 Prozent. Dies wirkt sich unter anderem auf den Bekanntenkreis aus: Sagen in Berlin nur rund 40 Prozent der homosexuellen Männer, dass sie vor allem „szenefern“ leben, also keine einschlägigen Clubs besuchen, sind es in Brandenburg rund zwei Drittel. Die relativ niedrige Zahl bekennender Homosexueller wirkt sich auch auf erlebte Gewalterfahrungen aus: In Berlin haben schon circa 15 Prozent der Befragten über 25 Jahren Gewalt wegen ihrer Sexualität erleben müssen, in Brandenburg nur rund fünf Prozent – weil sie offenbar nicht auffallen . „Der Umgang mit Homosexualität und Aids im ländlich geprägten Brandenburg und in der Metropole Berlin ist eben anders“, sagte Schmidt. So würde nur ein Drittel der befragten homosexuellen Männer in Brandenburg jemanden kennen, der mit dem HI-Virus infiziert ist – in Berlin ist der Wert etwa doppelt so hoch. Das lässt sich bereits an der Statistik ablesen: 2006 infizierten sich laut dem Berliner Robert-Koch-Institut 420 Berliner mit dem langfristig tödlichen Virus. In Brandenburg waren es 31. Schmidt: „Es ist natürlich auch ein Problem, wenn Aids nicht mehr als Erfahrung wahrgenommen wird – das kann nachlässig machen.“ Henri Kramer

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