Von Alexander Fröhlich: Hunderte Verfahren wegen Kinderpornos
„Operation Himmel“ des Berliner LKA bringt Cottbusser Ermittlern viel Arbeit – und einen Richter aus Oberhavel zu Fall
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Cottbuss – Eine der bislang größten Ermittlungsaktionen unter Führung des Landeskriminalamtes (LKA) Berlin gegen Besitzer und Händler von Kinderpornografie hat zu mehr als 350 Verfahren in Brandenburg geführt. Die zuständige Staatsanwaltschaft Cottbus hat bislang nur in weniger als 20 Fällen Anklagen und Strafbefehle vor Gericht gebracht, erklärte Behördensprecher Horst Nothbaum am Donnerstag gegenüber den PNN.
Jüngstes Beispiel ist ein bislang in Berlin tätiger Amtsrichter, der im Landkreis Oberhavel am Rande der Bundeshauptstadt wohnt. Der Familienvater, Jahrgang 1962, hatte sich am heimischen Computer im Internet Kinderpornos angeschaut. 750 Bild- und acht Videodateien fanden Polizisten bei einer Hausdurchsuchung im November 2007 auf dem Rechner. „Er hat sie nicht nur angeklickt, sondern die Dateien auch heruntergeladen“, berichtet ein Ermittler.
Im August 2008 beantragte die Cottbusser Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft Brandenburgs für Internetdelikte schließlich einen Strafbefehl gegen den Juristen, das Amtsgericht Oranienburg bestätigte die Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung. Bekannt wurde der Fall, weil der Zivilrichter Einspruch dagegen einlegte, diesen später aber wieder zurückzog. Zur angesetzten Verhandlung vor dem Amtsgericht Mitte Dezember kam es nicht mehr. Daher ist der Strafbefehl rechtskräftig – und der Familienvater nach Informationen der PNN seinen Job an einem Berliner Amtsgericht los.
Bestätigen wollte das die Berliner Senatsverwaltung für Justiz unter Hinweis auf personalrechtliche Angelegenheiten nicht. Doch das deutsche Richtergesetz legt fest: Bei einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr endet das Richterverhältnis mit der Rechtskraft des Urteils – ohne das es einer weiteren gerichtlichen Entscheidung bedarf.
Ins Visier der Ermittler war der Jurist bereits 2006 im Rahmen der „Operation Himmel“ geraten. Dabei stellten die Fahnder der LKA Berlin fest, dass bundesweit 12 750 Internetnutzer von 2006 an unerlaubt auf das Datenmaterial zugegriffen haben. Gegen sie wurden Ermittlungen wegen des „Vorwurfs des Sichverschaffens kinderpornografischen Materials“ eingeleitet. 510 Verdächtige wohnten allein in Berlin. Bundesweit waren 106 Staatsanwaltschaften in allen 16 Bundesländern beteiligt.
Die Ermittlungen waren im Mai 2006 ins Rollen gekommen, als laut Staatsanwaltschaft ein Berliner Internetdienstleister das LKA einschaltete. Er hatte kinderpornografische Dateien auf seinem Server gefunden. Dem Provider sind der Behörde zufolge bei internen Prüfungen das große Datenvolumen und die erhebliche Anzahl von Benutzerzugriffen auf entsprechende Dateien aufgefallen.
Nach Sichtung des Materials seien bis Anfang November 2008 bundesweit zahlreiche Durchsuchungen vorgenommen worden. In Berlin erfolgten die Aktionen bereits zwischen Dezember 2007 und April 2008. In Wohnungen und Büros wurden insgesamt knapp 20 000 Datenträger – von der analogen Videokassette bis zur DVD sowie in 250 Fällen Computer – sichergestellt. Darauf fanden die Beamten in zahlreichen Fällen weitere Kinderpornos. Wegen der Fülle der auszuwertenden Datenträger dauern die Ermittlungen noch an.
Ebenso ist es im Land Brandenburg: Dort sind 45 Prozent der 350 Verfahren noch offen, sagte der Cottbuser Behördensprecher Nothbaum. 35 Prozent der Fälle wurden eingestellt, weil die Ermittler keine Straftat nachweisen konnten. Bei 10 Prozent stellte die Staatsanwaltschaft die Verfahren gegen Geldauflagen, wegen Geringfügigkeit oder bereits erlassener höherer Strafen ein. Fünf Prozent wurden an Behörden in anderen Bundesländern abgegeben.
4000 Fälle bearbeitete die Cottbuser Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft für Internetdelikte insgseamt 2008, in jedem vierten bis fünften Fall ging es um Kinderpornografie. Prominentestes Beispiel ist der suspendierte Landrat von Oberspreewald-Lausitz, Georg Dürrschmidt (CDU). Im Febraur soll vor dem Amtsgericht Senftenberg der Strafprozess gegen den 49-Jährigen beginnen, der die Vorwürfe bestreitet und einen im Juli 2008 von der Staatsanwaltschaft erlassenen Strafbefehl über 12 600 Euro nicht akzeptierte.
Gegen den Familienvater war bereits seit Anfang 2007 ermittelt worden – laut Staatsanwaltschaft allerdings nicht im Zuge der „Operation Himmel“. Auf Dürrschmidts Rechner fanden Ermittler 50 einschlägige, heruntergeladene Bilder und zwei Videodateien. Fünf Zugriffe zwischen Oktober 2004 und Januar 2007 werden ihm angelastet.
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